Dem neuen Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri zufolge hat Deutschland im Jahr 2019 seine Militärausgaben so stark erhöht wie kaum ein anderes Land. Das sorgt für harsche Empörung von Seiten der Friedensorganisationen und der Opposition im Bundestag.
Das „International Peace Bureau“ (IPB), die älteste Friedensorganisation der Welt und Nobelpreisträger von 1910, veranstaltete zu der aktuellen Sipri-Studie am Montag eine Online-Konferenz. Als Redner waren unter anderem die finnische Europapolitikerin und assoziiertes Sipri-Mitglied, Tarja Cronberg, der ehemalige parlamentarische Staatssekretär im Umweltministerium und heute der Bundesvorsitzende der Umweltorganisation „Naturfreunde Deutschland“, Michael Müller (SPD) sowie die Bundestagsabgeordneten Kathrin Vogler (Die Linke) eingeladen.
Wie aus dem Sipri-Bericht hervorgeht, gaben die Staaten der Erde im vergangenen Jahr schätzungsweise 1,917 Billionen Dollar (1,77 Billionen Euro) für das Militär aus. Das entsprach einem weltweiten Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr um 3,6 Prozent und einem neuen Höchststand seit Beginn vergleichbarer Sipri-Aufzeichnungen im Jahr 1988.
Den größten prozentualen Anstieg unter den Top-15-Staaten verzeichnete dem Bericht zufolge Deutschland: Im Vergleich zu 2018 stiegen die deutschen Militärausgaben laut Sipri um zehn Prozent auf 49,3 Milliarden Dollar. Damit kletterte die Bundesrepublik in der Sipri-Auflistung um zwei Plätze auf Rang sieben.
„Brot statt Bomben“
„Die Menschheit braucht Brot, sie braucht keine Bomben“, zitierte Michael Müller den Papst Franziskus in seinen Ausführungen. Es sei eine Schande, dass Deutschland nun auf dem Platz sieben liege, empörte sich der SPD-Politiker.
„Wenn wir das Zweiprozentziel der Nato erfüllen, wird Deutschland wahrscheinlich auf Platz vier aufsteigen. Das ist nicht das, was wir gewollt haben. Und das ist auch nicht das, was wir hinnehmen dürfen“, bemängelte Müller.
Die Linkspartei sprach am Montag von „erschreckenden Zahlen“, die Sipri vorlegte. Kathrin Vogler, die Friedendpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, forderte dringend eine politische Diskussion. „Mit dem Anstieg ist Deutschland Aufrüstungsweltmeister. Wir als Linke möchten, dass Deutschland eigentlich zum Abrüstungsweltmeister wird und damit mit einem guten Beispiel vorangeht.“ Der Hintergrund für die steigenden Militärausgaben sei ihrer Ansicht nach das Anstreben einer „militärischen Führungsrolle“ Deutschlands durch die Bundesregierung. Als Beispiel nennt Vogler die Diskussion um die Beschaffung von Killerdrohnen und den geplanten Milliardenkauf durch das Bundesverteidigungsministerium von etwa 90 Eurofighter-Kampfjets sowie über 40 F-18-Bomber, die unter anderem Deutschlands Nukleare Teilhabe sichern sollen.
In den Zeiten der Corona-Krise müsse die Bundesregierung umdenken, forderte die Linke-Politikerin.
„Gerade jetzt, wo wir die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Pandemie abfedern müssen, wird deutlich, wie zwingen es nötig ist, die Armut zu bekämpfen, bedürfnisgerechte Infrastruktur zur Verfügung zu stellen und die Gesundheitsversorgung wieder in den Dienst des Allgemeinwohls zu stellen. Da dürfen wir diese horrenden Militärausgaben einfach nicht hinnehmen. Mit 13,5 Prozent der weltweiten Rüstungsausgaben könnte jeder Mensch auf der Erde an jedem, Tag etwas zu Essen haben“, bemerkt die Abgeordnete.
Aufrüstung trotz Corona?
Sie sprach von einem „Verteilungskampf für die Zeit nach Corona“, der gerade stattfinde. „Denn die Rüstungsaufträge, die jetzt gestartet werden, binden die Bundesregierung langfristig. Jeder Euro, der da verplant wird, kann nicht mehr für andere Dinge ausgegeben werden. Und deswegen brauchen wir eine andere Politik. Wir müssen abrüsten, statt aufrüsten“, so Vogler.Doch die Signale der Bundesregierung würden auf einem entgegengesetzten Kurs stehen, warnte sie: „Die Beschaffungsprogramme, die Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer jetzt auf den Weg bringt, zeigen in die andere Richtung. Die erste Reaktion von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg war es, wie wichtig das Festhalten an den Aufrüstungsverpflichtungen ist, die sich die Nato-Staaten gegenseitig gegeben hatten.“ Vogler zufolge habe die Politik „anscheinen zu wenig Kraft“, um diese Entwicklung zu verhindern. „Ein Großteil will es auch gar nicht verhindern. Deshalb muss die Zivilgesellschaft reagieren“. Doch das sei gerade unter den gebotenen Demonstrations- und Ausgangseinschränkungen im Zuge der Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie eine Herausforderung, bemerkte die Politikerin.
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