„Die Nato ist ein Verteidigungsbündnis und zwar das wichtigste der Welt“, antwortete Stoiber auf die Frage zur großangelegten Nato-Militärübung, die in der kommenden Woche mit ersten Transporten nach Osteuropa startet. Zwar gebe es politische und kulturelle Unterschiede zwischen den Mitgliedern wie etwa Deutschland und der Türkei oder Frankreich und der Türkei. Die osteuropäischen Länder seien „noch nicht so lange bei der Nato und haben die eine oder die andere Sorge“, so Stoiber.
Das Entscheidende ist: „Bei allen Differenzen haben sich die Mitgliedsländer zu einem gemeinsamen, angemessenen Beitrag zum Bündnis verpflichtet.“ Es sei intakt und die Beistandsverpflichtung gelte trotz mancher Kritik des US-Präsidenten Donald Trump uneingeschränkt.
Im Rahmen der Großübung sollen rund 20.000 Soldaten von den USA quer durch das deutsche Brandenburg nach Osteuropa verlegt werden. Darüber hinaus sind mehrere weitere Übungen in Deutschland, Polen, Georgien und dem Baltikum mit insgesamt 37.000 Soldaten geplant. Trotz aller Kritik von der russischen Seite sieht Stoiber dies „nicht konfliktträchtig“. „Damit wird deutlich gemacht, jedes Mitglied hat den Schutz durch den anderen, wenn es angegriffen wird“, so der CSU-Veteran. Mit dem Manöver mache das Verteidigungsbündnis dies deutlich gegenüber der Welt.
„Putin nicht nur das Problem, sondern auch Teil der Lösung“
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) ist diejenige, die sich von Anfang an zum Zwei-Prozent-Ziel der Nato bekannt hat. „Fakt ist, dass <...> die russische Regierung vieles daransetzt, die Länder in der EU und die unmittelbaren Nachbarn zu schwächen, zu destabilisieren“, hatte AKK einmal in einem ZDF-Interview gesagt. Ob derartige Äußerungen von ihr nicht zeigen, dass ihr das Verständnis für die Notwendigkeit guter deutsch-russischer Beziehungen fehlt?
Zu AKK will sich der CSU-Politiker nicht äußern, sondern betont stattdessen:
„Bei allen Meinungsverschiedenheiten mit dem Nachbarn Russland geht es im Nahen Osten, in Syrien oder in Libyen um den Frieden. Solange da der Krieg herrscht und Waffen geliefert werden, ist Putin hier nicht nur das Problem, sondern auch Teil der Lösung“.
„Europa ist keine militärische Macht, sondern eine politische und ökonomische Macht, und wir müssen unsere politischen Fähigkeiten als Europäer in den Befriedungsprozess in Libyen einbringen.“
„Wollen wir Russland wirklich weiterhin in die chinesischen Arme treiben, oder kann es nicht langfristig ein strategischer Partner auch für Europa, für ein starkes Europa mit einer gemeinsamen Außenpolitik sein?“, fragte Stoiber kürzlich in einer Sendung der ZDF-Moderatorin Maybrit Illner. Ob Weitsichtigkeit etwas ist, was der deutschen Politik in der Russland-Frage generell fehlt?
„Es gibt eine intensive deutsche Debatte, aber mich bewegt gegenwärtig noch etwas anderes“, antwortet Stoiber. Was Europa nach Jahren einer starken Integration im ökonomischen Bereich braucht, sind laut Stoiber mehr gemeinsame Positionen in der Außen- und der Verteidigungspolitik.
„Wir haben in Europa Schwierigkeiten mit dem Einstimmigkeitsprinzip, hier müssen wir uns dazu durchringen, dass wir auch Mehrheitsentscheidungen akzeptieren“, betont der 78-Jährige.
Er sei fest davon überzeugt, dass man zur Mitte des Jahrzehnts damit ein Stück weiter sei, wobei deutsche Interessen in europäische eingebunden würden. Den Ansatz des französischen Staatschefs Emmanuel Macron, ob wir nicht eine neue strategische Partnerschaft mit Russland bräuchten, findet Stoiber dabei „interessant“.
„Markus Söder wird diese Politik seiner Vorgänger fortsetzen“
Der aktuelle bayerische Ministerpräsident, Markus Söder, wird in Deutschland als möglicher Kanzlerkandidat gehandelt. Inwiefern hat er das Potenzial, eine pragmatische Politik gegenüber Russland zu entwickeln?
„Wir haben seit Ministerpräsident Franz Josef Strauß und seinem historischen Besuch bei Michail Gorbatschow 1987 das langfristige Bewusstsein entwickelt, dass wir zu unserem Nachbarn Russland Gespräche und Kontakte pflegen. Man kann sich die Nachbarn nicht aussuchen und wir haben Russland als Nachbarn mit einer sehr intensiven und schwierigen Geschichte vor allem im 20. Jahrhundert.“ Bayern habe auch eine formelle Partnerschaft mit der Region Moskau in den 90er Jahren aufgebaut. „Ich würde sich freuen, wenn es da weitere Entwicklungen geben würde“, sagt Stoiber abschließend.
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