Wie Will von der Leyen mit einer Frage quälte

  08 Februar 2016    Gelesen: 643
Wie Will von der Leyen mit einer Frage quälte
Eigentlich ging es im Polit-Talk am Sonntagabend um die Frage, ob "Merkel noch die Kurve kriegt". Der Punkt war schnell abgehakt. Egal. Zuschauen hat sich trotzdem gelohnt: Man durfte erleben, wie sich die Verteidigungsministerin wie ein Aal windet.
Fragt man einen Kritiker von Angela Merkel, ob die Kanzlerin aus ihrem Umfragetief herauskommen und im Amt bleiben wird, wird er wahrscheinlich das nahe Ende der Regierungschefin prognostizieren. Ist der dann auch noch so schräg drauf wie Beatrice von Storch, wird er gar das baldige Exil der Kanzlerin in Chile vorhersagen. Stellt man ein Mitglied aus Merkels Kabinett dieselbe Frage, wird die Einschätzung naturgemäß exakt gegenteilig ausfallen. Chile? Nie und nimmer! Die Wir-schaffen-das-Kanzlerin schafft das!

Man muss kein Prophet - oder Hellseherin wie Frau von Storch - sein, um zu erahnen, dass die Antworten sehr absehbar sein würden, widmete man eine Polit-Talkshow tatsächlich der Frage, ob Merkel vorzeitig abtritt. Noch dazu, wenn der Linken-Politiker Oskar Lafontaine (scharfer Merkel-Kritiker) und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (scharfe Merkel-Anhängerin) die Gäste wären, sekundiert von zwei "neutralen" Mitdiskutanten, nämlich dem "Stern"-Veteran Hans-Ulrich Jörges (kritischer Merkel-Anhänger) und dem Schriftsteller Peter Schneider (gemäßigter Merkel-Kritiker).

Anne Will riskierte es und stellte ihre Sendung am Sonntagabend unter den Titel "Merkel im Umfragetief - Kriegt sie noch die Kurve?" Gäste: siehe oben. Und in der Tat gab es in der ersten Viertelstunde der Sendung die erwartbaren Statements. Will wollte von der Verteidigungsministerin wissen, ob die Kanzlerin "die richtige Chefin dieser Regierung" sei? Von der Leyen: "Absolut. Wir brauchen sie."

Klatsche für von der Leyen

In seinem ersten Redebeitrag erklärte Jörges: "Ich glaube nicht, dass sie stürzt". Und er könne sich es auch nicht vorstellen, "dass sie gestürzt wird", auch wenn CSU-Granden wohl damit geliebäugelt hätten. Inzwischen "sieht es gar nicht schlecht aus", dass Merkel mit ihrem europäischen Ansatz in der Flüchtlingspolitik Erfolg haben könnte.

Hier hätte die Sendung zu Ende sein können. War sie aber nicht. Zum Glück. Es lohnte sich definitiv, vor dem Fernseher zu bleiben, was insbesondere an der Gastgeberin lag, die oft klug nachhakte. Beispiel: Jörges gab von der Leyen einen mit. Wenn, was - wie schon gesagt - unwahrscheinlich sei, Merkel doch den Abgang mache, wäre Wolfgang Schäuble der logische Nachfolger, verkündete er. Will fragte - begleitet von einem Schmunzeln der Ministerin - sofort nach: Nicht von der Leyen? Der "Stern"-Journalist, der schlecht rasiert war, konnte die Ministerin ein wenig beruhigen: Der Finanzminister wäre "eher ein Übergangskandidat".

Im Anschluss erläuterte Lafontaine, entscheidend für einen Rücktritt Merkels sei, welchen Ansatz sie habe, ob ihr der Machterhalt wichtiger sei als eigene Ideen und Grundsätze, sollte sie denn welche haben. Schneider, der sich als Gast der Sendung qualifiziert hatte, weil er "immer wieder zu tages- und gesellschaftspolitischen Themen Stellung" beziehe, spannte den Bogen noch weiter. Ein Kanzler, behauptete der Schriftsteller, trete nicht zurück, wenn "es gut für die Wähler ist", sondern "wenn die Partei es von ihm verlangt". Die CDU halte an Merkel fest. "Die wollen doch alle ihre Jobs behalten." Und - nächste Klatsche für von der Leyen - eine Personalalternative gebe es nicht. "Sie (Merkel) ist nun einmal eine große Frau in der CDU, völlig ohne Konkurrenz."

Wann hat Lafontaine das letzte Mal getankt?

Auf nochmalige Nachfrage Wills, was sie dazu sage, dass in der Runde maximal Schäuble eine Alternative zu Merkel gesehen werde, sang von der Leyen eine Lobeshymne auf die Kanzlerin. In Sachen "große Frau" könne sie nur zustimmen. Jedoch: "Sie ist auch eine große Frau in Europa. Sie hält den Laden zusammen" mit ihrer Politik, die nicht auf "billige Antworten" wie etwa eine Obergrenze für Flüchtlinge oder "Grenze dicht" setze. "Diese Weltkrise kann man nicht in kürzester Zeit lösen."

Lafontaine bescheinigte Merkel Erklärdefizite und verwies dabei auf Klagen aus der Bevölkerung, dass die Kanzlerin und ihre politischen Mitstreiter jahrelang betont hätten, es fehle an Geld für die Erhöhung der Renten und von Hartz IV sowie die Einstellung von Lehrern, nun aber Milliarden für Flüchtlinge zur Verfügung stünden. Stimmt, die Kanzlerin hat viel zu spät begonnen, die finanziellen Folgen ihrer Einwanderungspolitik zu erläutern.

Doch dann vergaloppierte Lafontaine sich mächtig, indem er von der deutschen Außenpolitik folgende Erklärung forderte: "Wir machen nicht jeden Rohstoffkrieg der Amerikaner mit." Wo, bitte, führen die USA gerade Krieg? Und gegen wen? Wann hat Lafontaine das letzte Mal getankt? Hat der Mann schon mal etwas von Fracking gehört? Von der Leyen fragte den Linken-Politiker, ob er es den Jesiden, "die vor dem IS ins Sindschar-Gebirge geflohen sind", ins Gesicht sagen würde, dass sie wegen eines angeblichen Rohstoffkrieges der USA abgeschlachtet würden? "Wie wollen Sie den IS eigentlich stoppen, wenn sie da nicht robuste Gegenmittel entgegensetzen?“

Keine Schlagzeile für Anne Will

Lafontaine erwiderte mit selbstgefälligem Grinsen: "Selbstverständlich würde ich das den Jesiden sagen." Immerhin stimmte die Ministerin der Aussage ihres Gegenübers zu, wonach mehr Geld in die Beseitigung der Fluchtursachen gesteckt werden müsse. Als er das hörte, entfuhr ihm der Satz: "Dann kann ich ja heute froh nach Hause gehen.“ Nach dem kurzweiligen Schulterschluss zwischen von der Leyen und Lafontaine nahm Will die Ministerin in die Mangel. Die Gastgeberin wollte wissen, was die Bundesregierung tun wird, wenn es nicht zu der von Merkel angestrebten europäischen Lösung der Flüchtlingskrise kommt. Grenzen dicht oder nicht?

Von der Leyen wand sich wie ein Aal, sprach davon, wie schlimm es sein werde, "wenn Schengen auseinanderbricht", dass "jede Reserve irgendwann erschöpft ist, jede Kraft irgendwann zu Ende ist, wenn man nicht zu Lösungen kommt". Deshalb sei der europäische Ansatz so wichtig: "Wir müssen klar sagen, was passiert, wenn das nicht klappt." Will forderte die Ministerin auf, "in einem Satz" zu sagen, was geschehe, "wenn das nicht klappt". Von der Leyen: "Dann sehen wir, was es bedeuten würde, wenn Europa nicht mehr hält." Schließt dann Deutschland seine Grenze? "Das ist nicht das Ziel." Aber was, wenn sich Europa nicht einige? "Das kann sich jeder ausmalen." Will: "Nein, ich will es von Ihnen hören." Macht die Bundesrepublik dann ihre Grenze dicht? Von der Leyen: "Ich weiß, dass Sie gerne diese Schlagzeile im Ticker hätten." Nun lachte Anne Will - und ließ es gut sein. Die Sendezeit war auch vorbei.


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