Dieser Erreger ist tödlicher als Coronavirus

  29 Januar 2020    Gelesen: 1065
Dieser Erreger ist tödlicher als Coronavirus

Das Coronavirus ist in Deutschland angekommen - ein Infizierter in Bayern liegt im Krankenhaus. Gleichzeitig kostet ein anderer gefährlicher Erreger hierzulande bereits viele Menschen das Leben. Und es sind noch viele weitere Tote zu befürchten.

Der neuartige Coronavirus, der bereits in China für Ausnahmezustände sorgt, ist nun auch in Deutschland aufgetaucht. Die Aufmerksamkeit ist gewaltig. Gesundheitsminister Jens Spahn hat eigens eine Pressekonferenz einberufen, um die Öffentlichkeit zu beruhigen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) betont jedoch weiterhin, dass die Gefahr für die Gesundheit der Menschen in Deutschland gering ist.

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Währenddessen grassiert ein anderes tödliches Virus bereits seit Wochen in Deutschland - das RKI meldete vor einigen Tagen bereits 32 Todesfälle. Rund 3500 Menschen wurden bereits im Krankenhaus behandelt. Seit Oktober 2019 gibt es mehr als 13.000 Infizierte. Der gefährliche Erreger: Influenzaviren. Sie können die Grippe auslösen, eine akute Erkrankung der Atemwege. Fast jeder war schon einmal davon betroffen.

Im Vergleich zu den Coronaviren, die derzeit die Schlagzeilen dominieren, führen die Grippeviren ihren tödlichen Feldzug gegen die Menschen in Deutschland weitgehend im Stillen. Keine Pressekonferenzen werden eilig einberufen. Keine Live-Schalten vor Krankenhäuser, in denen Grippe-Patienten um ihre Leben kämpfen. Die Gefahr durch Grippeviren scheint zur Gewohnheit geworden zu sein.

Eine der größten Seuchen der Geschichte

Dabei zählen Grippeviren zu den gefährlichsten Erregern überhaupt. So kostete die als "Spanische Grippe" bekannte Pandemie in den Jahren 1917 und 1918 schätzungsweise 50 Millionen Menschen weltweit das Leben. Das waren zur damaligen Zeit drei Prozent der Weltbevölkerung - auf heute bezogen wären das mehr als 200 Millionen Menschen. Es war damit eine der tödlichsten Pandemien in der Menschheitsgeschichte.

Und Grippeviren sind alles andere als besiegt - im Gegenteil: jedes Jahr rollt eine neue Grippewelle über Deutschland hinweg. Pro Saison erkranken nach Angaben des RKI 2 bis 14 Millionen Menschen hierzulande an der Grippe. Bei insgesamt 80 Millionen Einwohnern. Zwar existieren Medikamente, sogenannte antivirale Arzneien, und Impfstoffe gegen die Erreger. Da Influenzaviren aber sehr wandlungsfähig sind, müssen die Impfstoffe jedes Jahr angepasst werden. Es ist ein regelrechtes Katz-und-Maus-Spiel zwischen Mensch und Virus.

Und die Grippe ist sehr ansteckend - die Viren können praktisch fliegen, zumindest über kurze Distanzen. Wenn kleine, virushaltige Tröpfchen durch Niesen, Husten oder Sprechen eines infizierten Menschen in die Luft gelangen, können sie von anderen Menschen in der Nähe eingeatmet werden. Wie die Übertragung beim Coronavirus abläuft, ist bisher noch nicht bekannt. Eine reine Übertragung über die Luft ist bisher jedoch nicht nachgewiesen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Erreger vor allem per Kontakt- oder Tröpfcheninfektion weitergegeben werden.

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Besonders gefährlich sind Influenzaviren für ältere Menschen, chronisch Kranke und Schwangere. Die schlimmste Grippewelle in Deutschland der vergangenen Jahre gab es 2017/18 mit geschätzt 25.100 Todesfällen. Selbst bei weniger tödlichen Wellen sind es hierzulande mehrere 100 Todesfälle pro Jahr. Die Zahl der weltweiten Todesfälle durch Grippeviren ist noch wesentlich höher: Die WHO beruft sich auf Schätzungen, laut denen pro Jahr 3 bis 5 Millionen Menschen schwer an einer Grippe erkranken, 290.000 bis 650.000 Betroffene sterben an den Folgen.

Dazu kommen noch die seltenen Grippe-Pandemien einzelner Arten: Die besondere Gefährlichkeit von Influenzaviren besteht darin, dass manche Untergruppen ihr Erbgut untereinander austauschen können, woraus völlig neue gefährliche Viren entstehen können. Diese können mitunter Pandemien auslösen, wie etwa die Asiatische Grippe 1957, die Hongkong-Grippe 1968 und die Schweinegrippe 2009. Allein Letztere hatte mehr als 200.000 Tote zur Folge.

Der weltweiten Sars-Pandemie 2002/2003 fielen weltweit hingegen knapp 800 Menschen zum Opfer, bei rund 8000 Infizierten. Durch das 2012 erstmals im Mittleren Osten aufgetretene Mers-Virus - das wie der Sars-Erreger ebenfalls zu den Coronaviren zählt - starben von rund 2500 Infizierten knapp 858. Im Zusammenhang mit der jüngsten Epidemie des Coronavirus 2019-nCoV sind bisher mehr als 100 Todesfälle bekannt, 4500 Menschen sind als infiziert bestätigt.

Coronavirus-Angst übertrieben?

Das zeigt: Im Vergleich zu Grippeviren scheinen die bisherigen Coronaviren-Pandemien vergleichsweise glimpflich abzulaufen. Ist die Furcht vor diesen Viren also übertrieben? Zur "Einordnung" betonte Gesundheitsminister Spahn, dass der Krankheitsverlauf beim Coronavirus milder sei als etwa bei einer Grippe. "An einer Grippe, wenn sie schwer verläuft, sterben in Deutschland bis zu 20.000 Menschen im Jahr."

Das Risiko einer Ausbreitung erhöht sich auch dadurch, dass das Virus chinesischen Behördenangaben zufolge schon während seiner bis zu zwei Wochen dauernden Inkubationszeit übertragen werden kann - also noch bevor ein Infizierter Symptome aufweist.

Mutation könnte Gefährlichkeit erhöhen

Experten und Behörden warnen überdies, dass Coronaviren wie 2019-nCoV - wie die Grippe - ebenfalls leicht mutieren und so womöglich noch leichter übertragen werden oder noch aggressiver wirken könnten. Die US-Behörde für Seuchenkontrolle (CDC) teilte am Montag allerdings nach einem Vergleich der Gensequenz der ersten 2019-nCoV-Proben mit neueren Fällen mit, dass das Virus bislang offenbar nicht mutiert sei.

In jedem Fall stuft die WHO die weltweite Gefährdung durch das Virus als "hoch" ein. In einer Analyse für die "International Society for Infectious Diseases" prognostizieren nordamerikanische Forscher, 2019-nCoV werde im besten Fall im Sommer eingedämmt. In diesem Fall dürften noch Zehntausende weiterer Menschen erkranken.

ntv


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