Der Bundestag hat den zweiten Nachtragshaushalt zur Finanzierung des Konjunkturpakets in der Corona-Krise beschlossen. Vorgesehen sind für 2020 nun insgesamt neue Schulden in Höhe von 217,8 Milliarden Euro. Neue Kredite aufzunehmen, falle nicht leicht, sei angesichts der Herausforderung aber unausweichlich, machten Union und SPD klar. Vizekanzler Olaf Scholz versprach, trotz Krise werde nicht bei Sozialleistungen gespart. "Wir werden gegen diese Krise nicht ansparen und wir werden den Sozialstaat, der uns so leistungsfähig durch diese Krise führt, nicht antasten, sondern ausbauen", betonte der Finanzminister. Ein Zeichen dafür sei die Grundrente, die Anfang 2021 in Kraft treten soll.
Scholz verteidigte auch seine Haushaltspläne: Die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer werde einen deutlichen Impuls setzen, außerdem würden Familien und Kommunen unterstützt sowie weitere Betriebe gerettet. Der zweite Nachtragshaushalt hat ein Volumen von 61,8 Milliarden Euro. Den ersten Nachtragsetat in Höhe von 156 Milliarden Euro zur Finanzierung mehrerer Corona-Hilfspakete hatte das Parlament bereits Mitte März beschlossen. FDP und AfD nannten ihn allerdings verfassungswidrig. "Er verstößt gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland", sagte FDP-Fraktionsvize Christian Dürr.
Der Bundesrechnungshof habe dem Finanzminister ins Stammbuch geschrieben, dass der Nachtragshaushalt wesentliche Verfassungsgrundsätze beeinträchtige. "Ich verstehe nicht, warum die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hier zum Helfershelfer eines möglichen Verfassungsbrechers wird." Der FDP-Politiker kritisierte, dass Scholz vor der Ausweitung der Neuverschuldung nicht zuerst die milliardenschwere Haushaltsrücklage auflöse und zur Finanzierung heranziehe. Auch der CDU-Haushälter Eckhardt Rehberg sah die auf 43 Prozent gestiegene Kreditfinanzierungsquote des Haushalts skeptisch. "Ich weiß nicht, ob wir das auch im nächsten und übernächsten Jahr so weitermachen können. Ich bezweifele das."
Grüne: "besser als befürchtet"
Andreas Jung von CDU nannte die mit den neuen Schulden finanzierten Maßnahmen eine "Vitaminspritze für die Zukunft unseres Landes". Die Tilgung dürfe nicht in die Zukunft verschoben werden. "Diese Generation muss die Schulden wieder zurückbezahlen", sagte der Finanzpolitiker. AfD-Haushälter Peter Boehringer bezweifelte, dass die coronabedingten weitgehenden Beschränkungen mit massiven Folgen für die Wirtschaft überhaupt notwendig gewesen seien. "Eine epidemische Notlage von nationaler Tragweite, welche die Einschränkung von Grundrechten sowie des wirtschaftlichen Lebens gerechtfertigt hätte, bestand vermutlich, vermutlich zu keinem Zeitpunkt, spätestens jedoch seit Mitte März nicht mehr", sagte er. "Die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes wird auf dem Altar von Annahmen und Spekulationen geopfert."
Aus Sicht der Grünen sind die Pläne zum Anschub der Konjunktur dagegen "besser als befürchtet", wie Haushälter Sven-Christian Kindler einräumte. Das liege aber auch an den ohnehin niedrigen Erwartungen an die große Koalition. Es sei trotzdem richtig, dass der Staat große Kreditsummen aufnehme. Ein Aspekt fehle aber: "Es gibt keinen großen Wumms für den Klimaschutz", kritisierte Kindler. Grüne und Linke monierten zudem eine soziale Schieflage. Bei Menschen, die in Armut lebten, komme vom Aufschwung wenig oder gar nichts an, sagte Linken-Haushälterin Gesine Lötzsch.
Beide Fraktionen befürchteten zudem, dass nach der Bundestagswahl 2021 die wahre Rechnung präsentiert werde: Die Gefahr sei groß, dass in den kommenden Jahren an vielen Stellen gespart werde, nur damit die Union wieder zur Schuldenbremse zurückkehren könne. "Wir brauchen ein Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen und kein Zurück zur schwarzen Null und zum Investitionsstau", forderte Kindler. Die von Scholz geplante Tilgungsfrist von 20 Jahren ab 2023 sei viel zu kurz gewählt.
Quelle: ntv.de, jug/dpa
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