Top-Ökonom fürchtet Nullzinskrise

  15 Dezember 2019    Gelesen: 528
Top-Ökonom fürchtet Nullzinskrise

Otmar Issing sieht dunkle Wolken heraufziehen: Mit Blick auf die anhaltende Nullzinsphase und vereinzelt geltende Negativzinsen warnt der frühere EZB-Chefvolkswirt vor einer Finanzkatastrophe in bislang noch unvorstellbaren Ausmaßen.

Jahrelang hielt er für Europas Währungshüter die Entwicklungen im Inneren der Eurozone im Auge - jetzt spricht er eine alarmierende Diagnose aus: Der ehemalige Chefökonom der Europäischen Zentralbank (EZB), Otmar Issing, warnt vor einer Krise von "neuer Dimension".

"Das jahrelange Niedrigzinsumfeld und erst recht negative Zinsen verleiten fast zwangsläufig dazu, dass Investoren bei der Suche nach Rendite Risiken eingehen, die sie nicht voll überschauen und die sie auch nicht meistern können, wenn diese Risiken plötzlich eintreten", zitiert die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (FAS) den Experten.

"Das bedeutet: Die derzeitigen Kurse vieler Anlagen spiegeln nicht die Risiken wider, die dahinterstehen", fasste Issing die Lage zusammen. Mit einem Blick an die Börsen lässt sich nachvollziehen, welche Bewegungen den Experten beunruhigen. Am deutschen Aktienmarkt etwa hat der Leitindex Dax allein im laufenden Jahr einen Kursanstieg im zweistelligen Prozentbereich hingelegt.

Irrationale Übertreibungen?


Mit Stand Freitagabend liegt das prominenteste Frankfurter Börsenbarometer - gerechnet ab Jahresbeginn 2019 - volle 25,8 Prozent im Plus. Auf Fünfjahressicht hat sich der Dax sogar um rund 38 Prozent verbessert. Die Aufschläge an den US-Börsen fallen teils noch kräftiger aus.

Mit dem New Yorker Auswahlindex Nasdaq 100 etwa konnten Anleger, die vor einem Jahr einstiegen, einen Kursgewinn von rund 34 Prozent verbuchen. Bewegungen nach oben lassen sich auch an vielen anderen Anlageklassen erkennen. Selbst im Geschäft mit dem Edelmetall Gold deuten die Trendpfeile durch die Bank nach oben.

Issings Worte dürften unter Investoren unangenehme Erinnerungen wachrufen: Sie liegen auffallend nah an jener berühmten Warnung vor der "irrationalen Übertreibung" ("Irrational Exuberance"), mit denen der frühere Top-Währungshüter Alan Greenspan in seiner Zeit als US-Notenbankchef auf die Gefahr einer Blasenbildung an den Märkten hinweisen wollte.

Gravierende Nebenwirkungen


Die Auslöser für den aktuell anhaltenden starken Auftrieb an den Börsen liegen für den erfahrenen Volkswirt Issing auf der Hand: Die Zentralbanken, allen voran die EZB, hätten sich mit ihrer Krisenpolitik ab 2009 auf einen "gefährlichen Weg" begeben, sagte Issing der "FAS". Man nähere sich einer Situation, in der die negativen Nebenwirkungen der Geldpolitik die positiven Effekte überwögen.

"Die Folgen der Niedrigzinsen spüren Banken, Versicherer und Pensionsfonds – also der gesamte Finanzsektor", warnte Issing. "Die ursprüngliche Absicht, die Banken durch Negativzinsen zur stärkeren Vergabe von Krediten zu animieren und so die Wirtschaft anzukurbeln, verkehrt sich also mit fortschreitender Zeit in ihr Gegenteil. Viele junge Leute sorgen sich zu Recht, ob sie in der Lage sein werden, unter diesen Umständen noch hinreichend fürs Alter vorzusorgen."


Quelle: n-tv.de


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