Showdown auf der Ostsee

  12 Dezember 2019    Gelesen: 1011
Showdown auf der Ostsee

In letzter Minute wollen die USA mit Sanktionen die Fertigstellung der Gaspipeline Nord Stream 2 verhindern. Sie fürchten Europas Abhängigkeit von Russland. Für beide Seiten beginnt ein Rennen gegen die Zeit.

Die Videobotschaft des amerikanischen Senators Ted Cruz verbreitet höchste Alarmstimmung. "Die Zeit läuft uns davon", warnt eine ernste Stimme aus dem Off, während Reihen russischer Panzer durchs Bild rollen.

In Großaufnahme kommen die Schurken ins Bild, wie sie mit einem Handschlag ihr sinisteres Werk gegen die Vereinigten Staaten besiegeln: der russische Präsident Wladimir Putin - und Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Cruz, Republikaner und gescheiterter Präsidentschaftsanwärter, hat in den vergangenen Monaten einiges getan, um ein Ziel zu erreichen: Er will die Nord-Stream-2-Pipeline verhindern, die künftig russisches Erdgas direkt nach Deutschland liefern soll. Nun scheint er in letzter Minute Erfolg zu haben.

Am Mittwoch hat der US-Kongress ein Gesetz beschlossen, das Sanktionen gegen die Unternehmen vorsieht, die die betonummantelten Rohre in der Ostsee verlegen. Faktisch ist das derzeit nur eines: die Schweizer Allseas. Ihren Managern droht der Visa-Entzug und das Einfrieren von Vermögenswerten in den USA.

Spätestens in der kommenden Woche wird auch der Senat die Sanktionsbestimmungen verabschieden, die an den 738 Milliarden Dollar schweren Militärhaushalt gekoppelt wurden. Präsident Donald Trump hat bereits angekündigt, dass er das Gesetz unterzeichnen wird.

Für beide Seiten hat damit ein Rennen gegen die Zeit begonnen. Nicht einmal mehr 150 Kilometer trennen die Doppelstrang-Leitung von ihrem Zielpunkt in Lubmin bei Greifswald. Rund 1000 Kilometer Distanz sind bereits verlegt. Lässt sich Allseas, das mit der "Pioneering Spirit" das größte Verlegeschiff der Welt steuert, beeindrucken und stellt die Arbeit ein, dürfte es eng werden.

Man brauche noch etwa fünf Wochen, sagte ein Vertreter des russischen Nord-Stream-Gesellschafters Gazprom dem "Wall Street Journal". Doch selbst wenn Allseas abspringe, werde man das Projekt "auf die eine oder andere Weise" fertigstellen, beteuerte er. "Wenn die Sanktionen kommen, werden sie den Bau lediglich verlängern und verteuern. Aber sie werden ihn nicht killen." Wenn nötig, werde man eigene Schiffe einsetzen. Dass die Do-it-yourself-Methode eine realistische Option ist, bezweifeln Energieexperten allerdings. Das Gesetz räumt dem Außenministerium eine Frist von 60 Tagen ein, um eine Liste der Unternehmen zu erstellen. Diese hätten dann 30 Tage Zeit, um ihre Operationen abzuwickeln. Selbst wenn die Ministerialen in Washington Tempo machen, könnten die Allseas-Schiffe dann schon auf dem Weg in den Heimathafen und die Sanktionen im Wortsinne ein Schlag ins Wasser sein.

Vorläufig aber ist der Nervenkrieg in vollem Gange. Denn Cruz ist mit seinem Widerstand gegen die Pipeline nicht allein. Der Außenpolitische Ausschuss des Kongresses hat seinem Entwurf mit einer breiten überparteilichen Mehrheit zugestimmt.

Während Merkel argumentiert, dass Nord Stream zur Sicherung der Energieversorgung gebraucht werde, warnen die Amerikaner, dass sich Europa von Russland abhängig macht. Der Staatskonzern Gazprom werde Milliarden verdienen, "die dazu benutzt werden könnten, die russische Aggression anzuheizen", sagt Cruz in seinem Video.

Viele außenpolitische Experten fürchten, dass die Ukraine geschwächt und destabilisiert wird, weil Moskau den Nachbarn dank der neuen Pipeline nicht mehr als Transitland für seine Lieferungen brauche. Und natürlich geht es auch ums Geschäft: Die USA würden gerne selbst an Europas Energiehunger verdienen und Flüssiggas nach Deutschland exportieren.

Trumps Position zu dem Projekt ist nicht eindeutig

Einer allerdings schert aus der Hardliner-Fraktion immer wieder aus: Der US-Präsident, der bekanntermaßen ein Faible für den Amtskollegen Putin und wenig Sympathien für die Ukraine hegt. Zwar polterte Trump, dass sich Deutschland zur "Geisel Russlands" mache. Beim Treffen mit Merkel auf dem Nato-Gipfel vergangene Woche allerdings klang das viel weicher. Das Ganze sei "ein Problem, das Deutschland für sich selbst lösen wird müssen. Vielleicht wird es für Deutschland kein Problem sein. Ich hoffe, es ist keins", so Trump.

Tatsächlich hätte die US-Regierung, wenn sie gewollt hätte, schon längst gegen die Pipeline vorgehen können. Sie hätte einfach Sanktionen nach dem CAATSA-Gesetz von 2017 verhängen können, dem Countering America's Adversaries Through Sanctions Act. Darauf aber verzichtete die Administration. Trumps Parteifreund Cruz hat das durchaus bemerkt. Wenn die Pipeline fertiggestellt würde, "dann ist das die Schuld von Mitgliedern dieser Regierung, die auf ihren Hintern saßen und ihre Macht nicht ausgeübt haben", polterte der Senator jüngst. Gemeint war: Finanzminister Steven Mnuchin.

spiegel


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