Der einsamste Meisterjubel in der Geschichte

  17 Juni 2020    Gelesen: 818
Der einsamste Meisterjubel in der Geschichte

Zwei Spieltage vor Saisonende ist der FC Bayern erneut Bundesliga-Champion. Meisterpartys gehören inzwischen zur Routine des Klubs, diesmal aber kamen die Besonderheiten der Coronakrise hinzu. Über skurrile Szenen.

18 Minuten dauerte der einsamste Meisterjubel in der Geschichte der Fußball-Bundesliga. So lange hielten es die Spieler des FC Bayern auf dem Rasen des Bremer Weserstadions nach Abpfiff noch aus. Sie hätten eigentlich auch direkt in die Kabine gehen können. Es war niemand da, der sie hatte feiern können, keine Fans auf den Tribünen, nur einige Klubfunktionäre klatschten von der Haupttribüne in Richtung Spielfeld.

Es waren ungewöhnliche Szenen, die sich nach dem zähen 1:0-Erfolg der Bayern gegen Werder Bremen abspielten, der gleichbedeutend mit dem achten Münchener Meistertitel in Serie war. Während die meisten Bremer Spieler ohne Glückwünsche direkt das Spielfeld verlassen hatten, starteten Kapitän Manuel Neuer und die Teamkollegen mit Schlusspfiff den Versuch einer Spontan-Party. Einer unter Sicherheitsauflagen. Es blieb beim Versuch. 

"Wo sind die Bengalos?", rief Thomas Müller in Richtung Haupttribüne, wo unter anderem Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, Vereinspräsident Herbert Hainer und Sportvorstand Oliver Kahn saßen. Überraschung: Die Offiziellen hatten keine Pyrotechnik mitgebracht. Lediglich ihren Mundschutz.

Meisterschale erst in Wolfsburg
Die Partystimmung blieb kühl. In Zeiten der Coronakrise und von Sicherheitskonzepten sind herzliche Umarmungen weiter unerwünscht. "Es war ohne Frage eine Saison unter speziellen Bedingungen, die sich keiner so gewünscht hat und die hoffentlich einmalig bleibt", sagte Rummenigge im Anschluss an das geglückte Meisterstück von Bremen, das den 30. Ligatitel der Vereinsgeschichte bedeutet hat.

Zwei Partien müssen die Bayern in der Bundesliga noch bestreiten, am Samstag wartet noch ein Heimspiel gegen den SC Freiburg. Aber erst nach dem letzten Spiel beim VfL Wolfsburg wird die Meisterschale überreicht und es soll dann auch so etwas wie eine offizielle Feier geben. 

Dass die Meisterschaft bereits zwei Spieltage vor Saisonende zugunsten des FC Bayern feststeht, war im Herbst - als der Klub gerade in eine sportliche Krise unter Ex-Trainer Niko Kovac geschlittert war - kaum vorstellbar. Und auch jetzt, in Bremen, wurde es noch einmal härter als erwartet. Der Tabellenvorletzte hielt mit aller Kraft dagegen. Der starke Regen erschwerte die Bedingungen. Doch die Münchner sollten dank des Siegtors von Robert Lewandowski (43. Minute) auch diese Hürde nehmen. Für den Polen war es der bereits 31. Saisontreffer - persönlicher Rekord.

Nichts außer Beton
"Deutscher Meister ist nur der FCB", sang Manuel Neuer nach Schlusspfiff als Ein-Mann-Chor auf Höhe der Mittellinie. Die Mannschaft trug inzwischen die obligatorischen Sieger-Shirts und Kappen. Kurz zuvor hatte sie noch einen Kreis gebildet, Trainer Hansi Flick hielt dort eine kurze Rede, womöglich erinnerte er das Team bereits an den 4. Juli - DFB-Pokal-Finale gegen Bayer Leverkusen. Es folgte eine La-Ola-Welle der Mannschaft für die Bayern-Offiziellen auf der Tribüne. Aber eigentlich feierten sich die Spieler da längst schon selbst - und nahmen sich damit auch ein bisschen auf die Schippe. 

Den szenischen Schlusspunkt dieses seltsamen Meisterabends der Bayern in Bremen setzte wieder Torwart Neuer. Der Kapitän schnappte sich kurz vor dem Verlassen des Stadions einen Ball und schoss ihn im hohen Bogen auf die Tribüne der Ostkurve. In einer vollen Arena wäre er in der jubelnden Masse einfach verschwunden. Aber an diesem Abend prallte der Ball nur ein paar Mal auf den nackten Beton.

"Ich hoffe, es bleibt die einzige Saison, die ohne Fans zu Ende gespielt wird. Es ist nicht das, was wir unter Fußball verstehen", sagte Trainer Flick. Auch er wird sich seine erste Meisterschaft als Cheftrainer anders vorgestellt haben.

spiegel


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