ntv.de: Es liegt auf der Hand, dass Schwangere in Corona-Zeiten besonders aufgeregt sind. Wie macht sich das bemerkbar?
Yvonne Schildai: Sie sind verunsichert und in Sorge. Wir erleben es gerade, dass sich die meisten Fragen der Schwangeren nicht um die Geburt an sich drehen, sondern das Coronavirus. Das hängt stark mit der Informationsflut zusammen. Vielen Frauen fällt es schwer zu unterscheiden, wie wichtig eine Meldung ist, was bedeutet sie konkret für mich und mein Baby.
Sie meinen also, wenn es in den Nachrichten heißt "Sechswöchiges Baby in den USA an den Folgen einer Coronavirus-Infektion gestorben", löst das hier Besorgnis unter Frauen aus?
Menschlich ist das verständlich. Die Frauen haben Angst um sich und ihre Kinder. Allerdings besteht kein Grund zur Panik. Wir haben die Lage in Deutschland sehr gut im Griff. Am Klinikum Buch leiten uns die Zahlen des Robert-Koch-Instituts. Sie widerspiegeln die Gefährlichkeit des Virus. Das heißt, einige erkranken daran, aber längst nicht alle haben schwerwiegende Verläufe. Das Risiko, angesteckt zu werden, besteht für alle, auch für Frauen und Kinder. Entscheidend aber ist: Weltweit gibt es extrem wenige Schwangere, die überhaupt eine Infektion erlitten haben. Wir hatten jedenfalls bisher keine Entbindende mit Corona-Infektion bei uns und ich weiß auch aus dem Austausch mit Kolleginnen, dass es das noch nicht gab. Bekannt ist ja auch, dass schwere Corona-Verläufe bei Frauen eine Seltenheit sind. Frauen, die Kinder bekommen, sind jung und haben in der Regel ein gutes Abwehrsystem.
Und was ist mit der Befürchtung, sich das Virus erst im Krankenhaus einzufangen?
Auch hier besteht keine erhöhte Gefahr, sondern maximal die, die es immer in Kliniken gibt. So, wie man sich in der S-Bahn oder bei einer Veranstaltung ein Virus einfangen kann, ist das theoretisch auch in einem Krankenhaus möglich. Aber wir haben gerade noch strengere Hygieneregeln als normalerweise. Außerdem haben wir keinen unkontrollierten Zulauf von Corona-Patienten. Wir arbeiten – das nach bundesweiten Vorgaben – eng mit den Gesundheitsämtern zusammen. Bei einem Corona-Verdacht wissen wir, wann der Betroffene kommt. Er wird an gesicherten Stellen getestet und unter strengen Schutzmaßnahmen aufgenommen. Selbstverständlich können sich Corona-Patienten im Krankenhaus auch nicht frei bewegen.
Gibt es einen Unterschied zwischen Frauen, die ihr erstes oder ihr zweites, drittes, viertes Kind bekommen?
Nein, die Verunsicherung ist bei allen gleich groß. Es ist ja nicht nur die Informationsflut aus den Medien. Die Freundin hat das gehört, die Oma hat das gelesen – und alle berichten es der Schwangeren und machen sie im Zweifel damit verrückt. In der Geballtheit kann sich dem keine Frau entziehen. Ist doch klar, dass sich die Frauen Gedanken machen. Zumal wir keine Erfahrung mit einer Epidemie wie der Corona-Krise haben. Auch das spielt eine Rolle.
Normalerweise können sich Schwangere die Geburtsstation anschauen und dabei Fragen stellen. Wie lösen Sie das momentan?
Führungen sind zurzeit natürlich nicht möglich. Wir machen das Online, was überraschend gut angenommen wird. Frauen können sich reinschalten und Fragen stellen.
Wie äußert sich in den Gesprächen die Verunsicherung?
Die Frauen stellen ganz praktische Fragen: Was kann passieren? Kann ich mir das Coronavirus einfangen? Was ist, wenn ich mein Kind stille und Corona-infiziert wäre? Was soll ich tun, wenn mir auf Station Menschen begegnen? Wir lenken den Blick immer auf die Fakten, dass es in all den Wochen in der Geburtsabteilung keinen einzigen Corona-Fall gab. Ich kann mir nicht vorstellen, dass andere Krankenhäuser weniger vorsichtig sind als wir.
Können Sie den Frauen die Angst nehmen?
In der Regel gelingt uns das sehr gut. Wir merken in den Gesprächen, dass es extrem viele Infos gibt, aber fast immer nur welche, die Angst machen. Dem begegnen wir sachlich. Das beruhigt die Frauen ungemein.
Was raten Sie den Frauen?
Bloß keine Panik! Ruhig bleiben und sich vor Augen führen. Alle heftigen Prognosen zum Coronavirus sind bisher nicht eingetreten.
Mit Yvonne Schildai sprach Thomas Schmoll
Quelle: ntv.de
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