Verstrahltes Wasser aus Fukushima: Wie gefährlich ist es für die Ozeane?

  27 September 2019    Gelesen: 431
  Verstrahltes Wasser aus Fukushima: Wie gefährlich ist es für die Ozeane?

Die Firma TEPCO, die das Kernkraftwerk Fukushima-1 betreibt, will mit Tritium verseuchtes Wasser in den Pazifischen Ozean ablassen. Das sorgt für großen Unmut unter Umweltexperten. Auch Japans Nachbarländer sind stark beunruhigt.

Bei Tritium handelt es sich um ein langlebiges radioaktives Wasserstoffisotop, dessen Einfluss auf die Gesundheit gerade intensiv erforscht wird. Welche Radionuklide aus den verunglückten Atommeilern in die Umwelt gelangt sind und wie sich das auf Lebewesen in den Weltmeeren auswirkt, erklärt RIA Novosti in diesem Beitrag.

Hochgiftiges Cäsium auf der Reise durch den Stillen Ozean

Am 11. März 2011 wurde Japan von einem schrecklichen Erdbeben (Stärke neun auf der Richterskala) erschüttert. Der dadurch ausgelöste Tsunami zerstörte den Schutz des an der Küste liegenden AKW Fukushima-1 und beschädigte sein Stromversorgungssystem. Die Pumpen, die die Meiler mit dem Ozeanwasser und die Teiche mit abgenutztem Kernbrennstoff abkühlten, blieben auf einmal stehen. Bei der darauf folgenden Explosion wurden drei Meiler beschädigt, und ein Teil des Brennstoffs wurde nach draußen ausgestoßen.

In die Atmosphäre gelangten dabei etwa zehn Prozent der Stoffe, die bei der Havarie in dem sowjetischen AKW Tschernobyl im April 1986 ausgestoßen worden waren. Vor allem waren das flüchtige Stoffe und Gase. Mit dem Wind gelangten sie in den Ozean, wo der größte Teil davon absackte.

Angesichts der Folgen solcher Katastrophen für die Gesundheit der Menschen und Tiere ist es wichtig, die Verbreitung von langlebigen Isotopen von Zäsium, Plutonium, Strontium und Jod zu beobachten. Plutonium gab es in der Umgebung von Fukushima nach dem Unfall ziemlich wenig, der Pegel von Jod-129 war nur vor der Küste der Präfektur Fukushima erhöht. Bis dato wurde die Verbreitung von Cäsium-137 am besten erforscht, dessen Halbwertzeit 30 Jahre beträgt.

Dieses Isotop gelangt schnell in die Organismen der Meeresbewohner und häuft sich mit der Zeit in ihren Eingeweiden an.

Experten vom Ozeanografischen Forschungsinstitut in Woods Hole (USA) haben gemeinsam mit ihren Kollegen aus verschiedenen Ländern Informationen über den Gehalt von Cäsium-137 im nördlichen Teil des Pazifiks nach März 2011 gesammelt. Der Gehalt war auch zuvor wegen der Atomtests in den frühen 1960er Jahren erhöht gewesen und belief sich auf 1 bis 2 Becquerel pro Kubikmeter (bq/m3) Wasser. Gleich nach dem Fukushima-Unglück schoss diese Zahl auf 60 Millionen bq/m3 in die Höhe und ging in den nächsten vier Jahren allmählich zurück.

Es stellte sich heraus, dass das verseuchte Wasser von der japanischen Küste mit verschiedenen Pazifik-Strömungen in Richtung Alaska gespült wurde. 2015 wurde dieses Wasser auch vor Kalifornien entdeckt. Die Verbreitung des Cäsiums weiter in den Süden wurde durch Strömungen blockiert.

Nur zwei Wochen nach der AKW-Katastrophe wurde Cäsium-137 in einer Tiefe von 500 Metern entdeckt, im April bereits fünf Kilometer tief. Da die Messstellen ein und zwei Kilometer von der Küste entfernt lagen, stellten die Experten fest, dass der Giftstoff nicht mit Wasser dorthin befördert wurde. Also wurde er mit dem Wind verbreitet.

Bis 2015 wurde nur in einem Prozent der in der Präfektur Fukushima gefangenen Fische ein erhöhter Cäsium-137-Gehalt (mehr als 100 Becquerel pro Kilogramm Fleisch) registriert. Einzelne Fische waren aber enorm stark verseucht. Das könnte bedeuten, dass aus den beschädigten Reaktoren immer noch flüssige Radionuklide ins Wasser gelangen. Allerdings können verseuchte Fische dank speziellen Hürden nicht in den offenen Ozean gelangen.

Muss man Tritium fürchten?

Das Wasser für die Abkühlung der AKW-Meiler in Fukushima wird aus dem Ozean genommen und nach dem Kontakt mit hochgiftigem Brennstoff von gefährlichen Radionukliden (außer Tritium) gereinigt und in riesige Behälter gegossen. Aktuell werden auf dem AKW-Gelände mehr als eine Million Tonnen Wasser in insgesamt 960 Behältern gelagert. Laut Medienberichten (unter Berufung auf TEPCO-Vertreter) werden diese Kapazitäten noch für drei Jahre reichen, und dann müsste man entscheiden, was mit dem verseuchten Wasser zu tun wäre. Möglicherweise bestünde die optimale Lösung darin, es allmählich wieder in den Ozean zu gießen, falls die Experten keine bessere Lösung finden.

Die Halbwertzeit von Tritium liegt bei 12,3 Jahren. Dieser Stoff ist die Quelle einer Beta-Strahlung, die durch die obere Schicht der menschlichen Haut gestoppt wird und damit die Zellen und das Erbgut nicht beschädigt. Dieses Isotop löst sich im Wasser gut auf und ist biologisch aktiv. Mit dem Wasser gelangt es in den Organismus – verlässt ihn aber auch schnell (innerhalb von zwei Tagen bei Fischen und zehn Tagen bei Menschen).

Im Unterschied zum radioaktiven Cäsium, das wegen der menschlichen Aktivitäten in die Umwelt gelangt, hat Tritium eine natürliche Quelle. Es entsteht permanent in der Atmosphäre in einer Höhe zwischen zehn und 20 Kilometern wegen der kosmischen Strahlung. Aus der Atmosphäre gelangt der Stoff auf die Erdoberfläche bzw. in den Schnee und ins Wasser. Eine andere Quelle sind Atommeiler.

Tritium kann sich mit organischen Stoffen (Proteinen, Lipiden, Nukleinsäuren) in Geweben und Zellen verbinden. Wenn es sich in dieser Form eine längere Zeit im Organismus aufhält, könnte das einen negativen Effekt haben, unter anderem die Chromosomen beschädigen.

Angaben dazu, dass geringere Tritium-Mengen im Organismus die DNS beschädigen, sind aktuell nicht vorhanden. Aber der Einfluss größerer Mengen wird gerade intensiv erforscht. Vermutlich kann Tritium zum Wachstum von freien Radikalen in Zellen beitragen, die ihrerseits Oxidationsstress und eine unerwünschte Reaktion des Organismus verursachen könnten.

Tritium gilt als ein relativ ungefährlicher Stoff für Lebewesen, und möglicherweise wird sein Ausstoß nach der Fukushima-Katastrophe keine wesentliche Erhöhung seines Gehalts in den Weltmeeren provozieren, besonders, wenn sich dieser Prozess über zehn Jahre ausdehnt. Aber in dem Wasser, das auf dem AKW-Gelände gelagert wird, könnte es auch andere Radionuklide geben, die viel gefährlicher sind.

sputniknews


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