Seither nimmt die zuvor von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron angestoßene Debatte Fahrt auf: Vereinfacht gesagt soll es bei Importen einen Aufschlag geben, wenn sie aus Ländern mit geringen Klimaschutzauflagen kommen. EU-Exporte sollen dagegen entlastet werden, damit sie trotz des in der EU erhobenen CO2-Preises noch international wettbewerbsfähig sind.
Der Hintergrund: In Deutschland und der EU sollen Firmen für ihren Kohlendioxod-Ausstoß mehr zahlen, die CO2-Bepreisung wird immer weiter ausgeweitet. Macron warnt wie Wirtschaftsvertreter und einige Wissenschaftler, dass dies auch zu einer Verlagerung von CO2-intensiven Industrien ins Ausland (carbon leakage) führen könnte. So unterstützt etwa die Wirtschaftsvereinigung Stahl die Idee. Die Politik müsse darauf achten, dass unterschiedliche Klimaschutz-Ambitionen nicht zu einer Verlagerung von Wertschöpfung führt, sagte auch DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier zu Reuters. “Insofern ist es nur konsequent, wenn die Bundesregierung prüft, wie dieser Effekt verhindert werden kann.”
Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayr, wird noch deutlicher: “Es handelt sich gerade nicht um einen diskriminierenden Klimazoll, sondern um ein Ausgleichssystem, wie es zum Beispiel auch bei der Mehrwertsteuer üblich ist”, sagte er zu Reuters. “Importe werden belastet, Exporte müssen freigestellt werden. In- und ausländische Anbieter haben damit gleiche Wettbewerbsbedingungen.” Bisher sei das Problem angesichts einer geringe finanziellen CO2-Belastung nicht bedeutend. “Künftig wird sich das mit steigenden CO2-Preisen aber ändern”, betont Felbermayr.
WARNUNG VOR NEUEM PROTEKTIONISMUS
Allerdings warnt Treier vor negativen Konsequenzen. Neue Regeln dürften den globalen Handel nicht behindern oder dazu führen, dass “andere Staaten gar die Umweltpolitik vorschieben, um eigene protektionistische Maßnahmen zu rechtfertigen”. Der Geschäftsführer des Instituts für deutschen Wirtschaft, Hubertus Bardt, wird noch deutlich: “Selbst wenn eine WTO-konforme Ausgestaltung einer Grenzausgleichsabgabe möglich ist, kann ihre Einführung als protektionistischer und unkooperativer Schritt angesehen werden”, warnte er vor kurzem im “Handelsblatt”. Es gebe die Gefahr, dass Staaten wie die USA mit Gegenmaßnahmen reagierten - und das in einer ohnehin angespannten Situation, in der die USA die Welt mit Strafzöllen überziehen.
Dazu kommt ein zweites Problem: Wie soll aus der Ferne bestimmt werden, wieviel CO2 für die Produktion einer Ware verbraucht wurde? “Welcher Stahl aus welchem Land ist in einem importierten Autos verbaut”, fragt Bardt. Wo wurde möglicherweise für welche Bestandteile ein CO2-Preis erhoben? Zudem kennt der bestehende europäische Zertifikatehandel für Energie- und Industriebetriebe bereits viele Ausnahmen: Energieintensive Unternehmen erhalten kostenlose Verschmutzungszertifikate zugeteilt. “Wettbewerbsnachteile könnte es künftig vor allem in den Sektoren Verkehr und Bau geben, in denen ab 2021 ein CO2-Preis erhoben wird, es aber keine Aufnahmen gibt”, heißt es in der Bundesregierung.
EU-KOMMISSIONSPRÄSIDENTIN SPRICHT VON “SCHLÜSSELINSTRUMENT”
Angesichts dieser Einwände mahnt man in der Bundesregierung zur Zurückhaltung. Bei einer CO2-Grenzsteuer stelle sich nicht nur die Frage der Praktikabilität, sagte ein Regierungssprecher. Es gebe auch “klimapolitische, handelspolitische sowie handelsrechtliche Fragen”, fügte er hinzu. “Bevor hierzu eine Festlegung auf eine Position der Bundesregierung erfolgen kann, bedürfen diese Fragen zunächst einer vertieften Prüfung.” Auch das Wirtschaftsministerium verweist darauf, dass ein Prüfauftrag alles andere als eine Entscheidung sei. Man wolle zunächst einmal abwarten, was die EU-Kommission vorschlage.
Die aber will nicht locker lassen. Im Arbeitsauftrag von der Leyens an den neuen, Wirtschafts-Kommissar Paolo Gentiloni heißt es zur Grenzsteuer: “Dies ist ein Schlüsselinstrument, um Carbon leakage zu verhindern und sicherzustellen, dass EU-Firmen die gleichen Wettbewerbsbedingungen haben.” Die CO2-Grenzsteuer solle mit WTO-Regeln kompatibel sein. DIHK-Außenwirtschaftschef Treier fordert “etwa eine Beschleunigung des WTO-Umweltgüterabkommens sowie eine stärkere Verzahnung des Welthandelsrechts mit den Vereinbarungen des Pariser Klimaabkommens”. Die Frage ist nur, wie man mit US-Firmen umgehen sollte, falls die USA das Klimaabkommen endgültig verlassen.
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