Wenn China Deutschlands Zukunft baut

  25 November 2019    Gelesen: 1059
Wenn China Deutschlands Zukunft baut

5G gehört die Zukunft. Beim Ausbau des superschnellen Kommunikationsnetzes könnte Huawei eine entscheidende Rolle spielen, was Sorgen vor chinesischer Spionage hervorruft. Bundeswirtschaftsminister Altmaier verschließt bei "Anne Will" dem Konzern die Tür jedoch nicht.

Es ist die Infrastruktur der Zukunft: 5G heißt die fünfte Generation des Netzes für mobiles Internet und Mobiltelefonie. 100 Mal schneller als der heutige Vorgänger 4G, soll 5G in den kommenden zehn Jahren zum neuen technischen Standard werden. Es geht hier nicht mehr lediglich um Handytelefonie, sondern um digitale Anwendungen, Sensoren und Geräte, die vernetzt werden und die unseren Alltag und den der Industrie immer mehr bestimmen werden, beispielsweise im Bereich des autonomen Fahrens.

Das Problem: Deutschland ist oftmals noch ziemlich analog und hinkt in Sachen Telekommunikationsnetz hinterher. Ein flächendeckender Netzausbau ist aber bereits jetzt dringend nötig, wenn Deutschland wirtschaftlich in den nächsten Jahrzehnten konkurrenzfähig bleiben will.

Für das neue Netz braucht man natürlich das passende Know-how. Blöd nur, und darum geht es beim ARD-Talk von Anne Will, wenn der Vorreiter in Sachen 5G-Technologie Huawei heißt und aus China kommt. Denn Netzausbau und neue Technik bedeutet: Sabotage und Spionage sind möglich, persönliche Daten und die innere Sicherheit Deutschlands stehen dabei auf dem Spiel.

Darüber debattiert Will in ihrer sonntagabendlichen Runde mit ihren Gästen: Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Linda Teuteberg, Generalsekretärin der FDP, Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Margarete Bause, Sprecherin für Menschenrechtspolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Kristin Shi-Kupfer Politikwissenschaftlerin am Mercator Institute for China Studies und Georg Mascolo, Leiter der Recherchekooperation von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung". Die ARD-Talkerin stellt damit eine große, symbolträchtige Frage: Kann man Huawei, kann man China - Deutschlands wichtigstem Handelspartner - vertrauen? Und wie kann der 5G-Netzausbau wirklich sicher über die Bühne gebracht werden?

"Keinen Einfluss durch chinesischen Staat"


Echte Ergebnisse gibt es am Ende keine, wirklich ins Gespräch miteinander kommen die Diskutanten nicht. Natürlich wolle man beim 5G-Ausbau sicherstellen, dass der chinesische Staat keinen Einfluss nehmen kann, sollte Huawei den Zuschlag bekommen. Und natürlich wolle niemand Menschenrechte verletzt sehen, weder in China noch sonst wo auf der Welt. Aber den Handel mit China will auch keiner aufgeben. Das zeigt, dass Deutschland China braucht und nicht andersherum und dass China bereits so mächtig ist, dass das totalitäre System sich Unterdrückung und Überwachung der eigenen Bürger ruhig leisten kann - denn westlichen Partnern sind ob der wirtschaftlichen Macht Pekings die Hände gebunden. Vertrauen hin oder her.

Aber an den Anfang: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier bringt sich gleich in die Bredouille, als er gefragt wird, ob er Huawei für vertrauenswürdig hält. Altmaier windet sich und drückt sich um ein klares Bekenntnis, weil man das "nicht so generell beantworten" könne. "Wir wollen das höchste Niveau an Sicherheit und es muss nachprüfbar sichergestellt sein, dass der chinesische Staat keinen Einfluss nimmt", sagt er weiter. Aber die Erklärung, wie genau das zu bewerkstelligen ist, bleibt er schuldig. Der CDU-Mann möchte ein Gesetz, aber wie es aussehen soll, bleibt ebenfalls offen.

Huawei baut Überwachungssysteme für China

Huawei ist ein privates Kommunikationsunternehmen, aber wer in China Erfolg hat, ist immer irgendwie mit der Regierung verbandelt. Und Huawei verkauft mittlerweile mehr Smartphones als Apple. Der Konzern baut aber auch ein Überwachungssystem mit Gesichtserkennung für China auf. Bundesaußenminister Heiko Maas nennt Huawei "abhängig vom Staat". Vor allem die USA befürchten, dass das Unternehmen Peking bei der Spionage hilft.

Aber auch in Deutschland will man aufpassen, dass in der 5G-Technologie nicht irgendetwas verbaut ist oder in der Software Updates installiert werden können, die zu Spionagezwecken nutzbar sind. Klar ist auch, dass im Willkürstaat die Regierung sich jederzeit das Recht nehmen kann, auf Daten der Firma zuzugreifen und zwar ohne Gerichtsentscheid von unabhängigen Juristen, sondern, plakativ gesagt, einfach mittels Anruf der Kommunistischen Partei.

Altmaier möchte deshalb "europäische Hersteller stärken", aber die ließen ja ihre "Produktionsteile auch in China herstellen". Huawei hat Konzerne wie Nokia und Ericsson ohnehin längst abgehängt, besonders im Bereich 5G, und ist dabei sogar kostengünstiger. Auch Linda Teuteberg will zu dem Thema eine Bundestagsentscheidung, das Ganze sei "eine politische Frage". Allerdings will die FDP-Generalsekretärin kein Sondergesetz für Huawei, sondern eines, das die "Einflussnahme der Regierung Chinas" und anderer Staaten ausschließen kann. Für sie sei das auch eine "Systemfrage": Rechtsstaat versus Willkür. Dieter Kempf nennt China auf ähnliche Art und Weise einen "systemischen Wettbewerber".

Der BDI-Präsident will das Problem jedoch lieber technologisch betrachten und sagt: "Egal, wo der 5G-Lieferant herkommt, Hauptsache, das neue Netz ist sicher und die Daten und Übertragungswege sind geschützt." Ob er das der Regierung zutraut, will Anne Will von ihm wissen. "Lückenlose Sicherheit gibt es nicht in der digitalen und nicht in der analogen Welt", lautet seine Antwort.

"Demokratische Kräfte in China stärken"


Kempf weist auch darauf hin, dass der 5G-Auftrag an ein Unternehmen aus den USA ebenfalls gefährlich wäre, denn seit dem Patriot Act hätte dann auch die Regierung in Washington das Recht, sich Zugang zu deutschen Daten zu verschaffen. Die USA wären aber immerhin ein Rechtsstaat, merkt Margarete Bause an. Für die Sprecherin für Menschenrechtspolitik hat die Bundesregierung gerade in Hinsicht auf die USA und die NSA das Thema Sicherheit des Telekommunikationsnetzes als "Hauptschlagader der Gesellschaft" über viele Jahre "sträflich vernachlässigt". Und jetzt begebe sie sich immer mehr in "die Abhängigkeit von China".

Georg Mascolo geht noch weiter und erklärt, die Bundesregierung habe die Huawei-Diskussion "versucht so klein zu halten, wie es geht, um keinen Ärger mit China zu bekommen". Berlin habe Huawei schon 2013 als nicht vertrauenswürdig eingestuft. Der Journalist spricht aus, was Altmaier und auch Kanzlerin Angela Merkel vermeiden: Man müsse einen anderen Weg als Huawei finden. Für Mascolo führe man eine "Scheindiskussion", denn am Ende könne man nie eine endgültige Daten-Sicherheit erreichen. Es habe immer wieder Pläne für solche Sicherheiten aus Berlin gegeben, aber es sei nicht eine tatsächliche Politik daraus entstanden.

"Wir brauchen eine gemeinsame europäische digitale Strategie", erklärt Bause später. Da sind sich auf einmal alle Diskutanten einig. Wie genau diese aussehen soll, erklärt aber niemand. Mascolo merkt immerhin an, dass Europa zwar das Interesse hat, unabhängiger zu werden, aber bislang "nur darüber geredet" werde. Und was war da jetzt noch mal mit den Menschenrechten? Auch da sind alle d'accord: Die müssten natürlich jederzeit angesprochen werden, wenn man mit China in Kontakt tritt. Aber kann man mit Diktaturen Geschäfte machen, ohne sich moralisch schuldig machen? "Wir können nicht nur Partner haben aus Ländern, die Demokratien sind, wie wir sie uns vorstellen", sagt BDI-Chef Kempf. Altmaier pflichtet ihm bei: "Würden wir nur mit Demokratien handeln, dann wären das sehr wenige Länder auf der Welt." Sieht so eine Bankrotterklärung vor China aus, das die Proteste in Hongkong gegebenenfalls mit dem Militär niederschlagen will und das muslimische Minderheitsvolk der Uiguren in Lager einpfercht?

Immerhin sagt die Grünen-Politikerin Bause: "Wir müssen für unser freiheitliches System einstehen", denn es ginge hierbei auch um die Demokratie, die Europa sich lange erkämpft habe. China wolle "die eigene totalitäre Idee verbreiten" und das dürfe nicht geschehen. Auch die Politikwissenschaftlerin Kristin Shi-Kupfer will "demokratische Kräfte in China stärken" und durch deutliche Stellungnahmen Signale senden, dass man Peking nicht alles durchgehen lässt.

Eines dieser Signale wäre vielleicht, wenn Huawei nicht den Zuschlag für den 5G-Netzausbau bekäme. Die USA, Australien und Neuseeland haben dies bereits getan. Aber wie viel Handlungsspielraum hat die Bundesregierung gegenüber China? Bis dahin surfen wir in Deutschland weiterhin im 4G-Netz. Dieses wurde übrigens zu weit über 50 Prozent von Huawei aufgebaut.


Quelle: n-tv.de


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