"Wir alle sind in einer Krise, die ein Ausmaß hat, das ich mir selber nie hätte vorstellen können", warnte RKI-Präsident Lothar Wieler am Freitag in Berlin bei seiner Lageeinschätzung vor Journalisten. Allen Bürgern und Entscheidungsträgern müsse der Ernst der Lage nun vollkommen klar sein. "Jeder muss das verstehen."
Wieler richtete einen eindringlichen Appell an die Bevölkerung, die Maßnahmen zur Reduzierung sozialer Kontakte umzusetzen, im Alltag Abstand zu halten und sich im Fall von Krankheitssymptomen selbst in Quarantäne zu begeben. Er betone dies, weil er davon "überzeugt" sei, dass dies jetzt absolut notwendig sei. "Wir hatten bislang die Situation einer Epidemie dieses Ausmaßes in Deutschland noch nicht."
Zugleich forderte Wieler die Verantwortlichen in den Krankenhäusern mit Nachdruck auf, sich auf einen nicht mehr aufzuhaltenden Anstieg der Zahl schwer kranker Coronapatienten einzustellen. "Wir brauchen in den in den Hospitälern so viel wie möglich Beatmungsbetten, wir brauchen so viel wie möglich Intensivbetten." Er rufe seit Wochen dazu auf, nun sei endgültig keine Zeit zu verlieren. "Ich erwarte jetzt, dass die Krankenhäuser vorbereitet sind", sagte der RKI-Chef.
In Deutschland sind laut neuesten Meldezahlen der Behörden knapp 14.000 Coronainfektionen registriert - bei weiter stark steigender Tendenz. Gegenüber dem Vortag war dies laut RKI eine Erhöhung um knapp 3000. 31 mit dem neuen Erreger infizierte Menschen starben bislang. "Wir sind in einem exponentiellen Wachstum", betonte Wieler.
Die regionale Coronaverbreitung war dabei allerdings nach wie vor unterschiedlich. Die Infektionsrate pro 100.000 Einwohner schwankte laut Daten der für den Infektions- und Seuchenschutz zuständigen obersten Bundesbehörde zwischen 32 in Hamburg und nur sieben in Thüringen. Die meisten Erkrankten in absoluten Zahlen gab es mit rund 3500 in Nordrhein-Westfalen und etwa 2750 in Baden-Württemberg.
Wieler zufolge hat das Coronavirus aufgrund seiner Eigenschaften die idealen Voraussetzungen zur Auslösung einer schweren Pandemie. Die "schlimmste Vorstellung" eines jeden Infektionsmediziners sei stets ein Erreger gewesen, der sich über Atemwege und Tröpfcheninfektionen verbreite und viele Lungenentzündungen verursache. "Das ist jetzt eingetreten." Die Fachwelt habe immer angenommen, dass dies ein mutiertes Grippevirus sein werde. Nun sei es ein Coronavirus mit "besonders krank machenden Eigenschaften". Die Folgen seien gleich.
Der RKI-Chef warnte erneut davor, die Gefährlichkeit von Corona mit derjenigen der Grippe zu vergleichen. Auch die Grippe sei gefährlich, die sogenannte Krankheitslast des neuartigen Erregers aber viel höher. Corona übertrage sich viel leichter und führe insbesondere in den Risikogruppen zu sehr viel mehr schweren Verläufen und Todesfällen. Es sei zu befürchten, dass die Beatmungsplätze in den Kliniken nicht reichten. Jeder müsse "die Augen zu öffnen vor dieser Realität".
AFP.com
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