Mit Beginn der Genfer Runde ist nicht nur die humanitäre Katastrophe weiter eskaliert, sondern auch eine neue Offensive des Regimes mit massiven russischen Luftangriffen in und um Aleppo. Das war das klare Signal aus Moskau, Teheran und Damaskus, dass man auf eine militärische, nicht auf eine diplomatische "Lösung" setzt. Es war auch ein Schlag ins Gesicht von de Mistura und sämtlichen westlichen Außenministern.
Entsprechend wütend werfen Frankreichs Laurent Fabius, John Kerry und Frank-Walter Steinmeier Russland, dem Iran und Syrien vor, was seit Langem offensichtlich ist: Es geht Wladimir Putin, Hassan Ruhani und Baschar al-Assad nicht um den Kampf gegen den "Islamischen Staat". Es geht um den Erhalt des alawitischen Machtapparats in Syrien.
Noch im vergangenen November konnte man – mit viel gutem Willen – glauben, auch Russland und der Iran seien an einem politischen Prozess zur Beendigung des Kriegs in Syrien interessiert. Im Schock über die Terroranschläge des IS in Paris einigten sich die Staaten der "International Syria Support Group" auf einen Verhandlungsprozess, dessen Fahrplan nun wie ein grausamer Witz erscheint: eine neue Genfer Runde ab Januar, Waffenstillstand und nationale Übergangsregierung bis Mitte 2016, eine neue Verfassung und Wahlen Ende 2017. Bis dahin, so die Hoffnung, wären die ersten Flüchtlinge zurückgekehrt und die Pläne für den Wiederaufbau des Landes ausgebreitet.
Sämtliche Interventionsmächte schienen von diesem Vorstoß zunächst zu profitieren: Der Iran saß in Sachen Syrien erstmals offiziell mit am Verhandlungstisch; Russland, seit September Herr über den syrischen Luftraum, konnte sich wieder als Großmacht fühlen und signalisierte im Gegenzug, ein Syrien ohne Assad sei ab 2017 vorstellbar. Barack Obama zeigte mit dem Daumen nach oben, um das in seinen Augen leidige Syrien-Thema endlich vom Tisch zu bekommen. Gleiches galt für Saudi-Arabien, das inzwischen vollauf mit dem Krieg im Jemen beschäftigt ist.
Alte Zugeständnisse gelten nicht mehr
Die saudische Regierung schaffte denn auch vor Genf die größte Vorleistung: Sie brachte im Dezember die notorisch zerstrittene Opposition dazu, sich auf ein Verhandlungskomitee und ein Grundsatzpapier zu einigen. Dessen wichtigste Punkte: die Unversehrtheit des syrischen Territoriums; der Erhalt staatlicher Institutionen bei gleichzeitiger Reform von Armee und Sicherheitsapparat; freie und faire Wahlen; Ablehnung jeglicher Form von Terrorismus und der Präsenz ausländischer Kämpfer; Abgang Assads mit Beginn der Übergangsregierung.
Wenige Tage später war klar, was Moskau von einer so breit aufgestellten Oppositionsdelegation hielt: Ein russischer Raketenangriff tötete Zahran Alloush, Unterstützer des Verhandlungsprozesses und einer der mächtigsten, von Saudi-Arabien unterstützten Rebellenführer. Auf das Konto des Mannes gehen diverse Kriegsverbrechen, die allerdings bei weitem nicht an die des Regimes heranreichen. Alloush war eine zentrale Figur im islamistischen Spektrum, und offenbar bereit, wichtige Teile dieses Lagers in einen Verhandlungsprozess einzubinden.
Mit seinem Tod deutete sich an, was nun offensichtlich ist: Moskau will sich sein Syrien-Ergebnis notfalls zurechtbomben. Entweder durch Eliminierung unerwünschter Teilnehmer oder nun durch eine Militäroffensive, die jegliche Gespräche obsolet macht. Nicht einmal das Zugeständnis, Assad 2017 ins Exil zu schaffen, gilt noch. Nach einem Bericht der Financial Times hat der syrische Diktator einen Unterhändler Putins wütend abgewiesen, als der ihm im Dezember das Ende seiner Amtszeit in Aussicht stellen wollte.
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