Vier Faktoren: Warum die USA den Krieg in Vietnam verloren

  23 April 2020    Gelesen: 1548
  Vier Faktoren:  Warum die USA den Krieg in Vietnam verloren

US-Army-Soldaten ziehen planlos ab oder ergeben sich massenhaft, Diplomaten lassen Staatseigentum zurück und fliehen: Am 21. April 1975 belagern nordvietnamesische Kräfte Saigon, das Zentrum Südvietnams. Weniger als zwei Wochen später endet einer der blutigsten Kriege in der US-Geschichte: Das winzige Nordvietnam hat die Weltmacht geschlagen. Wie?

Eher gehen den US-Soldaten die Bomben und Raketen aus, als dass der Kampfgeist der Vietcong erlahmt. Bei der Nationalen Front für die Befreiung Südvietnams war das nicht bloß ein Spruch – das war deren Überzeugung.

„Ja, versorgungstechnisch waren wir schwächer, aber unser Kampfgeist und Siegeswille waren stärker als bei euch“, sagte einmal ein nordvietnamesischer Soldat dem amerikanischen Militärhistoriker und Indochina-Veteran David Hackworth. „Unser Kampf war gerecht, euer Kampf nicht. Eure GIs wussten das, das amerikanische Volk wusste das.“

Kampfgeist und Ortskenntnis
In der Tat: Für die Soldaten und Guerillas von Nordvietnam waren die Amerikaner einfach nur Besatzer. Für die Zivilbevölkerung waren sie ungebetene Gäste, verhasste Eindringlinge. Die Amerikaner selbst trugen maßgeblich dazu bei durch wahllose Bombardements, bei denen abertausende wehrlose Menschen starben. Wer das einmal miterlebt und überlebt hatte, ließ alles zurück und ging in den Dschungel – zu den Partisanen: Der Krieg wurde zum Volkskrieg.

Anders die GIs: Sie wussten gar nicht, wofür sie kämpften und wofür sie starben. Die Kampfmoral in den amerikanischen Einheiten ließ stark nach, Befehlsverweigerung war keine Seltenheit. Im Homeland – in den USA selbst – wuchs die Unzufriedenheit und mit ihr die Antikriegsbewegung: Im Oktober 1967 kamen hunderttausende junge Menschen nach Washington zum berühmten „Marsch auf das Pentagon“. Die jungen Amerikaner hatten Krieg und Tod satt.

Derweil tobte der Krieg im tropischen Dschungel – unter Soldaten: der „Jungle Hell“. Die hohe Luftfeuchtigkeit, der undurchdringliche Urwald, in jedem Erdloch und unter jedem Stein eine giftige Schlange oder Spinne, Dauerregen: Die meisten GIs waren darauf gar nicht oder nur schlecht vorbereitet. Die Marines wurden damit besser fertig. Die meisten von ihnen hatten sich im Zweiten Weltkrieg mit den Japanern um die tropischen Inseln im Pazifik geschlagen. Aber in Vietnam waren nicht so viele Marines im Einsatz.

Hingegen waren die „Nordvietnamesen“ im Dschungel zuhause. Die Führung der Befreiungsarmee setzte von Anfang an auf einen Guerillakrieg, auf verdeckte Angriffe, auf „Zuschlagen und Verschwinden“ als Taktik. Örtliche Zivilisten unterstützten die Befreier mit ihrer Ortskenntnis. Die Partisanen waren Meister der Tarnung und des listigen Hinterhalts. Wolfsgruben, verminte Spannseile, Sprengsätze, Klappfallen – das sind nur einige der vielen bösen Überraschungen, die auf die Amerikaner im Dickicht des vietnamesischen Dschungels warteten.

Um sich vor Luftschlägen zu schützen und den Nachschub unentdeckt zu sichern, hatten die nordvietnamesischen Kämpfer ein unterirdisches Tunnelnetz angelegt. Und zwar so, dass die Amerikaner aufgrund ihrer Körpergröße weder hinein- noch hindurchpassten. Unter der Erde waren Gefechtsstände, OP-Säle, Kasernen, Lebensmittel- und Munitionslager sicher. Man kann nur raten, wie viele Kilometer dieser Irrgänge die Vietnamesen in den Kriegsjahren gegraben hatten.

Waffentechnik und Schützenhilfe
Ab März 1965 werden die GIs in Vietnam mit Sturmgewehren M16 statt der M14 ausgerüstet. Eine Waffe, die erst bei der Truppe reifen musste: In den ersten Monaten nach der Einführung des M16 mussten amerikanische Soldaten zahlreiche Defekte an ihrem neuen Maschinengewehr feststellen. Das Gewehr war anfällig für Staub und Schmutz; verschossene Patronenhülsen blieben im Patronenlager stecken. Der US-Senat führte sogar eine Sonderermittlung durch, weil die Todeszahlen unter den amerikanischen Soldaten wegen der M16-Defekte in die Höhe schnellten.

1967 erhielten die GIs das modifizierte M16A. Aber auch das neue Sturmgewehr war weniger zuverlässig als die Kalaschnikows und die Karabiner, mit denen die Vietnamesen kämpften. Die Amerikaner selbst nutzten gern die AK47, die sie erbeuteten. Das russische Sturmgewehr war auch im Nahkampf besser: beim M16 brach nicht selten der Kolben, wenn ein GI damit auf seinen Gegner einschlug.

Ab Mitte der 1960er Jahre hilft die Sowjetunion den vietnamesischen Befreiern im Kampf gegen die amerikanischen Invasoren. Sowjetische Flugabwehrprofis bauten aus dem Nichts eine Luftverteidigung in Vietnam auf und bildeten die vietnamesischen Soldaten an den Flugabwehrsystemen aus. 95 Luftverteidigungssysteme S-75 mit mehr als 7.500 Abwehrraketen lieferte die UdSSR an Nordvietnam.

Hinzu kam die MiG-17 – mehrere hundert dieser Kampfjets stellte die Sowjetunion bereit. 143 gegnerische Flugzeuge schossen die Nordvietnamesen damit ab, wobei sie selbst nur 75 Maschinen verloren. Ihren ersten Erfolg hatte die Luftwaffe der Befreiungsarmee am 4. April 1965 zu verzeichnen. Eine Staffel vietnamesischer MiG-17 nahm es mit acht amerikanischen F-105-Kampfjets auf. Die MiGs waren deutlich wendiger, weshalb zwei F-105 schnell abgeschossen waren. Seither feiert Vietnam am 4. April den offiziellen Tag der Luftstreitkräfte.

sputniknews


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