Er war ein Genie. Ferdinand Piëch war der Motor der deutschen Automobilindustrie. Als Enkel des Firmengründers und VW-Käfer-Erfinders Ferdinand Porsche war er getrieben, den Wolfsburger Volkswagen-Konzern zum weltgrößten Autobauer zu machen. Als junger Ingenieur bewies er sich bei Audi. Machte die ins Schlingern geratene Ingolstädter Marke zum Premiumhersteller. Brachte Allrad-Antrieb und Alu-Karosserien in Serie. Nach jahrelangen Mühen wurde Audi in einem Atemzug genannt mit Mercedes und BMW. Dadurch empfahl er sich für das ganz Große: den Vorstandsvorsitz des Wolfsburger Auto-Riesen VW.
Er war ein Patriarch. Den börsennotierten VW-Konzern führte er wie ein Familienunternehmen. Er formte ein Imperium mit zwölf Marken. Piëch duldete keine Schwäche. Seine Rundgänge auf den Autoausstellungen rund um den Erdball waren gefürchtet. Entsprachen die ausgestellten Prototypen nicht exakt seinen Vorstellungen, versanken die begleitenden Ingenieure im Boden. Kündigte er sich zum Werksbesuch in einem der vielen VW-Dependancen an, wurden mitunter ganze Eingangshallen neu gestrichen. Piëch war über viele Jahre unumstrittener Herrscher der VW-Welt.
Er war Asket. Fleiß und das Streben nach Perfektion zeichneten ihn aus. Wenn andere Auto-Granden bei Branchentreffen zu Zigarre und Hochprozentigem griffen, trank Piëch nur Wasser. Manchmal grünen Tee. Wenn er lächelte, wurde es ernst. Sein Blick glich dem von Röntgenstrahlen. Immer analysierend. Er sagte kaum ein Wort zu viel. Ausgefeilte Rhetorik war nicht seine Sache. Auf Fragen antwortete er mit reichlich Verzögerung und auffallend leise. Seine Botschaften waren messerscharf. Jedes Wort saß. Mitunter beendete er dadurch Karrieren. Manche seiner Nachfolger bekamen das zu spüren.
Er war Mensch. In seinem Umfeld wurde "der Alte", wie sie ihn in Wolfsburg nannten, als Tyrann bezeichnet. Weil er sein Ding durchzog. Doch das war er nie. Ihm ging es darum, das Werk seines Großvaters Ferdinand Porsche zu vollenden - den in den Neunzigerjahren in die Schieflage geratenen VW-Konzern zurück auf die Erfolgsspur zu führen. Er wusste, dass er das allein mit genialen Erfindungen nicht zu schaffen vermochte. Dass er dafür die Mitarbeiter, auch diejenigen in den Werken, brauchte. Deshalb schloss er einen Burgfrieden mit den Arbeitnehmervertretern. In Wolfsburg hatten sie bis zuletzt größte Sympathien für ihn.
Mit Ferdinand Piëch, der sein milliardenschweres Aktienpaket vor gut zwei Jahren verkaufte, geht einer der größten und erfolgreichsten Autokraten der Branche. Es wäre spannend gewesen, zu sehen, wie er die Trends der Zukunft gemeistert hätte. In seiner Welt spielten Elektroautos und autonome Fahrzeuge kaum eine Rolle. Jetzt sind seine Nachfolger gefragt. Sie blicken auf ein gewaltiges Erbe.
Quelle: n-tv.de
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