Deutschland macht dicht

  16 März 2020    Gelesen: 915
Deutschland macht dicht

In der neuen Woche kommt es durch die Coronakrise zu weiteren, teils erheblichen Einschränkungen im deutschen Alltag: Das betrifft den Reiseverkehr - aber auch Schulen, Kinos und Schwimmbäder. Der Überblick.

Am Wochenende hat sich die Corona-Lage in Deutschland noch einmal verschärft. Das Robert-Koch-Institut meldete einen Anstieg der laborbestätigten Infektionen. Diese werden mit 4838 angegeben (Stand: Sonntag, 15 Uhr). Am Samstag waren es noch 3795 gewesen. Davon wurden 4195 COVID-19-Fälle elektronisch an das Institut übermittelt. Die Zahl der Todesfälle wurde mit zwölf angegeben.

Mit Blick auf die eskalierende Situation gelten ab diesem Montag in Deutschland weitreichende Neuregelungen. Die Bürger müssen sich auf teils erhebliche Einschränkungen in ihrer Bewegungs- und Reisefreiheit, aber auch in ihrem Alltag daheim einstellen.

Die Grenzen
Um die Infektionsrate zu senken, schließt nun auch Deutschland einen Teil seiner Grenzen. Am Montagmorgen, um 8 Uhr fallen die Schlagbäume zu

  • Frankreich
  • Österreich
  • Luxemburg
  • Dänemark
  • Schweiz

Die Bundespolizei wird dort kontrollieren und zurückweisen. Einreisende Deutsche, Berufspendler und Waren sollen weiterhin passieren dürfen. Bereits am Sonntagabend seien Polizeikräfte unterwegs zu den Grenzabschnitten gewesen, teilte die Bundespolizei mit. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte noch am Sonntagabend in der ARD versichert: "Es geht nicht um Grenzschließungen als generelles Mittel." Der freie Warenverkehr und wirtschaftliche Aktivitäten sollten nicht unzumutbar beeinträchtigt werden. "Wir versuchen, die Einschränkungen so gering wie möglich zu halten."

Der Alltag
Unter anderem Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Bayern planen ab dieser Woche massive Beschränkungen des öffentlichen Lebens. Die Landesregierung in Düsseldorf teilte mit, dass nahezu "alle Freizeit-, Sport-, Unterhaltungs- und Bildungsangebote im Land" eingestellt würden. Von heute an müssen demnach alle Bars, Klubs, Diskotheken, Spielhallen, Theater, Kinos und Museen in NRW schließen.

Ab Dienstag werde dann auch der Betrieb von Fitnessstudios, Schwimmbädern sowie Saunen untersagt. Auch Zusammenkünfte in Sportvereinen und anderen Freizeiteinrichtungen sowie Kurse in Volkshochschulen und Musikschulen sind dann verboten.

Der Zutritt zu Einkaufszentren in Nordrhein-Westfalen wird nach Angaben der Landesregierung nur noch "zur Deckung des dringenden Bedarfs unter strengen Auflagen erlaubt sein". Für Restaurants und Hotels gelten den Angaben zufolge ebenfalls strenge Auflagen. Die Regelungen sollen wie die bereits verfügten Schulschließungen zunächst bis zum 19. April gelten.

Auch in Hamburg wird das öffentliche Leben weiter eingeschränkt. Dort sind von heute an alle Veranstaltungen und Versammlungen verboten, wie die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz mitteilte. Dies gelte unabhängig von der Zahl der Teilnehmer. Für Veranstaltungen im privaten Bereich wie etwa Hochzeiten oder Trauerfeiern gelten demnach Ausnahmeregelungen.

Zudem werden auch in Hamburg alle Bars, Klubs, Diskotheken und Spielhallen sowie Theater, Museen, Kinos und Schwimmbäder geschlossen. Restaurants und Kantinen dürfen den Angaben zufolge nur öffnen, wenn die Plätze für die Gäste so angeordnet werden, "dass ein Abstand von mindestens 1,5 Metern zwischen den Tischen gewährleistet ist". Die Anordnungen gelten zunächst bis Ende April.

Als Reaktion auf die Ausbreitung des Coronavirus hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Ausrufung des Katastrophenfalls im Freistaat angekündigt. Man werde das tun, weil man eine einheitliche Strategie unter einer einheitlichen Führung brauche, sagte Söder am Sonntagabend im BR Fernsehen. "Die Herausforderung wächst täglich, also müssen wir konsequent, aber angemessen reagieren."

Ab Dienstag wird zudem das öffentliche Leben in Bayern noch einmal massiv eingeschränkt. Zunächst sollen dann alle Bars, Kinos und Schwimmbäder geschlossen werden, bevor ab Mittwoch auch ausgewählte Geschäfte ihre Türen dichtmachen müssen. Das bestätigte Söder am Sonntagabend. Ähnliche Beschränkungen gibt es bereits in Berlin.

Die Schulen
Im Kampf gegen die weitere Ausbreitung des Coronavirus werden von diesem Montag an deutschlandweit Tausende Schulen und Kitas geschlossen. Die beispiellosen Anordnungen gelten in den meisten Bundesländern bis zum Ende der Osterferien, also bis Mitte oder Ende April. Betroffen sind Millionen Menschen: Deutschlandweit gibt es 2,8 Millionen Grundschüler, in Tageseinrichtungen und Horten werden 3,7 Millionen Kinder betreut.

Sachsen will ab heute zunächst die Schulpflicht aussetzen; Lehrer, Schüler und Eltern sollen auf diese Weise Zeit bekommen, sich auf Schulschließungen vorzubereiten. Brandenburg setzt den regulären Schulunterricht von Mittwoch an vorerst aus. Der Schulbesuch ist damit weiter möglich, aber nicht mehr verpflichtend. Eine ähnliche Regelung gibt es in Hessen ab heute.

Die wochenlange Schließung stellt Eltern und Arbeitgeber vor massive Probleme. Arbeitsminister Hubertus Heil appellierte an Firmenchefs und Behördenleiter, zusammen mit ihren Mitarbeitern unbürokratische und einvernehmliche Lösungen für die Kinderbetreuung zu finden, sodass den Eltern keine Lohneinbußen drohen.

Die Inseln
Auch im Verkehrs- und Tourismuswesen wird es zu Einschränkungen kommen. Ab Montagmorgen, 6 Uhr, sollen die schleswig-holsteinischen Inseln an Nord- und Ostsee für Touristen abgeriegelt werden. Betroffen sind: Fehmarn, Helgoland, Sylt, Amrum, Föhr, Pellworm, Nordstrand sowie einige Halligen. Auch für die niedersächsischen Nordseeinseln gilt die Regelung ab Montag.

In Mecklenburg-Vorpommern würden die gleichen Maßnahmen auf den Inseln Rügen, Usedom, Hiddensee und Poel schrittweise eingeführt, hieß es am Sonntagabend. Wegen der Größe der Inseln und der zahlreichen direkten Verbindungen aufs Festland sei eine Schließung in Phasen nötig.

Die Bahn
Nach SPIEGEL-Informationen plant die Deutsche Bahn, den Regionalverkehr ab Mitte der Woche zu drosseln. Bundesverkehrsminister Scheuer sagte dazu: Man tue alles, um "Infrastrukturen komplett aufrechtzuerhalten".

Die Politik
Und auch die Politik kennt derzeit nur ein Thema: Unter Leitung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) trifft sich ab 11 Uhr der Kabinettsausschuss zur Bekämpfung der Krise. Neben Merkel kommen nach Angaben eines Regierungssprechers Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD), Innenminister Horst Seehofer (CSU), Außenminister Heiko Maas (SPD), Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zusammen, um die Maßnahmen im Kampf gegen das Virus zu erörtern.

In einer Videokonferenz will Merkel dann - voraussichtlich am Nachmittag - mit den Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten über die Corona-Pandemie und ihre Folgen beraten.

spiegel


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