Verkehrsgerichtstag will Promillegrenze für “Idiotentest“ absenken

  30 Januar 2016    Gelesen: 679
Verkehrsgerichtstag will Promillegrenze für “Idiotentest“ absenken
Die auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar versammelten Experten haben sich für eine einheitliche Promillegrenze für Medizinisch-Psychologische Untersuchungen (MPU) von 1,1 Promille ausgesprochen. Aufgrund der "Rückfallwahrscheinlichkeit" solle eine MPU bei betrunkenen Autofahrern bereits ab diesem Wert angeordnet werden, hieß es in den am Freitag veröffentlichten Abschluss-Empfehlungen des entsprechenden Arbeitskreises.
Derzeit orientieren sich die Führerscheinbehörden bei der Entscheidung bundesweit an unterschiedlichen Schwellenwerten. Aufgrund neuerer Rechtsprechung wird nach Angaben des Automobilclubs ADAC teilweise ein Promillewert von 1,1 Promille als Grenze für die Anordnung einer MPU zu Grunde gelegt. In anderen Fällen halten die Gerichte demnach weiter an der Schwelle von 1,6 Promille fest. Der ADAC kritisiert die Praxis vehement.

Auch der zuständige Arbeitskreis des Verkehrsgerichtstags beklagte eine "regional unterschiedliche Praxis" bei der MPU-Anordnung, die auf einen "Auslegungswiderspruch" beim entsprechenden Paragrafen der Fahrerlaubnisverordnung zurückzuführen sei. Diese müsse eindeutig formuliert werden, wobei 1,1 Promille als Grenzwert dienen sollten.

Der Schwellenwert von 1,6 oder 1,1 Promille gilt generell nur bei erstmalig ertappten Alkoholsündern. Bei Wiederholungstätern liegt die Grenze dagegen sehr viel niedriger.

Eine MPU ist ein Gutachten, dass die Wahrscheinlichkeit künftiger erneuter Verstöße einschätzen soll. Es wird von den Führerscheinbehörden etwa verlangt, wenn ein Fahrer durch Alkohol- und Drogenkonsum oder durch besonders schwerwiegende Verkehrsverstöße aufgefallen ist. Fällt die MPU negativ aus, verliert der Betroffene den Führerschein.

Auf dem Verkehrsgerichtstag diskutieren Experten aus Wirtschaft, Justiz, Verwaltung, Politik und anderen Bereichen in verschiedenen Arbeitskreisen über verkehrsrechtliche und verkehrspolitische Fragen. Empfehlungen der Gremien haben keine direkten Folgen. Ihnen kommt aufgrund des hohen Stellenwerts der Tagung aber oft eine Signalfunktion zu.

Forderungen nach einem Verzicht auf Blutproben nach Trunkenheitsfahrten wies eine andere Arbeitsgruppe des Verkehrsgerichtstags dagegen zurück. Ein Atemalkoholtest liefere "in Ermangelung hinreichender wissenschaftlicher Erkenntnisse" gegenwärtig keinen ausreichenden Beweis zur Feststellung einer "absoluten Fahruntüchtigkeit", hieß es in deren ebenfalls am Freitag in Goslar veröffentlichten Abschluss-Stellungnahme.

Der Arbeitskreis forderten die Bundesregierung auf, Forschungsaufträge zu diesem Thema zu vergeben. Zugleich sprach er sich aber dafür aus, den sogenannten Richtervorbehalt bei der Anordnung einer Blutprobe zu streichen. Die Kompetenz dazu könne in die Hände des zuständigen Ermittlers der Staatsanwaltschaft gelegt werden. Vertreter der Polizei fordern seit längerem eine Abschaffung der Bluttests, weil diese viel Arbeit machen.

Mediziner und Juristen wollen dagegen daran festhalten. Blutproben kommen ins Spiel, wenn eine "absoluten Fahruntüchtigkeit" und damit eine Straftat vorliegen könnte. Bei Kontrollen messen Polizisten zunächst nur den Atemalkoholwert. Bei Promillewerten im Ordnungswidrigkeitenbereich reicht das als Beweis aus. Werden 1,1 Promille erreicht, steht aber eine "absolute Fahruntüchtigkeit" im Raum. Dann wird eine Blutprobe fällig.

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