1. Das Duell zwischen Laschet und Merz ist offen
Es sind noch 60 Tage bis zum entscheidenden Bundesparteitag. Bis dahin wird es ein harter Kampf. Tag eins geht nach Punkten eindeutig an Armin Laschet. Der als liberal geltende Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens sichert sich die Unterstützung von Jens Spahn, der sowohl einen Teil der Konservativen in der CDU bedient, als auch viele junge Mitglieder begeistert. Dann drängen sich die beiden auch noch vor Merz auf das Podium der Bundespressekonferenz und liefern der Hauptstadtpresse eine gut gelaunte und selbstsichere Vorstellung.
Der sichtbar angespannte Merz spricht im Anschluss von einem Kartell, das da gegen ihn gebildet worden sei. Er meint es ironisch, wirkt aber dennoch verletzt. Je länger Merz redet, desto mehr findet er zum gewohnten Selbstbewusstsein zurück. Er beschwört all die Argumente, die aus seiner Sicht für ihn sprechen. Vieles davon ist nicht von der Hand zu weisen: Noch immer ist er Sehnsuchtsfigur jener, die sich zurückwünschen in die frühen 2000er, als die CDU im Kern selbstverständlich wertkonservativ und Partei der Wirtschaft war. Merz, der an diesem Dienstag wie ein etwas einsamer Einzelkämpfer wirkt, ist in der CDU alles andere als einsam. Das Duell am 25. April wird spannend, auch weil Merz im Falle einer Niederlage wohl endgültig raus ist aus dem Politikbetrieb. Er wird kämpfen müssen, es ist seine allerallerletzte Chance.
2. Röttgen ist raus
Mit seiner Kandidatur vergangene Woche grätschte Norbert Röttgen in den Plan der Parteiführung, die Frage des Vorsitzes in einer Telefonkonferenz, zumindest jedoch in kleiner Runde zu klären, die auch die Unterlegenen mit einem passablen Posten versorgt. Endlich wurde aus der drohenden Kungelei ein Wettbewerb mit offenem Visier. Das und ein souveräner, auf Inhalte konzentrierter Auftritt als Kandidat brachten Röttgen Sympathien ein, allerdings: Sympathien vor allem außerhalb der Partei. Niemand aus der CDU meldete sich in den Folgetagen zu Wort, um sich für ihn starkzumachen.
Diejenigen, die sich die Konservativen wieder konservativer wünschen, wird Röttgen nicht aus dem Merz-Lager abziehen können. Bei den Progressiven, Pragmatischen hätte er im Wettbewerb mit einem Einzelkandidaten Laschet und einem Einzelkandidaten Spahn vielleicht noch gewisse Chancen gehabt, auch wenn jene beiden in der Partei sehr viel besser vernetzt sind. Doch Laschet und Spahn als Duo sind, was Rückhalt in der CDU angeht, für Röttgen nicht zu schlagen. Dem Außenpolitiker fehlen die entscheidenden Kontakte. Laschet und Spahn setzen nun sogar den von Annegret Kramp-Karrenbauer gewünschten Team-Gedanken um, wenn auch vermutlich nicht ganz deckungsgleich mit dem, was sie sich darunter vor zwei Wochen noch vorstellte. Nun teilte Röttgen zwar mit, er werde mit einer CDU-Frau im Team antreten. Doch dass das seine Position deutlich verbessert, ist unwahrscheinlich. Gegen Merz und das Duo Laschet/Spahn erscheint Norbert Röttgen nahezu chancenlos.
3. Spahn ist der Mann der Zukunft
Jens Spahn, Gesundheitsminister und mit 39 Jahren der jüngste, über den als möglicher AKK-Nachfolger spekuliert wurde, gilt zwar als Merkel-kritisch. Ihm fehlt aber das klare Profil eines Friedrich Merz. Im Wettbewerb um die Merz-Gegner wiederum hätte der mitgliederstarke NRW-Landesverband, dem alle drei angehören, ohne Zweifel seinen erfolgreichen und beliebten Ministerpräsidenten gestützt. Anders gesagt: Spahns Chancen standen schlecht.
Die Teambuilding-Maßnahme mit Laschet ist ein geschickter Schachzug. Zum einen hat er mit dem 59-Jährigen einen perfekten Partner: Laschet wird für seine Loyalität mit Lob geradezu überschüttet - nicht nur vom Düsseldorfer Koalitionspartner FDP. Wenn der also Spahn zugesichert haben sollte, dass er nach einer erfolgreichen Wahl eine größere Rolle spielen könnte, kann Spahn sich darauf wohl verlassen. So sichert er sich einen Platz in der CDU-Entscheiderriege und in der Poleposition für alle Jobs, die die Partei in Zukunft zu besetzen hat - ob nun in Berlin oder in der Düsseldorfer Staatskanzlei. Dieser Tage erscheint Jens Spahn als weitsichtiger CDU-Mann, der zugunsten der Partei auf eine eigene Kandidatur verzichtet. Es ist aber auch eine kluge Strategie für seine eigene Zukunft.
4. Merz ist der Mann des Ostens
Alle Bewerber um den CDU-Vorsitz gehören zum Landesverband Nordrhein-Westfalen, alle drei stammen tief aus dem Westen Deutschlands. Im nächsten Jahr aber wird nicht nur in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gewählt, sondern auch in Sachsen-Anhalt sowie voraussichtlich in Thüringen. Jede einzelne Wahl wird als richtungsweisend für die Bundestagswahl im Herbst 2021 interpretiert werden. Der Osten, so viel ist klar, redet bei der politischen Stimmung vor der Wahl gehörig mit.
Und der Osten ist Merz-Land. Mehr als 30 Mal sei er in den vergangenen eineinhalb Jahren in Ostdeutschland aufgetreten, berichtete Merz bei der Bekanntgabe seiner Kandidatur. Tatsächlich ist er in den neuen Bundesländern besonders beliebt und macht bei CDU-Veranstaltungen die Säle voll. Merz hat ein Gefühl für die neuen Länder entwickelt. Armin Laschet sind sie fremd, auch wenn Thüringen echte Faschingshochburgen hat. "Man muss respektieren, dass dieser Teil unseres Landes in großen gesellschaftspolitischen Fragen anders denkt. Und darauf muss man sich einlassen", lässt Merz an diesem Dienstag ein wenig von seinem Ostverständnis durchblicken. Der Vorteil seiner Ostpopularität ist aber überschaubar: Beim Bundesparteitag kommen die Ostverbände zusammen auf 103 von 1001 Delegierten. NRW kommt allein auf 296 Stimmen.
5. Merkel darf doch noch auf gelungenen Übergang hoffen
Der Verzicht von Kramp-Karrenbauer auf die Kanzlerkandidatur und der angekündigte Rückzug vom CDU-Parteivorsitz bedeutete auch eine Niederlage für die scheidende Bundeskanzlerin. Schließlich war der Sieg AKKs gegen Merz im Dezember 2018 auch als Triumph Angela Merkels verbucht worden. Sie habe damit einen sanften Übergang eingeleitet an eine Nachfolgerin, die nicht vorhabe, mit ihrem Erbe zu brechen, hieß es damals anerkennend im In- und Ausland.
Nun kann Merkel hoffen, dass es zumindest im zweiten Anlauf klappt: Das Duo Laschet/Spahn will explizit fortführen, was unter Merkel gut funktioniert hat und keineswegs mit den bislang 15 Jahren Merkel brechen. Laschet hätte auch wenig Eile, auf vorgezogene Neuwahlen zu drängen, sondern könnte sich selbst und die Wähler in aller Ruhe darauf einstimmen, dass er im Herbst 2021 von Düsseldorf nach Berlin umzuziehen gedenkt. Dass Merkel unter einem Parteivorsitzenden Merz Kanzlerin bleibt, kann hingegen weiterhin bezweifelt werden. Zu sehr drängt Merz darauf, dass es Zeit für einen "Aufbruch" sei und dieser schreibt sich notwendigerweise mit dem Wörtchen "Bruch".
6. Wenn Laschet gewinnt, ist Söder raus
Markus Söder hat sich in seinem Amt als bayerischer Ministerpräsident gewandelt. Längst tritt er nicht mehr als ewiger Lautschläger auf, der auf Ämter drängt und Konkurrenten vor sich herzutreiben versucht. Der CSU-Chef ist jetzt Landesvater und um einen viel ausgleichenderen Auftritt bemüht. Weil das alles ganz gut für ihn funktioniert, hat er es nicht nötig, verfrüht Ansprüche auf die Kanzlerkandidatur der Union anzumelden. Stattdessen kann er in Ruhe abwarten, wer das Amt aufseiten der CDU für sich beansprucht. Sowohl Laschet als auch Merz machen keinen Hehl daraus, dass sie es auf das höchste Regierungsamt abgesehen haben.
Wenn Söder allerdings tatsächlich selbst nach dem Kanzleramt greifen wollte, dann müsste er auf Merz als CDU-Chef hoffen. Diesem hat er nämlich etwas Entscheidendes voraus: praktische Regierungserfahrung und die natürliche Autorität eines Ministerpräsidenten. Dass Merz in den vergangenen 15 Jahren fast nur in der Wirtschaft aktiv war, ist einer seiner größten Nachteile. Nie hatte er ein Regierungsamt inne. Er war nur kurze Zeit CDU-Fraktionschef, als Deutschland gerade von D-Mark auf Euro umstellte und der Bundestrainer noch Rudi Völler hieß. Armin Laschet bietet keine derart offenen Flanken und mithin auch wenig Argumente, warum die Union erstmals seit Edmund Stoiber einen Bayern auf ihr Schild heben sollte.
ntv
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