Justizministerium beschuldigt Scheuers Haus

  10 Juli 2020    Gelesen: 389
  Justizministerium beschuldigt Scheuers Haus

Neue Regeln sollen Raser schärfer bestrafen, doch wegen eines Formfehlers sind sie bundesweit außer Kraft. Ein Ministerium zeigt nun mit dem Finger auf ein anderes. Zudem müssen Bund und Länder klären, wie es mit der neuen Straßenverkehrsordnung weitergeht - das dürfte noch schwierig werden.

Im Streit um die Novelle der Straßenverkehrsordnung sieht das Bundesjustizministerium (BMJV) das Ressort von Verkehrsminister Andreas Scheuer in der Verantwortung. Der Fehler in der Eingangsformel sei wegen einer zu kurzen Frist vom Justizministerium nicht festgestellt und bemängelt worden, sagte eine BMJV-Sprecherin der "Süddeutschen Zeitung". "Die Verantwortung für dieses Verfahren trägt allein das BMVI." Das Verkehrsministerium habe die neue Straßenverkehrsordnung zur Rechts- und Sprachprüfung mit einer stark verkürzten Frist übersandt. Scheuer wies die Kritik zurück: "In Corona-Zeiten gab es oft ultra verkürzte Fristen. Jetzt geht es um Lösungen und nicht um Rückblick", sagte der CSU-Politiker.

Wegen des genannten Formfehlers sind die neuen und schärferen Regeln für Fahrverbote bei zu schnellem Fahren nun bundesweit vorerst außer Vollzug gesetzt. Alle Länder seien sich in dem Punkt einig, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann von der CSU nach einer Schalte der zuständigen Länderminister am Donnerstag. Fahrverbote für Raser nach dem neuen Bußgeldkatalog werden demnach derzeit überall nicht verhängt, in den meisten Ländern wird vorerst wieder der alte Katalog angewandt.

Ende April trat eine umfassende Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) in Kraft, bei der es im Kern eigentlich um mehr Schutz und attraktivere Bedingungen für Fahrradfahrer geht. Zur Reform gehören auch verschärfte Regeln bei zu schnellem Fahren: Innerorts reichen demnach 21 Kilometer pro Stunde mehr als erlaubt, um einen Monat Fahrverbot zu kassieren. Außerorts sind es 26 km/h, anders als bisher kann schon beim ersten Mal der Führerschein für einen Monat weg sein. Bisher waren es 31 km/h im Ort und 41 km/h außerhalb. Dann aber tauchten vor kurzem rechtliche Bedenken bei der Formulierung zu den Fahrverbotsregeln auf. In der Eingangsformel der Verordnung sei die Rechtsgrundlage für die neuen Fahrverbote nicht genannt, diese seien daher nichtig, hatte der Bund erklärt und die Länder aufgefordert, erst einmal wieder den alten Katalog anzuwenden.

Unterschiede in den Bundesländern

Faktisch liegen die neuen Regelungen zum Fahrverbot nun überall auf Eis. Entweder es gelten wieder die bisherigen Regelungen im alten Bußgeldkatalog. Oder, wie etwa in Thüringen, die Strafen nach dem neuen Katalog werden derzeit nicht vollzogen. Es werde weiterhin kontrolliert, nur die Verstöße würden erst später geahndet, erklärten das dortige Innen- und das Infrastrukturministerium.

In Bremen gilt bis auf weiteres der Ende April in Kraft getretene Bußgeld-Katalog, wie ein Sprecher der Verkehrssenatorin sagte. Verstöße, die einen Punkt in Flensburg oder ein Fahrverbot zur Folge haben, würden aber solange ausgesetzt, bis über eine bundeseinheitliche Regelung entschieden wurde.

Verkehrsminister fordern Klarheit

Die Verkehrsminister der Länder verlangten schnelle rechtliche Sicherheit. "Das Bundesverkehrsministerium muss jetzt umgehend einen Vorschlag vorlegen, der Klarheit und Rechtssicherheit schafft", forderte die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Saarlands Ressortchefin Anke Rehlinger von der SPD. Scheuer habe eine "Straßenverkehrsunordnung" geschaffen. Scheuer waren die schärferen Regeln bei zu schnellem Fahren - die der Bundesrat ergänzt hatte - schon vor Bekanntwerden der rechtlichen Unsicherheiten ein Dorn im Auge. Er hatte auch mit Blick auf Proteste unter Autofahrern gesagt, die neuen Regeln seien unverhältnismäßig.

Strittig unter den Ländern ist, wie die künftigen Grenzen nun aussehen sollen. "Alle Länder sind sich einig, dass es möglichst schnell einen neuen Bußgeldkatalog geben soll. Wir wollen keine Blockade, sondern eine konstruktive Lösung, damit beispielsweise die neuen Abstandsregeln zum besseren Schutz von Radfahrern in Kraft treten können", sagte Herrmann. Allerdings gingen die Meinungen auseinander, ob es schärfere Regeln für Fahrverbote geben solle. "Einige Länder, darunter Bayern, sind dafür, es bei den Regelungen im alten Bußgeldkatalog zu belassen", sagte der CSU-Politiker. "Mindestens die Hälfte der Länder will die Regeln aber verschärfen." Bereits in der kommenden Woche solle es nun Gespräche mit dem Bund geben, um möglichst rasch eine Lösung zu finden, sagte Herrmann.

Scheuer will schnelle Lösung

Scheuer sagte mit Blick auf Gespräche mit den Ländern: "Ich will eine schnelle Lösung mit einer Richtigstellung und einem Zurück zur Verhältnismäßigkeit. Die Formel lautet: neuer Bußgeldkatalog minus die beiden Fahrverbote." Der Minister hatte die schärferen Fahrverbots-Regeln, die vom Bundesrat ergänzt wurden, bereits als unverhältnismäßig kritisiert, bevor die rechtlichen Bedenken bekannt wurden.

Er hatte nach den Änderungen der StVO durch den Bundesrat die Wahl, die Verordnung in Gänze anzunehmen oder neu zu verhandeln. "Jetzt gilt wieder der alte Bußgeldkatalog und wenn es kein Verhandlungsergebnis gibt, gilt der alte Bußgeldkatalog weiterhin, aber eben ohne die von mir gewünschten Verbesserungen zum Beispiel für die Radfahrer, das muss jeder Landesverkehrsminister wissen", sagte Scheuer.

Quelle: ntv.de, hul/dpa


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