Auf der Schlussgeraden versagt? Merkel verspielt ihr wirtschaftliches Erbe

  04 Februar 2020    Gelesen: 680
Auf der Schlussgeraden versagt? Merkel verspielt ihr wirtschaftliches Erbe

Keine Staatschefin eines G7-Landes ist so lange an der Macht wie Angela Merkel, keine ist wirtschaftlich so erfolgreich. Doch auf der Zielgeraden ihrer Kanzlerschaft droht Merkel überholt zu werden – wenn sie nicht endlich mit Reformen gegensteuert.

Vergangenes Jahr war es knapp: Um 0,08 Prozentpunkte wuchs das deutsche Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal gegenüber den drei Monaten davor. Hätte ein Minus davorgestanden, wäre es nach den -0,24 Prozenten aus dem Vorquartal die erste Rezession in Deutschland seit sechs Jahren gewesen. So blieben die Hiobsbotschaften aus.

Nicht aber die wirtschaftlichen Probleme im Land: Lange Jahre war niemand auf dem Kontinent so erfolgreich wie Deutschland. Kein G7-Staat ist seit Merkels Amtsantritt 2005 wirtschaftlich so stark gewachsen wie Deutschland (siehe Grafik). Doch anderthalb Jahre, bevor die Kanzlerin abtritt, bröckelt die Siegesgeschichte.

Deutschland zu stark auf den Export fokussiert

Im dritten Quartal 2019 wuchs nur die italienische Wirtschaft noch langsamer. Alle anderen Länder sind an Deutschland vorbeigezogen. Die USA führten das G7-Ranking mit einem Zuwachs von 0,52 Prozent vor Japan (0,45 Prozent) und Großbritannien (0,42 Prozent) an. Innerhalb der EU ist auch Frankreich mittlerweile deutlich stärker.

Was bis vor wenigen Jahren die deutschen Stärken waren, wird jetzt zu unseren Schwächen. Da wäre zum einen die starke Konzentration der Wirtschaft auf den Export. 2019 wurde Deutschland nach Daten des ifo-Institutes zum vierten Mal in Folge Exportweltmeister. In keinem Land liegt der Saldo zwischen Ausfuhreinnahmen und Importausgaben höher als in Deutschland.

Doch der Welthandel schwächelt. Da wäre erstens der nun schon zwei Jahre andauernde Handelskrieg zwischen den USA und China, die Strafzölle von Donald Trump auf Güter wie Stahl und Aluminium auch aus Europa, seine Drohungen, Autos mit Strafzöllen zu belegen und der nun schlussendlich vollzogene Brexit.

Im Fahrwasser dieser Probleme leiden auch viele kleinere Länder. Weil etwa China weniger in die USA exportieren kann, produziert das Land weniger, braucht also auch weniger Rohstoffe aus Drittländern. Denen fehlt dann wiederum das Geld und/oder die Notwendigkeit, zum Beispiel Maschinen in Deutschland einzukaufen.

Autobauer stecken in der Krise

Die zweite Stärke Deutschlands war bisher immer die Fokussierung auf die Autoindustrie. Mit Volkswagen besitzen wir immer noch den größten Autokonzern der Welt nach verkauften Autos. Dazu kommen mit BMW und Daimler zwei weitere Riesen. An diesem Trio hängt eine riesige Zuliefererindustrie vom Dax-Konzern Continental bis zu kleineren Firmen wie Leoni oder Hella.

Doch diese riesige und fürs BIP wichtige Industrie steckt in der Krise. Erst schwächte sie sich mit Abgasschummeleien selbst, dann kamen Dieselverbote, schlussendlich aber wurde der Wandel vom Verbrennungsmotor hin zu alternativen Antrieben vom Elektroauto bis zur Brennstoffzelle in anderen Ländern schneller und besser vollzogen als in Deutschland.

Die Politik rund um Merkel hat diese beiden Konzentrationen jahrelang unterstützt und gefördert. Und sie versucht auch jetzt noch, dieselben Mechanismen anzuwenden wie 2009. Damals in der Finanzkrise war es die berühmte Abwrackprämie, die den Autobauern helfen sollte. Heute gibt es eine Umweltprämie, wenn Kunden Elektroautos kaufen, um den Absatz zu steigern.

Merkel sucht neue Absatzmärkte in Afrika

Die Kanzlerin selbst versucht vor allem, neue Absatzmärkte für die deutsche Industrie zu erschließen. Sie schielt dabei vor allem nach Afrika. Dort haben sich in den vergangenen Jahren vor allem chinesische Firmen breit gemacht, doch der Kontinent bietet noch ein enormes Potenzial. Gerade erst haben sich die 54 Staaten der Afrikanischen Union zu einer Freihandelszone nach EU-Vorbild zusammengetan. Die Bevölkerung ist jung und arbeitswillig.

Doch bisherige Kooperation laufen schleppend. Die von Merkel ins Leben gerufene Initiative „Compact with Africa“, die Investitionen deutscher Unternehmen fördern soll, verläuft bisher größtenteils im Sande. Das liegt auch daran, dass sich die für deutsche Firmen attraktivsten afrikanischen Länder, zum Beispiel Nigeria, nicht daran beteiligen. Andere Länder wie Benin oder Togo sind zu klein, um dort lohnend zu investieren.

Stockender 5G-Ausbau belastet Wirtschaft

Im Inland scheitert der Wirtschaftsfortschritt derzeit vor allem an der mangelnden Digitalisierung im Land. Mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G gäbe es eine neue Chance, dort anzugreifen. Erforderlich dafür wäre ein rascher Ausbau der Technik. Doch gerade dabei werfen andere Länder der Kanzlerin Knüppel zwischen die Beine. Besonders die Diskussion um den chinesischen Ausrüster Huawei ist problematisch. Klar will auch Merkel keine chinesische Spionage in deutschen Mobilfunknetzen, allerdings gibt es dafür bisher weiterhin keine Beweise.

Und während andere Länder Huawei aussperren, betonte Merkel zuletzt, dies nicht tun zu wollen. Doch allein die Diskussion behindert den Ausbau. Die deutschen Provider Telekom und Vodafone beschwerten sich zuletzt, das würde Jahre und Milliarden von Euros kosten.

So scheint sich im letzten vollen Jahr der Kanzlerin wenig Großartiges an der Wirtschaftsfront zu tun. 2021 bleibt Merkel nur noch bis zur Sommerpause Zeit für Reformen. Dann beginnt der Wahlkampf und selbst, wenn die CDU siegreich sein wird, wird ein anderer dann für Deutschlands Wirtschaft verantwortlich sein. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer will zum Jahresende schon eine Art Schattenkabinett vorstellen, doch mutmaßlich dürfte auch Friedrich Merz seinen Hut in den Ring werfen.

Bei ihm wäre klar, wohin der Weg ginge. Merz gilt als großer Wirtschaftsfreund. Niedrige Steuern für Unternehmen und weniger Sozialleistungen wären dann wohl angesagt.

Focus.de


Tags:


Newsticker