Was Pegida von ihren Gegnern unterscheidet

  03 Februar 2016    Gelesen: 756
Was Pegida von ihren Gegnern unterscheidet
Viele Demonstranten bei Pegida sind Protest-Neulinge, sie sind unerfahren aber zäh. Ihre Gegendemonstranten haben oft viel mehr Protesterfahrung, wie zwei Studien zeigen.
Eines hat Pegida in den vergangenen 15 Monaten ganz gewiss bewiesen: die eigene Hartnäckigkeit. Zunächst mit medialer Aufmerksamkeit überschüttet, von der Politik erst geschmäht, dann mit Dialogangeboten bedacht, im Sommerloch totgesagt, sind die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" jeden Montag auf die Straße gegangen, in fast konstant hoher Zahl. Sie sind da, ungeachtet dessen, ob man sie ignoriert oder Schlagzeilen mit ihnen füllt. Diese Konsequenz, diese Verbissenheit ist eigentlich typisch für erprobte Demonstranten; für erfahrene, organisierte Protestprofis.

Doch genau das sind die Pegida-Teilnehmer nicht. Das ist die erste Besonderheit dieser Demonstranten. Über 40% derer, die da so trotzig stehen, haben sich vorher nie an politischem Protest beteiligt. Das zeigt eine neue Umfrage des Göttinger Instituts für Demokratieforschung, die am 30. November 2015 in Dresden bei einer Pegida-Demonstration durchgeführt wurde und an der rund 3.500 bis 5.000 Demonstranten teilnahmen, die einen Fragebogen mit frankiertem Rückumschlag erhielten und zurücksenden konnten.

Hier zeigt sich: Pegida mobilisiert in beträchtlichem Ausmaß, vor allem diejenigen, die bisher nicht als feste Größe in der öffentlichen Wahrnehmung aufgetreten sind – die bisher zur unsichtbaren, schweigenden Mehrheit gehörten. Gerade sie stehen nun Montag für Montag auf dem Dresdner Theaterplatz.

Noch ein Ergebnis ist bemerkenswert: Der Rücklauf der Umfrage zeigte, dass die Pegida-Teilnehmer nicht wortkarg sind, sondern auskunftsbereit: Entgegen bisheriger Erfahrungen, Pegida rede nicht, erhielten wir von den rund 1.800 verteilten Bögen 610 zurück. Wir konnten mit Pegida sprechen – und zwar sehr ausführlich. Damit erhöhte sich unsere Rücklaufquote im Vergleich zur Onlineerhebung im Januar 2015 um das Dreifache und zeigt, dass Protestforschung auch in diesem Umfeld möglich sein kann. Nach wie vor gilt: Die Studie ist nicht repräsentativ. Unsere Ergebnisse sagen nur etwas über die aus, die sich entschieden haben, uns zu antworten.

Katharina Trittel

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Göttinger Institut für Demokratieforschung und Co-Autorin der Studien zu den Anhängern von Pegida und NoPegida

Von diesen, so ein Kernergebnis der Umfrage, gaben fast 80 Prozent an, bei der nächsten Bundestagswahl die AfD zu wählen. Bisher war das Verhältnis von Pegida und AfD zumindest in Dresden nach außen hin distanziert. Doch nun deutet sich eine Kehrwende an, die Pegida möglicherweise aus der bisherigen Position als lokales und weggelächeltes Dresdner Phänomen hinaushelfen könnte: eine festere Allianz mit der AfD.

Gerade vergangene Woche hat Tatjana Festerling, die Frontfrau Pegidas, bei einem "Spaziergang" dazu aufgefordert, bei den anstehenden Landtagswahlen die "Wahlurnen qualmen zu lassen" und die AfD zu unterstützen. Ein derart konkreter Aufruf ist ein Novum bei Pegida. Dieser Schulterschluss hat vor allem strategischen Charakter und er fußt auf einer gemeinsamen Wahrnehmung: Das Land befindet sich demnach in einer dauerhaften Krise, die nun ein Möglichkeitsfenster öffnet für Parteipolitik und die selbsternannte außerparlamentarische Opposition von der Straße, sich zu verbinden.

Zur Lösung der proklamierten Krise, so ein weiteres Ergebnis der Umfrage, bevorzugt Pegida autoritäre Krisenlösungen. Schließung der Grenzen, die Bedeutung von Recht und Ordnung und eine starke Führerpersönlichkeit erhielten hohe Zustimmungswerte. Mit der grundlegenden Kritik an dem Credo des "Wir-schaffen-das" steht Pegida längst nicht mehr alleine da, sondern in der Mitte der Gesellschaft.

Besonders interessant werden die Erkenntnisse über die Pegida-Teilnehmer, wenn man sie mit dem vergleicht, was man über ihre Gegner weiß.

Fast ebenso lange, wie Pegida auf die Straße geht, gibt es die NoPegida-Proteste. Hier sammeln sich protesterfahrene Bürger, die zivilgesellschaftlich eingebunden sind und teilweise auf sehr ausführliche Protestbiografien blicken. Sie stellen sich mit Konzerten, großen Bühnen und erprobten Rednern und Bündnissen gegen Pegida. Dennoch: Trotz dieser eingespielten Strukturen, auf die NoPegida in vielen Städten zurückgreifen konnte, waren die Proteste in Dresden zahlenmäßig stets in der Unterzahl. Auch in anderen Städten gelang es selten, sie konfliktfrei und konsequent umzusetzen.

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