„Machen Sie weiter so!“: Militärexperte Braun hat nach „mehr Auslandseinsätzen“ einen Deal für AKK

  08 November 2019    Gelesen: 822
    „Machen Sie weiter so!“:   Militärexperte Braun hat nach „mehr Auslandseinsätzen“ einen Deal für AKK

Nach dem umstrittenen Vorschlag von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zu mehr Bundeswehreinsätzen im Ausland lässt der Militärexperte Reiner Braun kein gutes Haar an der CDU-Chefin. Der auf „eigenen strategischen Interessen“ beruhende Vorstoß sorgt bereits für Diskussionen. In dieser Hinsicht gibt Braun AKK einen besonderen Tipp.

„Unser Grundgesetz hat der Bundesrepublik Sicherheit, Frieden und Wohlstand ermöglicht“, sagte die CDU-Politikerin vor gut fünf Monaten zum 70. Jahrestag des Grundgesetzes gegenüber den Medien. Wenn sie in einem Interview dann plötzlich für mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr wirbt, und zwar nicht nur auf Einladung, sondern auf eigene Initiative, drängt sich die Frage auf, ob sie es mit der Verfassung überhaupt ernst meint. In einem Sputnik-Gespräch bemängelte General a. D. Harald kürzlich, dass die frischgebackene Ministerin sich nicht mit den militärischen Begriffen auskenne. Ob das beim deutschen Grundgesetz auch der Fall ist?

„Mit der deutschen Verfassung kennt sich die deutsche politische Elite schon seit längerer Zeit nicht mehr aus, spätestens seit dem völkerrechtswidrigen Jugoslawienkrieg 1999“, kommentiert der Militärexperte der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ Reiner Braun gegenüber Sputnik. Zu der „guten Tradition“ von Verfassungsbrüchen gehöre auch die Intervention in Afghanistan sowie der Einsatz in Mali, wo man eben nicht eingeladen worden sei. Von daher sei es auch kein Wunder, dass eben AKK auf Kriegsfuß mit der Verfassung stehe. Nach dem nicht weniger umstrittenen Vorstoß zu einer Schutzzone in Nordsyrien verbindet Braun den neuen Vorschlag mit dem Scheitern in Syrien.

„Erinnern wir uns daran, dass das Auswärtige Amt zusammen mit der Marschall-Stiftung schon einmal die Neuordnung Syriens geplant und syrische Oppositionelle dazu eingeladen hatte“, sagt der Experte. Das krachende Scheitern der deutschen Syrienstrategie tue fast schon weh, also versuche man mit solchen Vorschlägen, geostrategisch wieder Fuß in Syrien zu fassen und bei der Neuordnung des gesamten Mittleren und Nahen Ostens mitzuspielen.

„Die Zukunft von Syrien wird aber woanders entschieden, nicht in Genf oder Astana und ohne Beteiligung Deutschlands, was nur positiv zu bewerten ist“, meint Braun weiter. Selbstverständlich wäre solch ein Einsatz in Syrien völlig völkerrechtswidrig, weil weder die Einladung der syrischen Regierung noch ein UN-Mandat vorliegen würden. „Aber leider spielt die Verfassung für geostrategische Entscheidungen der Bundesregierung keine Rolle.“

„Alles, was dieses Kriegsministerium desavouiert, ist gut für den Frieden“

Wenn es heißt, wieder mitspielen zu wollen, warum setzt man dann nicht auf Diplomatie? „Deutsche Außenpolitik war immer auf die sogenannte zivil-militärische Ambivalenz angewiesen“, erklärt Braun weiter unter Verweis auf die ebenso wenig willkommenen Tornado-Aufklärungsflüge oder die zivile Hilfe für die Neuordnung. „Allein zivil will man es nicht lösen, weil man immer an die Allmacht des Militärs glaubt.“

Auf der anderen Seite, so der Experte, müsse man, wenn man es mit humanitärer Hilfe für das leidgeplagte Syrien ernst meine, als allererstes die Sanktionen gegen Syrien aufheben, damit medizinische und andere Güter wieder in dieses Land kommen können. Auch die Wiedereröffnung der deutschen Botschaft in Damaskus wäre aus seiner Sicht ein notwendiger Schritt. Denn selbst zu den Nicht-Freunden müsse man Kommunikationswege schaffen.

Mehrere Politiker, u. a. der FDP-Chef Christian Lindner, werfen AKK in dieser Hinsicht Profilierungssüchte vor. Merkt die Frau denn nicht, dass sie sich damit in der Öffentlichkeit nur diskreditiert? „Für mich ist die politische Lage in Syrien zu ernst, als dass ich mir Gedanken mache über Profilierungssüchte irgendwelcher konservativen deutschen Politiker, die ihre politischen Gegner in eigenen Reihen versuchen zu übertrumpfen“, sagt Braun weiter zu dem „schwachsinnigen“ Wunsch.

Die Realität sei, dass andere Länder über Syrien diskutieren und entscheiden und es für einen Bundeswehreinsatz jetzt in Syrien nie einen Konsens in der Regierung – selbst in einer nicht-friedliebenden – geben werde. Der Vorschlag, sollte er in der Bundesregierung wiederholt werden, würde AKK politisch endgültig desavouieren. Hier geht Braun weiter und wagt sich, etwas zugespitzt zu äußern:

„Wissen Sie, das Verteidigungsministerium in Deutschland ist seit mindestens 20 Jahren ein Kriegsministerium. Alles, was dieses Kriegsministerium desavouiert, ist nur gut für den Frieden. Mein Vorschlag für AKK: Machen Sie weiter so, sorgen Sie für viel internen Streit, das lähmt falsche Entscheidungen und ist letztendlich nur gut für den Frieden.“

Außenminister Heiko Maas hat in Bezug auf die AKK-Initiative auf die europäische Ebene verwiesen. „Die Verantwortung, die auf uns zukommt, müssen wir vor allem europäisch definieren“, sagte er am Donnerstag im ZDF-Morgenmagazin. Sprecher Fritz Felgentreu forderte im Namen der SPD-Fraktion gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland eine Überprüfung, ob die Bundeswehr dafür überhaupt ausgerüstet sei. Man müsse auch nicht pauschal ‚mehr Einsätze‘ fordern, sondern im Einzelfall prüfen, ob ein Einsatz notwendig sei. Die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, warnte vor der Überforderung der Bundeswehr.

Viel Kritik kam allerdings von der Linksfraktion. „Sicherheit und Frieden schaffen wir nicht durch Aufrüstung, Militarisierung und grundgesetzwidrige Bundeswehr-Einsätze zur ‘Sicherung’ von Rohstoffen auf der ganzen Welt“, schrieb die scheidende Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht auf ihrer Facebook-Seite. Deutschland brauche Abrüstung und Diplomatie statt immer neuer Milliarden für Panzer oder Kampfjets und die Militarisierungspläne von AKK. Am Donnerstag hatte Kramp-Karrenbauer dazu noch die Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrates vorgeschlagen.

sputniknews


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