Geburt in Corona-Zeiten: Das weiß man über schwangere Betroffene

  07 Mai 2020    Gelesen: 745
Geburt in Corona-Zeiten: Das weiß man über schwangere Betroffene

Die Corona-Krise und die damit einhergehende Selbstisolation stellen viele schwangere Frauen in der ganzen Welt auf eine harte Belastungsprobe. Wie kann die physische und mentale Gesundheit während der Schwangerschaft bewahrt werden?

Wie stehts um die Risiken der Infizierung vor und nach der Geburt? Darüber spricht Prof. Dr. med. Dr. phil. Dr. h. c. mult. Andreas D. Ebert, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe (Berlin) und beratender Professor der Baltischen Föderalen Immanuel-Kant-Universität (Kaliningrad) in einem Interview mit RIA Novosti.

- Herr Ebert, es heißt, dass es schwangeren Frauen wegen hormonellen Veränderungen schwerfällt, gut gelaunt zu sein. Offensichtlich wächst die Belastung für Frauen in der Selbstisolation und in Ermangelung von körperlichen Aktivitäten. Welche Mittel der Selbsthilfe gibt es, um in einer solchen Situation zurechtzukommen?

- Wichtig ist zu verstehen: bislang gibt es keine Daten, dass schwangere Frauen unter Covid-19 besonders leiden. Doch natürlich haben sie Probleme wegen der Selbstisolation und der zahlreichen Sorgen.

Wir empfehlen schwangeren Fragen während der Selbstisolation, regelmäßig Sport zu treiben und mit ihren Angehörigen zu kommunizieren – darunter per Telefon, in Sozialen Netzwerken bzw. Zoom, WhatsApp oder Skype, wo Menschen sich gegenseitig sehen können.

Sehr wichtig ist, sich richtig zu ernähren. Wir wissen alle, dass es schwerfällt, zu Hause in Selbstisolation nicht zu viel zu essen. Viele schwangere Frauen begehen diesen Fehler. Sie essen Schokolade, Pralinen, Chips u.s.w. Das beeinflusst negativ nicht nur die Laune, sondern auch den Stoffwechsel. Das Gewicht nimmt zu, manchmal beginnt sogar eine Schwangerschaftsdiabetes.

Entspannung, Sport und vernünftige Ernährung – das ist vor allem wichtig.

- Können Kinder im Mutterleib mit Covid-19 infiziert werden? Beeinflusst das Virus den Verlauf der Schwangerschaft?

- In der Welt werden derzeit Studien darüber durchgeführt, ob es Infektionen bei Neugeborenen, ob es das Virus in der Amnionflüssigkeit gibt. Laut ersten Daten aus China und den USA infizieren Frauen ihre Kinder im Mutterleib nicht mit Covid-19, solche Fälle wurden nicht festgestellt. Nach vorhandenen wissenschaftlichen Daten ist auch das Risiko einer Fehlgeburt dabei nicht erhöht. Wir vermuten, dass die Wahrscheinlichkeit der Weitergabe des Virus bei der Entbindung niedrig ist.

Natürlich stützen sich diese Studien auf eine geringe Zahl von Patienten, und wir warten noch auf weitere Angaben. Doch bislang gehen wir davon aus, dass eine schwangere Frau ihren Säugling nicht infiziert.

Zu meiner Sprechstunde kommen ziemlich viele Schwangere, für sie gelten folgende Regeln – unbedingt Maske tragen, Hygienemaßnahmen strikt einhalten, Hände waschen und Temperatur messen.

Frauen gelten als gesund, wenn sie keine erhöhte Temperatur innerhalb der letzten 48 Stunden, keinen Husten und andere Corona-Symptome innerhalb von 24 Stunden haben und zwei negative SARS-CoV-2-Tests haben.

Wenn ein Corona-Verdacht besteht bzw. Covid-19 tatsächlich diagnostiziert wurde, empfehlen wir eine Isolation für zehn bzw. 14 Tage. In dieser Situation empfehlen wir schwangeren Frauen, direkte Kontakte mit Verwandten möglichst zu meiden. Das ist sehr schwierig, wenn man mit einer großen Familie in einer Wohnung lebt, doch auch dort kann man mehr oder weniger strikte Hygienemaßnahmen einhalten.

Wir empfehlen, getrenntes Geschirr, Handtücher zu nutzen, getrennt von den anderen zu essen, weniger Geschäfte besuchen und stattdessen Lieferdienste nutzen.

Besonders schwer fällt es Familien mit Kindern, denn für eine infizierte Mutter ist es sehr schwer, die Distanz bei den Kindern zu wahren. Deswegen sind Masken, Hygiene, Desinfizierung der Hände und natürlich möglichst wenige Kontakte notwendig.

- Haben Sie Empfehlungen für das Stillen während der Epidemie?

- Es laufen noch Studien. Allerdings haben Wissenschaftler aus Deutschland und Großbritannien kein Virus in der Milch entdeckt. Deswegen empfehlen wir, mit Covid-19 infizierten Müttern das Stillen zu erlauben. Natürlich sollte man beim Stillen eine Maske tragen und zuvor die Hände desinfizieren. Handschuhe dabei tragen, das wird derzeit nicht empfohlen.

Diese Empfehlungen werden jede Woche neu analysiert, vielleicht werden wir in einer Woche andere Daten bekommen. Unser medizinisches Wissen wird mit jedem Tag größer.

- Wird für Covid-19-Patientinnen eine operative Entbindung oder natürliche Geburt empfohlen?

- Wie ich bereits sagte, bestätigen die Ergebnisse der Studien aus China und den USA sowie klinische Beobachtungen aus Deutschland bislang nicht, dass das Coronavirus von Mutter zu Kind via Blut bzw. Plazenta übertragen wird. Deswegen empfehlen wir in Berlin allen schwangeren Frauen eine natürliche Entbindung. Epiduralanästhesie wird genutzt, doch die Lachgas-Analgesie wird nicht empfohlen. Bei Indikationen für eine Schnittentbindung wird sie natürlich durchgeführt. Das ist alles beim Alten geblieben.

Geändert hat sich etwas anderes – bei uns war es so, dass während der Entbindung der Ehemann, Partner, Mutter oder andere Verwandten anwesend sind. Jetzt gilt die Regelung, dass nur eine Person die schwangere Frau in den Kreißsaal begleiten darf – entweder der gesunde Ehemann (ohne erhöhte Temperatur und Symptome) oder ein Familienmitglied.

Zugleich wurde das Beisein der Verwandten während des Kaiserschnitts verboten. Zudem wurde der Eintritt in die Wochenbettabteilung, wo sich Mütter mit Neugeborenen befinden, für Besucher verboten. Früher kamen Gäste mit Kameras, Geschenken, Blumen und Pralinen. Nun müssen sie solange warten, bis Mutter und Kind entlassen werden.

- Haben Sie persönlich Geburtshilfe für Covid-19-Patientinnen geleistet?

- Ich persönlich nicht. In Berlin hatten wir seit dem 16. März nur einen schweren Fall. Nach der Entbindung musste die Frau in die Intensivstation verlegt und an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden.

Insgesamt finden jedes Jahr 32.000 bis 33.000 Entbindungen statt. Bei meinen Kollegen in den großen Kliniken gab es drei Entbindungen bei Covid-19-Patientinnen, bei denen die Krankheit symptomfrei verlief. In dieser Situation wurden die Frauen in einen isolierten Kreißsaal gebracht, dort arbeitete ein Ärzte-Team in Schutzanzügen. Bislang haben Ärzte und andere Patienten keine Probleme bekommen. 

- Was denken Sie über Hausgeburten und andere unkonventionelle Methoden in Zeiten des Coronavirus?

- Zu diesem Thema laufen bei uns heftige Diskussionen. Ich habe an einer Universität studiert und mich daran gewöhnt, Vorteile und Risiken einzuschätzen. Laut Statistik müssen sechs bis acht Prozent der Frauen nach einer Hausgeburt in die Klinik, weil etwas schiefgegangen ist.

Jene, die bei der Hausgeburt helfen, sind zwar hochqualifiziert, doch sie haben gewöhnlich keine Kardiotokografie-Geräte und können nicht die Sauerstoffversorgung des Kindes verfolgen. Es kann zu Komplikationen kommen. Deswegen empfehlen wir in Zeiten der Pandemie nicht in den eigenen vier Wänden zu entbinden, sondern in ein Krankenhaus zu gehen.

Im Krankenhaus ist die Wahrscheinlichkeit der Covid-19-Infizierung niedriger oder gleich wie zu Hause, doch dort sind Neonatologen im Einsatz. Die komplette Ausrüstung ist vorhanden, das Risiko von Komplikationen während der Entbindung ist deutlich niedriger.

- Was würden Sie Frauen empfehlen, die eine Schwangerschaft planen?

- Die Menschheit brachte immer Kinder zur Welt, selbst in schwierigen Zeiten. Ich würde empfehlen – haben Sie keine Angst, planen Sie ihre Schwangerschaft, konsultieren Sie ihren Arzt, bringen Sie Kinder zur Welt!

Ich bin mir sicher, dass europäische, russische, amerikanische und chinesische Wissenschaftler und Kollegen in der ganzen Welt gemeinschaftlich es schaffen werden, die Corona-Pandemie zu überwinden. Zusammen können wir vieles erreichen, das wichtigste ist – zusammen voranzugehen.

Professor Ebert ist auch beratender Professor der Baltischen Föderalen Immanuel-Kant-Universität in Kaliningrad.

sputniknews


Tags:


Newsticker