Nur die Menschen in Stalingrad und Leningrad durchleiden im Zweiten Weltkrieg eine längere Belagerung: Als die Sowjetsoldaten am 13. Februar 1945 mit einem Ehrensalut die Einnahme Budapests besiegeln, hatten sich die deutschen Herren über die Stadt und ihre ungarischen Vasallen mehr als 100 Tage dem Unvermeidlichen widersetzt.
Josef Stalin im fernen Moskau hatte sich das ganz anders vorgestellt. Am 29. Oktober 1944 befiehlt er Marschall Rodion J. Malinowski, der 70 Kilometer südöstlich von Budapest operiert, unverzüglich mit dem Sturm auf die ungarische Hauptstadt zu beginnen. Als Malinowski einwendet, dafür nicht über genügend Kräfte zu verfügen, schnauzt ihn Stalin an: "Verstehen Sie nicht? Die Besetzung Budapests ist in erster Linie eine politische Frage!" Und nicht zuletzt eine militärisch-strategische. Die Alliierten erwägen eine Landung auf dem Balkan. Der Wettlauf um Wien hat begonnen. Für die sowjetischen Truppen führt er über Budapest.
Auch den Deutschen ist Budapest wichtig. Italien, Bulgarien, Rumänien sind abgefallen, Ungarn bleibt der einzige Verbündete in der Region. Zudem sind die Deutschen auf die Ölfelder des Landes angewiesen. Der Reichsverweser Miklos Horthy, ein ehemaliger Konteradmiral der österreichisch-ungarischen Monarchie, wollte an Hitlers Seite Weltpolitik machen. Im März 1944 lässt er sich von ihm eine faschistische Regierung aufzwingen. Nach einem halbherzigen Versuch, Mitte Oktober aus dem zum Verhängnis für das Land werdenden Bündnis auszusteigen, zwingt ihn Hitler zur Abdankung. Die Pfeilkreuzler-Faschisten unter Ferenc Szalasi haben nun freie Bahn.
Am zweiten Weihnachtstag 1944 schließt sich der Belagerungsring um die ungarische Hauptstadt. Damit sitzen rund 70.000 deutsche und ungarische Soldaten in der Falle. In Budapest herrscht das totale Chaos: Bombardements, Hunger, Straßenkämpfe. Gymnasiasten werden von den Deutschen zum letzten Landsturm aufgeboten. Unterdessen rücken die Todesschwadronen der Pfeilkreuzler aus, um die Juden aus den Gettos ans Donauufer zu treiben. Die Leichen der Erschossenen treiben aufgedunsen zwischen den Eisschollen. Ein Ende des Dramas ist nicht abzusehen. Im Dezember gibt Hitler an seinen Vasallen Szalasi die Losung aus: Budapest ist eine Festung, die bis zum letzten Haus verteidigt werden muss. Schon während der Kämpfe spricht man im Volksmund vom "Stalingrad an der Donau".
Als am 18. Januar Pest - die Stadthälfte links der Donau - nicht mehr zu halten ist, sprengen die Deutschen die beiden noch intakten Donaubrücken in die Luft. Mehrere Entsatzversuche der Wehrmacht scheitern. Am Abend des 11. Februar ringt sich der deutsche Kommandant, SS-Obergruppenführer Karl Pfeffer-Wildenbruch, zu einem Ausbruchsversuch durch. Nachdem er den Befehl dazu erteilt, wird das Funkgerät zerschlagen, um einer widerrufenden Weisung aus Berlin zuvorzukommen. Doch nur wenige Hundert können aus der Stadt fliehen und erreichen die deutschen Linien. Pfeffer-Wildenbruch wird gefasst und geht in Kriegsgefangenschaft.
Am 13. Februar 1945 liegt das befreite Budapest in Trümmern. 330.000 Häuser sind zerstört, 20.000 Zivilisten tot, 30.000 deutsche und ungarische Soldaten gefallen. Die Sowjetarmee verliert knapp 80.000 Mann. Gleichzeitig ist aber auch dem Terror der Pfeilkreuzler ein Ende gesetzt. Die wenigen überlebenden Juden und Oppositionellen können aufatmen.
Am 11. April verlegt die im Dezember 1944 in Debrecen konstituierte provisorische Regierung Ungarns ihren Sitz nach Budapest. Ein kurzer demokratischer Frühling bricht an. Die neue Administration hängt zwar stark von der sowjetischen Militärmacht ab, repräsentiert aber durchaus das damalige Spektrum demokratischer Kräfte.
Das ändert sich mit der Verschärfung des Kalten Krieges. Ab 1947 wird auch Ungarn der institutionelle Überbau des Sowjetsystems aufgepresst. 1956 bäumt sich die Stadt vergeblich gegen die Vorherrschaft Moskaus auf. Doch der Aufstand der Ungarn wird von sowjetischen Panzern niedergeschlagen.
Quelle: ntv.de, jpe/dpa
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