Mercedes GLC 300e - ein echter Alleskönner?

  10 März 2020    Gelesen: 1133
 Mercedes GLC 300e - ein echter Alleskönner?

Keine Reichweitenangst, emissionsfrei fahren, über grobes Geläuf und dann auch noch schweben wie auf Wolke sieben: Der Mercedes GLC 300e scheint alles zu können. Doch ganz so einfach ist es nicht. Auch hier gilt: Wo Licht ist, ist auch Schatten.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass im Zuge der zu senkenden CO2-Emissionen seitens der Hersteller immer mehr Elektroautos in den Handel gedrückt werden. Wie praktisch so ein E-Mobil für den Einzelnen ist, muss jeder selbst entscheiden. Die Mehrheit der Mobilisten wird aber wahrscheinlich aufgrund der gelernten Bewegungsfreiheit eher auf eine Alternative setzen. Zum Beispiel in Form eines Plug-in-Hybriden, wie es der erstmals auf der letzten IAA im Jahr 2019 vorgestellte Mercedes GLC 300e ist.

Mit Sportwagenwerten

Wie schon oft erklärt, fahren solche Autos primär mit einem Verbrenner - im Fall des Testwagens mit einem Vierzylinder-Benziner, der seine Kraft von 211 PS aus 1991 Kubikzentimetern Hubraum schöpft und ein maximales Drehmoment von 350 Newtonmetern zur Verfügung stellt. An seiner Seite ein E-Motor, der weitere 122 PS generiert und bei Bedarf ein maximales Drehmoment von satten 400 Newtonmetern bietet. Im Summenspiel der Kräfte wird's dann noch doller: Die Nennleistung aus beiden Antriebsquellen beträgt nämlich 320 PS und 700 Newtonmeter. Das sind Sportwagenwerte!

Die kann man auch gerne mal beim Ampelstart abfragen. In 5,7 Sekunden ist das zwei Tonnen schwere Öko-SUV auf Landstraßentempo gebracht und bis zur 230 drängt die Tachonadel stramm nach vorn, dann wird der elektronische Cut gesetzt. Aber Achtung! Das spontane Ansprechverhalten ist nur da, wenn man im Sport- oder Sport-Plus-Modus unterwegs ist. Wenn die Elektronik erst den richtigen Treibsatz sucht, wird es beim Tritt auf den Pin beängstigend zäh. Egal, ist ja auch gar nicht das Ziel, mit einem 4,66 Meter langen Plug-in-Hybrid über die Piste zu heizen. Vielmehr geht es ja um ein CO2-armes und im Rahmen der Möglichkeiten nachhaltiges Fahren.

Feines Gleiten hat seinen Preis

Dazu, wie sich das Ganze in der Praxis darstellt, kommen wir gleich. Vorweg sei gesagt, dass auch der 300e mit Batterie und Zusatzmotor ein superluxuriöser Gleiter ist. Allerdings muss man dafür noch einiges an Geld in den Optionsautomaten werfen. Da wäre zum Beispiel die Luftfederung für 2226 Euro, die die Insassen dann tatsächlich über Schlaglöcher und Querfugen schweben lässt. Selbst grobes Geläuf, und die Rede ist hier nicht von schnöden Kieswegen, lassen sich dank der Fahrwerksanhebung problemlos bewältigen.

Das ist also ganz feiner Stoff. Genau wie das "High-End-Assistenz-Paket" mit Stau-, Spurhalte-, Spurwechsel- und Lenk-Assistent. Ebenso das "High-End Lichtpaket" - klasse. Das macht mit seinem Matrixlicht die Nacht zum Tag, blendet entgegenkommende Fahrzeuge aus, so dass die nicht vom Fernlicht in die Blindheit geschickt werden und leuchtet Verkehrszeichen an, dass man sie schon aus 200 Metern Entfernung erkennt. Auch ein "High-End-Park-Paket" kann sehr hilfreich sein. Schiebt es den 4,66 Meter langen GLC doch völlig selbständig in Längs- und Querlücken. Und wer exklusive Düfte im Innenraum haben möchte, der nimmt auch noch das "Air-Balance-Paket". Diese Zugaben lassen dann aber auch eine Summe von 5397 Euro im Display des Optionsautomaten erscheinen. Schlagen wir die auf die 56.108 Euro drauf, die so ein GLC 300e kostet, landen wir bei 61.505 Euro.

Damit ist aber noch lange nicht Schluss: schickes Head-up-Display, digitales Instrumentendisplay, Nacht-Paket mit schwarzem Himmel, Sitzklimatisierung, Ambientebeleuchtung, alles noch im Aufpreisangebot buchbar. Aber all diese Dinge sind kein Muss. Komischer wird es schon bei dem schlüssellosen Zugang, den sich die Stuttgarter im "Keyless-Go Komfort-Paket" mit 1059 Euro bezahlen lassen. Richtig ärgerlich ist aber, dass das Ladekabel, das man als Plug-in-Hybrid-Fahrer benötigt, um an öffentlichen Ladestationen oder an der Wallbox Strom zapfen zu können, mit 393 Euro in Rechnung gestellt wird.

Vorzugsweise elektrisch

Und da sind wir dann auch nahtlos bei dem, wie sich so ein GLC 300e in der Praxis, sprich bei der täglichen Nutzung macht. Da der CO2-Ausstoß im Datenblatt mit null angegeben ist und auch der Spritverbrauch in diesem Bereich bemessen wird, ist davon auszugehen, dass seitens des Herstellers der Wunsch besteht, dass man sich mit dem GLC 300e vorzugsweise rein elektrisch bewegt. Kein Ding, das funktioniert ganz hervorragend, wenn der Akku voll ist. Die Reichweitenanzeige gibt die zu stromernde Strecke mit 40 Kilometern an, was der Realität sehr nahekommt. Im Stadtverkehr sind es knapp 37 Kilometer, denn auch so ein E-Motor benötigt mehr Strom bei häufigem Stopp-and-Go.

Für den Autor ist das genau eine Strecke von der Arbeitsstelle bis zu seiner Mietwohnung in einer mittelgroßen deutschen Stadt. Auf der Strecke erfährt der GLC 300e-Fahrer die exakte Lenkung, Bremsen, die etwas fester zupacken könnten, Assistenzsysteme, die super funktionieren, aber manchmal etwas aufgeregt eingreifen, blickt auf ein sehr gut ablesbares Head-up-Display, entspannt bei einer Massage in den elektrisch verstellbaren Lederpolstern, spricht mit dem MBUX, wobei "Hey Mercedes" in ihrem Verständnis immer noch etwas limitiert ist, und lauscht dem fantastischen Klang aus dem Burmester-Soundsystem.

Ohne Verbrenner geht's dann doch nicht

Zu Hause angekommen - der aufmerksame Leser wird es schon wissen - sieht es mit Ladestationen schlecht aus. In Summe sind es drei im Umkreis von einem Kilometer, die entweder besetzt sind, vermelden, dass sie das Auto nicht erkennen oder aufgrund der falschen Zahlmethode den Ladevorgang verweigern. Ergo, bei allem guten Willen: Es ließ sich im Test immer nur eine Strecke emissionsfrei bewältigen.

Nun ist das Gott sei Dank für die Beweglichkeit kein Problem. Der 211 PS starke Vierzylinder kann den GLC auch problemlos allein anschieben, die Neungang-Automatik arbeitet präzise und das wolkengleiche Fahrerlebnis hatten wir ja schon. Allerdings regt sich natürlich bei einem solchen Auto das schlechte Gewissen. Möchte der Fahrer wenigstens in den Städten emissions- und geräuschlos mit seinem Batterieantrieb durch die Straßen schleichen, muss er sich etwas einfallen lassen. Mercedes hat ihm dafür in den Fahrmodi eine Einstellung mit dem Namen "Batterie Level" an die Hand gegeben. Hier wird die Energierückführung durch Bremsen und Rollen verstärkt und ausschließlich mit dem Verbrenner gefahren.

In der Stadt angekommen, kann der Pilot auf Comfort oder Electric umschalten und wie gewünscht vom E-Motor beschleunigt durch die Stadt gleiten. Aber das Spiel hat natürlich seine Tücken. Wer zum Beispiel schnell von der Ampel weg muss oder zügig die Spur wechselt, der beansprucht den Akku sichtbar. Das Gleiche gilt, wenn der E-Motor für den Boost eingesetzt wird, um den Verbrenner zu unterstützen. Da sind nach einer Gaspedalbewegung mal zwei Kilometer Reichweite weniger auf der Uhr. Und auch der reine Spritverbrauch bewegt sich im Spiel der Kräfte locker an die 7,8-Liter-Marke. Legt man jetzt für zwei Stunden Ladezeit - so lange braucht es bis der Akku an der 7,4 kw-Ladesäule wieder voll ist -  fünf Euro Ladegebühr zu Grunde, sind das exakt die Kosten, die für jede Strecke über 37 Kilometer aufgewendet werden müssen. Wer also 100 Kilometer zurücklegt, hat dafür knapp 14 Euro bezahlt. Damit sind Strom und Benzinkosten fast pari.

Der eigene Anspruch bestimmt die Fahrweise

Am Ende gibt es für ökologisches Fahren weniger einen finanziellen Anreiz, vielmehr ist es der eigene Anspruch, im Namen der Umwelt unterwegs zu sein. Am Ende des Tages funktioniert das aber nur, wenn man den Akku bei jeder Gelegenheit laden kann. Und das wird bei 37 Kilometern elektrischer Reichweite selbst dann nicht gelingen, wenn man ein Eigenheim mit Wallbox hat und täglich auf der Arbeit laden kann. Denn manchmal sind die Wege länger, die Zeit ist knapp oder am Endpunkt gibt es doch keine passende Ladestation. Und wenn doch, ist die verdammt nochmal besetzt.

Und mit noch einer Einschränkung muss der Fahrer eines GLC 300e leben: Der Platz im Kofferraum ist auf überschaubare 395 Liter geschrumpft. Dafür gibt es aber einen doppelten Ladeboden, unter dem sich die Ladekabel für den Hybriden ganz famos verstauen lassen. Sie zu erreichen, wird nur schwierig, wenn der Laderaum gefüllt ist.

Fazit:  Der GLC 300e ist ein Auto zum Schweben auf der Lang- und auch der Kurzstrecke. Der Verbrenner gibt Sicherheit für die Langstrecke und wer fleißig lädt, kann auf der Kurzstrecke emissionsfrei gleiten. Das alles hat aber seinen Preis. Wie gesagt, der Einstieg liegt bei 56.108 Euro. Der Testwagen hingegen bringt es auf 79.837 Euro. Das ist selbst dann noch eine ganze Stange Geld, wenn die 6000 Euro Umweltbonus davon abgezogen werden.

Quelle: ntv.de


Tags:


Newsticker