Reich sein lohnt sich

  26 Januar 2016    Gelesen: 616
Reich sein lohnt sich
Die Vermögen in Deutschland wachsen, die Einkommen aber kaum. Für alle, die schon viel haben, ist das schön. Alle anderen können kaum noch durch Arbeit reich werden.
Manchmal lässt sich an Zahlen ablesen, wie es einer Gesellschaft geht. Wie es um den inneren Zusammenhalt steht, wohin das Land in Zukunft steuert. In Deutschland besitzen zehn Prozent der Bevölkerung rund 52 Prozent des gesamten Nettovermögens. Das zumindest geht aus ersten Zahlen des Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung hervor. Und dass 1998 der Vermögensanteil der oberen zehn Prozent noch deutlich geringer war. Die Zahlen legen nahe, dass die Ungleichheit in Deutschland wächst. Manche Forscher gehen sogar davon aus, dass die Kluft noch größer ist, weil Millionäre und Multimillionäre in solchen Statistiken oft gar nicht erfasst werden.

Doch ist es zwingend schlecht, wenn ein kleiner Teil der Bevölkerung finanziell deutlich besser gestellt ist als die Mehrheit? Schließlich basiert doch die Marktwirtschaft auf weitgehend freien Entfaltungsmöglichkeiten. "Ab wann Ungleichheit sich negativ auf Wachstum und Entwicklung eines Landes auswirkt, ist nur sehr schwer abzuschätzen", sagt Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Negative Effekte seien dann zu erwarten, wenn hohe Vermögen genutzt würden, um Partikularinteressen durchzusetzen. "Belastbare Daten gibt es dazu aber nicht", sagt der Ökonom.

Wenn sie auf dem Leistungsprinzip fuße, sei Ungleichheit auch durchaus gesellschaftlich akzeptiert. Schwierig werde es dann, wenn immer mehr Vermögen vererbt und damit zu einem leistungslosen Einkommen werde. "Dies signalisiert: Leistung lohnt sich nicht mehr", sagt Grabka. Genau das ist in Deutschland der Fall. Deshalb spiele die Erbschaftsteuer in der Verteilungsdebatte eine so wichtige Rolle.

Aber was ist in den letzten zwei Jahrzehnten passiert, dass vor allem die Vermögen an der Spitze weiter gewachsen sind? Henning Vöpel vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) erklärt es so: "Durch die Globalisierung wurden mit China, Indien und anderen Schwellenländern Milliarden Menschen in die internationale Wirtschaft integriert." Dadurch habe das Angebot an Arbeitskraft stark zugenommen, das Kapital hingegen sei relativ knapper geworden. Die Konsequenz: "Was relativ knapper ist, wird höher entlohnt", sagt Vöpel. "In der Globalisierung sind Einkommen aus Vermögen viel stärker gestiegen als Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Dadurch konnte leichter Vermögen aus bestehendem Vermögen gebildet werden."

Diese Entwicklung habe sich auch in Deutschland vollzogen. Die Reallöhne seien lange kaum gestiegen, erst in den vergangenen Jahren habe es einen spürbaren Zuwachs gegeben. Bestehende Vermögen seien dagegen weiter angewachsen, weil es seit Jahrzehnten keine äußeren Schocks wie Kriege oder Revolutionen in Deutschland gegeben habe, durch die Vermögen grundlegend neu verteilt würden. "Zwei, drei Generationen haben beständig Vermögen aufgebaut und vererbt", sagt Vöpel. "Das hat die Ungleichverteilung noch einmal steigen lassen."

Nun könnte man argumentieren, unterschiedlich hohe Vermögen sind nicht weiter problematisch, solange die Einkommen wachsen und damit auch ein Vermögensaufbau möglich wäre. Sebastian Braun vom Kieler Institut für Weltwirtschaft gibt aber zu bedenken, dass bestehendes oder auch fehlendes Vermögen einen Einfluss auf Einkommensungleichheit in der Zukunft haben kann. "Aufstiegschancen oder soziale Mobilität können dadurch begrenzt werden", sagt Braun.

Weniger Nachfrage für qualifizierte Arbeit

Hinzu kommt, dass selbst bei guter Wirtschaftslage nicht davon auszugehen ist, dass die Einkommen dauerhaft merklich steigen werden. Die Gründe dafür sind ebenfalls in der Globalisierung und der zunehmenden Technisierung zu suchen. "Bislang ist vor allem die Nachfrage nach niedrig qualifizierter Arbeit zurückgegangen, weil einfache Tätigkeiten leichter ins Ausland verlagert werden können", sagt Braun. Künftig könnten aber auch qualifizierte Jobs verlagert werden oder auf andere Art wegfallen – beispielsweise durch Automatisierung. Letztere trifft mittlerweile nicht mehr nur den Fließbandarbeiter, sondern beispielsweise auch Ärzte oder Ingenieure.

Stagnieren oder sinken die Einkommen aus Lohnarbeit, sinken auch die Aufstiegschancen der betroffenen Personen. "Der Spielraum geht zurück, sich durch Investitionen in Bildung zu verbessern", sagt Braun. Sozial schwache Milieus würden sich so über Generationen verfestigten. Da entgegenzusteuern, sei die zentrale Aufgabe der Politik.

Nach Ansicht von Markus Grabka vom DIW geht es dabei nicht zwingend um mehr staatliche Umverteilung. Als Beispiel nennt er die immer wieder diskutierte Vermögensteuer. Der zu erwartende Effekt aus einer solchen Steuer sei eher gering, sagt er. Viel wichtiger sei es, breiten Bevölkerungsschichten Anreize zu bieten, selbst Vermögen aufzubauen. Als gutes Beispiel nennt er Norwegen: "Die haben mit ihrem Staatsfonds sehr gute Erfahrungen gemacht", sagt Grabka.

Interessierte Bürger könnten Fondsanteile erwerben und so Vermögen aufbauen. Die Rendite liege seit Jahren bei über fünf Prozent, auch weil die Verwaltungskosten niedrig seien, sagt Grabka. Ein solches Modell wäre aus seiner Sicht auch für Deutschland denkbar. "Zumal die Riester-Rente als Instrument zum Aufbau von Altersvorsorgevermögen unter Kritik steht", sagt der Ökonom. "Die Renditen sind hier – aufgrund der hohen Gebühren – eher niedrig."


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