EU will Griechenland um Milliarden entlasten

  05 Oktober 2015    Gelesen: 504
EU will Griechenland um Milliarden entlasten
Um die Wirtschaft anzukurbeln, soll Griechenland leichter an EU-Gelder kommen. Die Kommission will Athen rückwirkend den Eigenbeitrag für Förderprojekte erlassen. Die Empörung ist groß.
Die EU-Kommission will die Richtlinien für die Vergabe von Fördergeldern für Griechenland für die Jahre 2007 bis 2013 rückwirkend ändern. Anders als bislang vorgesehen, sollen Bestimmungen, wonach Griechenland zumindest einen symbolischen Teil der Förderprojekte selbst finanzieren muss, völlig entfallen.

So sieht es eine Verordnung vor, die in dieser Woche vom Europaparlament in Straßburg beschlossen werden soll. Das Vorhaben ist juristisch fragwürdig, vor allem für Griechenland aber äußerst lukrativ. Denn wenn die Kommission mit ihrem Vorschlag durchkommt, könnten die Griechen etwa zwei Milliarden Euro sparen.

Eigentlich gilt die Regel: Um in den Genuss von Geld aus den sogenannten EU-Strukturfonds zu kommen, muss das entsprechende Land einen Teil des damit finanzierten Projekts, zum Beispiel den Bau einer Autobahn, selbst bezahlen. Die Idee dahinter ist, dass das Land mit mehr Engagement dabei ist, wenn eigenes Geld auf dem Spiel steht. Von Ausnahmen abgesehen gilt die Regel bislang auch für Griechenland. Bei Projekten, die in den Zeitraum von 2007 bis 2013 fallen, müssen die Griechen immerhin noch fünf Prozent der Kosten selbst tragen.

Bislang hat das krisengeplagte Land rund 90 Prozent der für 2007 bis 2013 bestimmten Gelder abgerufen, für die restlichen zehn Prozent kann es seinen eigenen Anteil offenbar nicht finanzieren. Doch es eilt: Wenn Griechenland das restliche Geld bis zum Jahresende nicht ausschöpft, verfallen die EU-Mittel. Zudem müsste Athen bereits erhaltene Fördermittel für jene Projekte zurückerstatten, bei denen es die Eigenfinanzierung nicht stemmen kann. Damit das nicht passiert, will die EU die Regeln nun flugs ändern, und zwar rückwirkend.

Die Kommission verweist darauf, dass der Vorstoß den EU-Steuerzahler kein neues Geld koste. Es werde nur das bereits bewilligte Geld für 2007 bis 2013 an die Griechen gezahlt. Wenn es keine Kofinanzierung gebe, sondern die EU die komplette Finanzierung übernehme, gebe es am Ende eben weniger Projekte. Die Summe, die die EU nach Griechenland überweist, bleibe aber gleich. Doch das ist nur die halbe Wahrheit, denn wo die Griechen kein eigenes Geld aufbringen, würden die EU-Gelder normalerweise gar nicht fließen.

CDU spricht von "Sündenfall"

Die SPD im Europaparlament unterstützt den Vorschlag, immerhin hilft das Geld den wirtschaftlich gebeutelten Griechen ein bisschen. Und auch der zuständige Parlamentsausschuss für regionale Entwicklung hat mehrheitlich zugestimmt.

Doch bei der Union ist die Empörung groß, es geht, wie fast immer bei Griechenland, ums Grundsätzliche. "Haarsträubend" nennt der Chef der Unions-Abgeordneten im Europaparlament, Herbert Reul (CDU), die Pläne. "Damit gibt die Kommission die Kontrolle über diese Projekte vollständig aus der Hand."

Joachim Zeller, CDU-Europaabgeordneter aus Berlin und Vizechef des Ausschusses für regionale Entwicklung, spricht sogar von einem "Sündenfall". Man sei den Griechen in der Vergangenheit immer wieder entgegen gekommen, es gehe nicht, die Regeln nur für ein einziges Land zu ändern. "Was sollen Länder wie Rumänien und Bulgarien sagen, die ebenfalls Probleme haben?"

Die CDU-Haushälterin Inge Gräßle berichtete ihren Kollegen vor einigen Tagen von den EU-Projekten, die sie zuletzt in Griechenland besichtigt hatte. Deren Realisierung, so die Finanzexpertin, scheitere selten am Geld, sondern an anderen Problemen wie etwa unklaren Eigentumsverhältnissen.

Unmut bei Schäuble

Der Vorgang treibt auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) um. Bei einem Treffen mit EU-Parlamentariern von CDU und CSU vergangene Woche in Brüssel machte er aus seinem Unmut keinen Hehl.

Zumal es auch noch weitere Sonderregeln für die Griechen geben soll: Zum einen soll für die Vergangenheit auch der Anteil an EU-Geldern, der normalerweise bis zum Abschluss der Programme zurückbehalten wird, schon jetzt ausgezahlt werden. Eigentlich sollen sie den Europäern als Sicherheit dienen, falls etwas schief läuft.

Zum anderen darf Griechenland auch in den neuen Förderzeitraum 2014 bis 2020 mit einem Geschenk starten: Für die Jahre 2015 und 2016 bekommt Athen schneller Geld. Offen ist, wie so der umsichtige und planmäßige Einsatz des EU-Geldes nun überhaupt noch überprüft werden kann. Entsprechend scharf fragten Schäubles Beamte bei der Kommission nach. Sie rügten zudem, dass das Vorhaben von den Beschlüssen der EU-Gipfel zu Griechenland nicht gedeckt sei.

Die Kommission zeigte sich unbeeindruckt: Man setze darauf, so heißt es in der Antwort, die SPIEGEL ONLINE vorliegt, dass die griechischen Behörden die künftig komplett von den Europäern finanzierten Vorhaben "verstärkt überprüfen" und die Gelder "gründlich gemanagt" würden.

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