Trumps Freitagabend-Massaker

  10 Februar 2020    Gelesen: 747
  Trumps Freitagabend-Massaker

Nach Trumps Freispruch im Impeachment-Prozess rollen in Washington die Köpfe. Wer gegen ihn ausgesagt hat, muss gehen. Die Entlassungen könnten der Anfang einer größeren Aktion sein.

Die Nachricht, dass der amerikanische Präsident den Ukraine-Fachmann im Nationalen Sicherheitsrat entlassen hatte und den im Irak-Krieg für seine Tapferkeit ausgezeichneten Oberstleutnant des Heeres von Sicherheitsbeamten aus dem Weißen Haus führen ließ, war erst wenige Stunden alt. Da versammelten sich in Manchester in New Hampshire die demokratischen Präsidentschaftsbewerber zur Fernsehdebatte.

In deren Mitte stand Joe Biden, also jener Mann, den Donald Trump in der Ukraine-Affäre im Visier hatte. Der frühere Vizepräsident ergriff das Wort: „Steht auf und klatscht für Vindman.“ Man möge zeigen, dass Amerika anders sei als Trump, sagte er. Alexander Vindman habe einen Orden verdient. Im Publikum erhoben sich die Leute und applaudierten.

Erst der Anfang?

Vindmans Anwalt hatte zuvor mitgeteilt, dass neben seinem Mandanten auch dessen Zwillingsbruder Jewgenij entlassen worden sei, der in einer anderen Abteilung des Nationalen Sicherheitsrats gearbeitet hatte. Ebenfalls am Freitag wurde Gordon Sondland, der amerikanische Botschafter in Brüssel, vom State Department unterrichtet, dass er mit sofortiger Wirkung von seinem Posten abgezogen werde.

Die Entlassungen sind mutmaßlich erst der Anfang einer größeren Aktion Trumps. Wer den Präsidenten während der Ermittlungen des Kongresses belastet hat, muss gehen. In Washington ist von einem „Freitagabend-Massaker“ die Rede – in Anlehnung an Richard Nixons „Saturday night massacre“ in der Watergate-Affäre.

Der Anschein einer Umstrukturierung

Stephanie Grisham, die Sprecherin des Weißen Hauses, hatte nach dem Freispruch Trumps im Impeachment-Prozess angekündigt, dass einige Leute für das zahlen müssten, was sie getan hätten. Als der Präsident dann am Donnerstag seine Unterstützer um sich versammelte, darunter viele Kongressmitglieder, wurde eigentlich damit gerechnet, dass er eine Art Racheaktion verkündet. Er beließ es aber bei düsteren Andeutungen: Man müsse sicherstellen, dass so etwas nie wieder passieren könnte, sagte er.

Als die Entlassung Vindmans tags darauf bekanntwurde, versuchte das Weiße Haus dies zunächst als Teil einer Umstrukturierung darzustellen, die Robert O’Brien, der Nachfolger John Boltons, unmittelbar nach seiner Berufung zum Nationalen Sicherheitsberater im September vergangenen Jahres angekündigt hatte: Der Apparat sei aufgebläht und gehöre verkleinert. In der vergangenen Woche fügte er hinzu, dass es auch darum gehe, Mitarbeiter um sich zu versammeln, die Trumps Linie folgten: Die Leute im Nationalen Sicherheitsrat sollten Trump dienen wollen.

„Sehr ungehorsam“

Der Präsident selbst gab sich keine Mühe, seine Motive zu verbergen: Vindman sei sehr „ungehorsam“ gewesen, schrieb er auf Twitter. Er habe den Inhalt seiner „perfekten“ Telefonanrufe mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj falsch wiedergegeben: „Mit anderen Worten: ,Raus‘.“


Vindman hatte frühzeitig mitbekommen, dass Rudy Giuliani, der persönliche Anwalt des Präsidenten, eine Art Schattendiplomatie in der Ukraine betrieb, um von den Behörden in Kiew unter anderem belastendes Material über Biden zu erhalten. Im Sommer vergangenen Jahres gehörte er dann zu jenen Mitarbeitern des Weißen Hauses, die im Lagezentrum den Anruf des Präsidenten mitverfolgten – ein Umstand, der Trump belastete, da das Weiße Haus bis dahin stets behauptet hatte, der Vorwurf, der Präsident habe Ermittlungen gegen seinen möglichen Herausforderer im Herbst dieses Jahres durch die Zurückhaltung der Militärhilfe für Kiew erpressen wollen, beruhe auf bloßem Hörensagen.

Das demokratisch kontrollierte Repräsentantenhaus, das im September Vorermittlungen gegen Trump aufgenommen hatte, lud Vindman unter Strafandrohung vor. Dieser verzichtete auf rechtliche Schritte und sagte im Oktober aus: Er sei besorgt gewesen über den Anruf. Er habe es für „unangemessen“ gehalten, von einer ausländischen Regierung Ermittlungen gegen einen Amerikaner zu verlangen. Der Schritt habe die parteiübergreifende Unterstützung in Washington für die Ukraine gefährdet und die nationale Sicherheit untergraben, sagte Vindman. Sondland wiederum hatte ausgesagt, er sei davon ausgegangen, dass Trump die Auszahlung der Militärhilfe direkt von Ermittlungen gegen Biden abhängig mache.

Weitere Konsequenzen könnten folgen

Sondland, ein Unternehmer, der den Posten in Brüssel seiner Unterstützung für Trump verdankte, soll vor seiner Entlassung selbst erwogen haben, seinen Rücktritt einzureichen. Einige Senatoren hatten sich daher, wie jetzt in Washington berichtet wird, ans Weiße Haus gewandt und darauf verwiesen, eine Entlassung sei unnötig, Sondland werde von sich aus gehen. Man möge doch berücksichtigen, wie ein Rauswurf in der Öffentlichkeit wirke.

Als Sondland am Freitag vom Außenministerium mitgeteilt wurde, er möge seinen Rücktritt einreichen, soll dieser sich geweigert haben, da er nicht im Zuge einer solchen Welle habe gehen wollen. Wenn, dann müsse man ihn entlassen. Das tat der Präsident daraufhin. Im State Department werden nun weitere personelle Konsequenzen nicht ausgeschlossen.

Mehrere Diplomaten sowohl aus der Botschaft in Kiew als auch aus der Zentrale in Foggy Bottom hatten im Kongress ausgesagt. Von Außenminister Mike Pompeo dürften sie keine Unterstützung erwarten können. Zu den Senatoren, die den Präsidenten vor der Racheaktion warnten, soll die Republikanerin Susan Collins gehört haben, die ihr Votum für den Freispruch damit begründet hatte, dass Trump seine Lektion gelernt habe. Inzwischen sagt sie, damit habe sie nur gemeint, dass Trump nunmehr wisse, dass er nicht um ausländische Hilfe bitten dürfe, um einem politischen Rivalen zu schaden.

Steve Bannon, der frühere Präsidentenberater, der Trump während des Amtsenthebungsverfahrens in seinem Podcast mit dem Namen „War Room“ verteidigte, äußerte, bei den Entlassungen gehe es nicht um Trump, sondern um das Amt des Präsidenten. Wenn Bernie Sanders ins Weiße Haus einziehen sollte, werde der „neoliberale und neokonservative Sicherheitsapparat“ nicht dasitzen und ihn Entscheidungen treffen lassen, die diesem als Oberbefehlshaber zustünden. Diese Leute würden ihn in jeder Phase bekämpfen.

faz.net


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