Krankenhausbesuch endet für Johnson übel

  19 September 2019    Gelesen: 707
Krankenhausbesuch endet für Johnson übel

Der britische Premier ist zurzeit kein Volksheld: Bei einem Pressetermin in einem Londoner Krankenhaus gerät Johnson vor laufender Kamera mit dem Vater eines kranken Kindes aneinander. Während der Supreme Court über die Parlamentspause berät, hält Merkel einen Brexit-Deal weiter für möglich.

Der britische Premierminister Boris Johnson muss derzeit einiges einstecken. Bei einem Ortsbesuch in einem Londoner Krankenhaus stellte ihn der Vater eines erkrankten Kindes zur Rede. "Es gibt nicht genug Ärzte, es gibt nicht genug Krankenschwestern, es ist nicht gut organisiert", sagte der Mann zu Johnson. Die Szene ist in einem Video der Nachrichtenagentur PA zu sehen. Der nationale Gesundheitsdienst sei zerstört worden. "Und Sie kommen hierher für eine PR-Gelegenheit?", rief der Mann aufgebracht.

"Hier ist eigentlich keine Presse", entgegnete Johnson, der sichtlich abgekämpft wirkte. Doch das machte den Mann angesichts eines anwesenden Pressetrosses nur noch wütender. "Was meinen Sie damit, hier ist keine Presse?", rief er und deutete in Richtung auf eine laufende Kamera, während im Hintergrund das Klicken von Fotoapparaten zu hören war. Der aufgebrachte Vater gab sich später auf Twitter als Labour-Aktivist zu erkennen. Seine sieben Tage alte Tochter sei am Abend zuvor schwer krank in das Krankenhaus eingeliefert worden, erklärte er. Trotzdem habe sich stundenlang kein Arzt um sie gekümmert.

Während in London die Stimmung angespannt ist, gibt sich Angela Merkel gelassen. Sie setze nach dem Brexit auf ein "gutes Freihandelsabkommen" mit Großbritannien, sagte die Bundeskanzlerin in Berlin. Auch nach dem Austritt aus der Europäischen Union wolle Deutschland "in Freundschaft mit Großbritannien verbunden sein". Auch beim Brexit gab Merkel die Hoffnung nicht auf: "Ich sehe das Ziel eines geordneten Brexit nicht als gefährdet an", sagte die CDU-Politikerin. Dennoch sei Deutschland auf einen ungeordneten Brexit vorbereitet.

In den festgefahrenen Brexit-Gesprächen hatte auch ein Treffen von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit Johnson am Montag keinen Durchbruch gebracht. Bisher habe die britische Seite keine umsetzbaren Vorschläge zur Lösung der besonders umstrittenen Nordirland-Frage unterbreitet, erklärte die EU-Kommission nach dem Treffen in Luxemburg.

Zwangspause fürs Parlament: Supreme Court berät noch bis Donnerstag

Derweil setzte das oberste britische Gericht in London seine Beratungen zur Zwangspause des Parlaments fort. Der Anwalt der britischen Regierung argumentierte, die Justiz sei im Streit darüber nicht zuständig. Die Anordnung von Premierminister Johnson sei eine "grundlegend politische" Entscheidung, daher sollten nicht Richter darüber befinden, sagte der Anwalt des Regierungschefs, James Eadie vor dem Obersten Gerichtshof in London.

Er wies Vorwürfe gegen Johnson zurück, wonach dieser das Parlament mit der Zwangspause aushebeln wollte. Die Behauptung, der Premierminister habe "unzulässige Absichten" verfolgt, sei "unhaltbar", betonte Eadie. Der Oberste Gerichtshof Großbritanniens beschäftigt sich seit Dienstag mit der von Johnson verfügten Zwangspause für das Unterhaus in London. Die Anhörung endet am Donnerstag. Wann die Richter ihre Entscheidung verkünden, ist nicht bekannt. Juristen rechnen am Freitag, frühestens Donnerstag mit einem Richterspruch.

Das Gericht berät über zwei Klagen, die von der Anti-Brexit-Aktivistin Gina Miller und von 78 Parlamentariern eingereicht wurden. In beiden Fällen geht es darum, ob Johnson rechtmäßig handelte, als er Königin Elizabeth II. die Parlamentsvertagung empfahl. Ein Vertreter der Gruppe, die vor dem obersten Gericht Schottlands gesiegt hatte, sagte: "Was wir hier haben, ist, dass die Mutter der Parlamente vom Vater der Lügen zugesperrt wurde."

Landesweite Proteste nach Parlamentsschließung

Johnsons Entscheidung, dem Parlament vor dem für den 31. Oktober geplanten EU-Austritt Großbritanniens eine fast fünfwöchige Sitzungspause aufzuerlegen, hatte landesweite Proteste hervorgerufen. Kritiker halten dem konservativen Regierungschef vor, das Parlament aushebeln zu wollen und so die Demokratie zu untergraben.

Dieser Argumentation folgte in der vergangenen Woche auch ein schottisches Berufungsgericht. Es erklärte die Zwangspause für "illegal", weil es deren offensichtliches Ziel sei, "das Parlament zu behindern". Die britische Regierung legte umgehend Berufung gegen die Entscheidung ein.

Das britische Parlament soll nach dem Willen des Premierministers erst am 14. Oktober wieder tagen. Zum 31. Oktober, also gut zwei Wochen später, will Johnson sein Land aus der EU führen - notfalls auch ohne Abkommen mit Brüssel. Ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz, wonach der Premierminister eine Verschiebung des Brexit um drei Monate beantragen muss, wenn es nicht zu einer Einigung mit der EU kommt, will Johnson ignorieren.


Quelle: n-tv.de


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