Donald Trump hatte eine "sehr große Ankündigung" zu machen. Im Oval Office, dem Arbeitszimmer amerikanischer Präsidenten, gab er bekannt, dass der "hoch angesehene" Kongressabgeordnete Jeff Van Drew die Demokraten verlassen und sich der republikanischen Partei anschließen werde.
Das hatte sich bereits angedeutet. Doch offiziell machte Van Drew es erst am Tag nach der Impeachment-Abstimmung im Repräsentantenhaus. Besser gesagt: Er überließ das dem Präsidenten selbst.
Hinter dem gemeinsamen Auftritt stand auf beiden Seiten Kalkül. Trumps öffentlichkeitswirksame Unterstützung soll Van Drew helfen, dessen Wahlbezirk im Süden des Bundesstaats New Jersey zu halten. Dem Präsidenten kommt der Wechsel angesichts des anstehenden Amtsenthebungsverfahrens zugute.
Im Kongress selbst wird der Wechsel dem Präsidenten zwar nicht mehr nützen. Als einer von vier Demokraten stimmte Van Drew im Repräsentantenhaus gegen ein Amtsenthebungsverfahren. Nun liegt der Fall beim Senat, dort hat Van Drew keine Stimme.
Der Übertritt kommt Trump und seinen Verbündeten aber auf andere Weise zugute: als PR-Coup. Im Senat müssten sich mindestens zwanzig Republikaner auf die Seite der Demokraten schlagen, um die Zweidrittelmehrheit zu erreichen, die für Trumps Amtsenthebung erforderlich ist. Das ist so gut wie ausgeschlossen.
Van Drews Wechsel ermöglicht es den Republikanern nun, in die Offensive zu gehen. Seht her, lautet die Botschaft, ihr könnt uns nicht nur keine Senatoren abjagen; eure Leute aus dem Repräsentantenhaus wechseln auch noch zu uns.
Er könne sich nicht daran erinnern, wann jemand zuletzt eine Mehrheitspartei verlassen habe, um sich der Minderheit anzuschließen, spottete Kevin McCarthy, der republikanische Minderheitsführer im Repräsentantenhaus. Und Andrew Clark, ein Sprecher in Trumps Wahlkampfteam, ätzte auf Twitter: "Das Impeachment der Demokraten ist so überzeugend, dass ein Demokrat tatsächlich die Partei gewechselt hat."
Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lagerbildung in den USA ist Van Drews Wechsel bemerkenswert, Republikaner und Demokraten stehen sich unversöhnlich gegenüber. Manche von Van Drews einstigen Parteifreunden im Kongress wüteten, die Rede war von Verrat. Fünf seiner Mitarbeiter kündigten.
Im Sommer hatte zwar auch der Abgeordnete und vehemente Trump-Kritiker Justin Amash seinen Austritt aus der republikanischen Partei verkündet. Anders als Van Drew wechselte er aber nicht das Lager, sondern sitzt nun als unabhängiger Abgeordneter im Repräsentantenhaus.
Van Drew kämpft ums politische Überleben
Van Drew hatte sich laut "New York Times" für seinen Wechsel die Unterstützung einflussreicher Republikaner gesichert: Bei einem Treffen im Weißen Haus mit Trump und dessen Beraterin Kellyanne Conway habe er dem Präsidenten vor einer Woche das Versprechen abgerungen, ihn öffentlich zu unterstützen. Auch der Ex-Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, der nach wie vor über exzellente Kontakte im Bundesstaat verfügt, sei im Boot.
Er glaube, die Republikaner passten einfach besser zu ihm, begründete Van Drew seine Entscheidung. Schon bevor er in den Kongress gewählt wurde, hatte er als Parlamentarier auf Bundesstaatsebene konservative Positionen vertreten, etwa zum Waffenrecht oder der gleichgeschlechtlichen Ehe.
Der Wechsel dürfte aber in erster Linie Van Drews politischem Selbsterhalt dienen. Sein ländlich und kleinstädtisch geprägter Wahlbezirk im Süden New Jerseys gilt als konservativ. Bei der Präsidentschaftswahl 2016 gewann Trump ihn mit knapp fünf Prozentpunkten Vorsprung. Bevor Van Drew sich hier im vergangenen November durchsetzte, war der Wahlkreis 24 Jahre lang in den Händen der Republikaner gewesen.
Unmittelbarer Anlass für Van Drews Wechsel war womöglich eine Umfrage unter Demokraten in seinem Wahlkreis. Sieben von zehn Befragten gaben an, dass der Abgeordnete in ihrer Gunst sinken würde, sollte er gegen ein Impeachment Trumps stimmen.
Nun wettert Van Drew gegen seine alte Partei, warnt vor Sozialismus und dem "Green New Deal", einer umweltpolitischen Initiative der Parteilinken. Ob das sein politisches Überleben sichern wird, ist offen. Bei den Republikanern vor Ort, das zeigt sich schon jetzt, wird der Empfang nicht so warm sein. Mehrere republikanische Kandidaten haben angekündigt, sich weiter um die Nominierung der Partei für die nächste Kongresswahl zu bemühen.
"Er versucht verzweifelt, sich zu retten", sagte Bob Patterson, einer der Bewerber, dem "Philadelphia Inquirer" über Van Drew. "Er weiß, dass das ein Trump-Wahlkreis ist. Er weiß, dass er verlieren würde. Er hat aus einem ganz spezifischen Kalkül gehandelt."
In der Zwischenzeit profitiert vor allem einer: Präsident Trump. Van Drews Wechsel hilft ihm bei seinem Unterfangen, den Versuch der Demokraten, ihn aus dem Amt zu entfernen, als "politische Hexenjagd" zu diskreditieren.
spiegel
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