Vor Beginn des Nato-Gipfels in London hat Bundesaußenminister Heiko Maas zur Stärkung der Militärallianz aufgerufen. Deutschland wolle mit seinen Verbündeten fortschreiben, wofür die Nato stehe - "eine stabile, enge und durch Werte verbundene Allianz über den Atlantik hinweg", sagte Maas den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Dem diene sein Vorschlag für einen "Reflexionsprozess unter der Ägide des Generalsekretärs" des Bündnisses, Jens Stoltenberg.
Maas hatte vor zwei Wochen die Einberufung eines Expertengremiums zur Zukunft der Nato gefordert. Dies war eine Reaktion auf die scharfe Kritik von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron an der Nato. Macron hatte vom "Hirntod" des Bündnisses gesprochen und mehr europäische Eigenständigkeit gefordert. Der von Maas vorgeschlagene Reflexionsprozess soll auf dem Gipfel in London nun eingeleitet werden.
"Die Diskussionen der letzten Wochen zeigen mir, dass die Nato quicklebendig ist", sagte Maas. "Wir sind eine Allianz aus Demokratien, wir scheuen Debatten nicht. Inhaltliche Debatten können unser Bündnis stärker machen." Der Auftrag dafür ist allerdings sehr vage, wie aus dem Entwurf der "Londoner Erklärung" zum Gipfel hervorgeht. Ein Zeitrahmen wird nicht genannt.
"Eckpfeiler unserer Sicherheitsstruktur"
Annegret Kramp-Karrenbauer bezeichnete die Nato im n-tv Frühstart als "Eckpfeiler unserer Sicherheitsstruktur". Dies sei nach wie vor so und bleibe es auch für die Zukunft. Gleichwohl gebe es auch internen Diskussionsbedarf, etwa über die Rolle der Türkei in Syrien oder die "unterschiedliche Betrachtungsweise der Bedrohung durch Russland".
Sie forderte, dass Europa innerhalb der Nato einen "starken Arm" bilde. Denn "wir können uns nicht darauf verlassen, dass die Amerikaner in jedem Konflikt, der sehr viel mehr mit europäischen Interessen zu tun hat, immer auch uns vorangehen". Deswegen müsse man auch eigene Kräfte bilden, aber innerhalb einer transatlantischen Partnerschaft und "nie, um die Nato zu ersetzen".
Empfang bei Elizabeth II.
Die Staats- und Regierungschefs der Nato kommen ab heute zu einem Gipfel zum 70. Gründungsjubiläum der Militärallianz in London zusammen. Das Treffen beginnt am Abend mit einem Empfang bei der britischen Königin Elizabeth II.
Bei dem zweitägigen Gipfel geht es unter anderem um die Positionierung der Allianz gegenüber Russland und China, den Stand bei der Steigerung der Verteidigungsausgaben und die Erklärung des Weltraums zum militärischen Einsatzgebiet. Das Treffen wird von Macrons Kritik und vielen anderen ungelösten Problemen überschattet. Zu Syrien gibt es am Nachmittag bereits ein Vierer-Treffen mit Macron, Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem britischen Premierminister Boris Johnson und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.
US-Präsident Donald Trump traf mit der Präsidentenmaschine Air Force One bereits am Montagabend auf dem Londoner Flughafen Stansted ein. Trump und seine Frau Melania wurden unmittelbar nach der Ankunft zum Winfield House, der Residenz des US-Botschafters in der britischen Hauptstadt, gebracht.
Trump zufrieden, Macron frustriert
Auf seiner Reise hatte Trump die steigenden Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten begrüßt - und das als Erfolg seiner Politik dargestellt. Seit seinem Amtsantritt seien die Verteidigungsausgaben der Bündnismitglieder um 130 Milliarden Dollar angewachsen, schrieb der US-Präsident auf Twitter. Auch habe sich die Zahl der Nato-Staaten, die ihre finanziellen Zusagen einhielten, mehr als verdoppelt. Auch die Nato gab im Vorfeld eine Ausgabenerhöhung des Bündnisses bekannt. Demnach werden sich die Mehrausgaben der europäischen Nato-Staaten und Kanadas von Anfang 2016 bis Ende 2020 auf 130 Milliarden Dollar (118 Milliarden Euro) belaufen.
Der französische Präsident Macron hatte der Nato kürzlich den "Hirntod" bescheinigt und mehr europäische Eigenständigkeit bei der Verteidigung verlangt. Dabei verwies er auch auf die französischen Atomwaffen. Das rüttelt jedoch an den Grundfesten des transatlantischen Bündnisses, denn die USA sind mit ihrem Atomarsenal traditionell Schutzmacht für Deutschland und andere europäische Staaten. Kanzlerin Merkel und Außenminister Maas betonen einhellig, dass sich Europa ohne die USA nicht verteidigen könne.
Quelle: n-tv.de
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