So könnte Söder Kanzlerkandidat werden

  12 Juli 2020    Gelesen: 423
So könnte Söder Kanzlerkandidat werden

Seit Monaten bewegen sich die Beliebtheitswerte von Bayerns Ministerpräsident Söder in ungeahnten Höhen. Zwei neue Umfragen zeigen, dass der CSU-Chef die mit Abstand besten Aussichten als Kanzlerkandidat der Union hätte. Auch in der CDU wird der Ruf nach Söder lauter.

In Bayern sind erst in einigen Wochen Schulferien, aber die spannendste Frage der laufenden politischen Sommerpause betrifft dennoch den Freistaat: Will er oder will er nicht? Die Umfragewerte für Ministerpräsident Markus Söder sind zuletzt durch die Decke geschossen. Der einst unbeliebteste Regierungschef aller Bundesländer wird als Kanzlerkandidat gehandelt. Der "Spiegel" widmet ihm diese Woche eine Coverstory. Im RTL/ntv Trendbarometer erscheint er als der aussichtsreichste Kandidat. Im Vergleich zu den möglichen Spitzenkandidaten von SPD und Grünen, Olaf Scholz und Robert Habeck, liegt er deutlich vorne - anders als die CDU-Vorsitzkandidaten Armin Laschet und Friedrich Merz. Im Politbarometer des ZDF attestierten Söder zwei von drei Befragten, kanzlerfähig zu sein.

Also: Will er? Das scheint zumindest möglich. Zwar betont der CSU-Chef immer wieder, sein Platz sei in Bayern. Diverse Aussagen zum Nachteil der Kanzleraspiranten Merz und Laschet aber lassen daran zweifeln. Dem "Tagesspiegel" sagte er, nur wer sich in der Corona-Krise bewährt habe, könne die Kandidatur beanspruchen. Gleiches soll er dem "Spiegel" zufolge ungefragt dem CSU-Vorstand erklärt haben. Laschet macht in den vergangenen Monaten keine gute Figur auf dem Platz, Merz spielt mangels öffentlicher Ämter und Parteiveranstaltungen nicht einmal mit.

Bewährt haben sich in dieser Lesart von den Regierungschefs der Union vor allem Angela Merkel und Markus Söder. Mit der Kanzlerin kann der Nürnberger allen Zwistigkeiten der Vergangenheit zum Trotz inzwischen recht gut. Am kommenden Dienstag reist Merkel nach Bayern. Söder wird die hervorragende Zusammenarbeit in der Corona-Krise betonen und sich verbal auf Augenhöhe hieven mit der Langzeitkanzlerin.

Ein völlig offenes Rennen

Rund fünf Monate sind es noch bis zum geplanten Bundesparteitag der CDU, auf dem ein Vorsitzender aus dem Trio Laschet, Merz und dem abgeschlagenen Norbert Röttgen bestimmt werden soll. Bis dahin kann noch sehr viel passieren. Schon allein der weitere Verlauf der Corona-Pandemie birgt enorme Ungewissheiten. Die insgesamt sehr positive Bewertung der bisherigen Krisenpolitik in Bund und Bayern könnte womöglich noch umschlagen. Eine zweite Infektionswelle könnte den CDU-Parteitag erneut nach hinten verschieben. Dasselbe gilt für den eine Woche später geplanten CSU-Parteitag.

Bei so vielen Unwägbarkeiten tut Söder gut daran, sich nicht zu früh aus der Deckung zu wagen. Er hat ja ohnehin keinen Druck. Bleibt er in Bayern: gut. Die CSU zurück zur absoluten Mehrheit zu führen, ist Herausforderung genug für den erst 53-Jährigen. Und Bundespolitik lässt sich auch wunderbar von der Staatskanzlei in München aus betreiben. Das sind CSU-Vorsitzende gewohnt. Ereilt ihn aber doch der Ruf nach Berlin: umso besser. Wenn die Verantwortung ruft, muss man ihr folgen, würde Söder dann glaubhaft sagen können. Aber wie könnte so ein Szenario aussehen?

Was macht AKK?

Laschet und Merz wollen beide Merkel beerben. Und das müssen sie auch lautstark nach außen vertreten, wenn sie zuvor den Posten der scheidenden Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer übernehmen wollen. Ein CDU-Vorsitzender, der nicht Kanzler werden will, wäre den 1001 Delegierten schwer vermittelbar. Die CDU ist Partei gewordener Führungsanspruch. Das Machtvakuum an der Spitze lastet schwer auf diesem Selbstverständnis. Weder Merz noch Laschet dürften Interesse daran haben, unter einem Bundeskanzler Söder CDU-Chef zu sein. Die eigene Partei könnte sie aber mit Blick auf die Umfragewerte dazu zwingen.

Weitere Szenarien sind denkbar, die Söder aufs Schild heben könnten. Eines lautet: Kramp-Karrenbauer selbst tritt zurück vom Rücktritt. Sie könnte ein Duo mit Söder bilden, ihn als Kandidaten empfehlen. Ihre Argumente: bislang gute Noten für ihre Arbeit als Verteidigungsministerin und eine gelungene Modernisierung der Partei. Wenn die Vorschläge aus der Programmkommission beim Bundesparteitag durchkommen, darunter eine Frauenquote und die Aufwertung der Lesben und Schwulen in der Union (LSU), hätte Kramp-Karrenbauer auch parteiintern handfeste Erfolge vorzuweisen.

Zwei unsichere Kandidaten

Wahrscheinlich ist ein AKK-Comeback nicht. Wenn ja, wäre sie aber nicht die erste Frau in der CDU-Spitze, die zugunsten eines CSU-Kandidaten weicht. Die damalige CDU-Chefin Angela Merkel hatte im Januar 2002 dem Bayern Edmund Stoiber die Kanzlerkandidatur angetragen. Merkel fehlte schlicht die Hausmacht. Sie hatte Parteigrößen wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel, Roland Koch aus Hessen und Thüringen-Chef Bernhard Vogel gegen sich. Der damalige Fraktionschef Friedrich Merz unterstützte Merkel ebenfalls nicht.

Noch ein anderes Beispiel zeigt, dass für die CSU Platz zu machen nicht unbedingt das Karriereende bedeutet: Helmut Kohl überließ nach seiner verlorenen Wahl 1976 seinem ärgsten Widersacher Franz-Josef Strauß die Spitzenkandidatur. Der verlor krachend gegen Amtsinhaber Helmut Schmidt. Der große Unterschied zu damals: Die Union befindet sich im Umfragehoch, die Konkurrenz von SPD und Grünen balgt sich weit abgeschlagen um Platz zwei. Diesen Vorsprung gilt es ins Ziel zu tragen. Laschet und Merz sind diesbezüglich beide Risikokandidaten.

Betrachtet man die Zahlen des RTL/ntv Trendbarometers, können beide nicht einmal die eigene Partei begeistern: Im Kanzlerduell mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz liegt Merz unter den CDU-Anhängern mit 34 Prozent nur sechs Punkte vor dem Sozialdemokraten. Laschet liegt mit 24 Prozent sogar acht Punkte hinter Scholz. Für Söder dagegen können sich zwei Drittel der CDU-Anhänger begeistern. Ähnlich sieht es im Vergleich der drei mit Grünen-Chef Robet Habeck aus.

Laschet mit geringen Aussichten

Vor allem für Laschet sind diese Zahlen bitter. Möglich, dass er dieser Tage während seines Urlaubs am Bodensee über einen Rückzug nachdenkt. Wie will er der Union glaubhaft vermitteln, er könne Kanzler werden, wenn nicht einmal die eigene Basis ihn will? Stattdessen könnte er seinen jungen Unterstützer Jens Spahn als CDU-Vorsitzenden ins Rennen schicken. Der noch immer als Talent der Zukunft geltende Bundesgesundheitsminister könnte ohne Gesichtsverlust für einen Kanzler Söder werben. Söder jedenfalls hat öffentlich nichts als lobende Worte für Spahn.

Doch während sich Laschet auf sein Amt des Ministerpräsidenten des bevölkerungsreichsten Bundeslandes rückbesinnen könnte, hat Merz keine echte Alternative. Das Rennen um den Bundesvorsitz ist diesmal wohl wirklich seine letzte Chance auf ein politisches Spitzenamt. Den Vergleich zu Söder muss der Sauerländer aber scheuen: Der CSU-Vorsitzende war in den letzten 13 Jahren erst Landesminister für Gesundheit, dann für Finanzen und schließlich Regierungschef. Söder ist politisches Schwergewicht, der bei den Themen Migration und Sicherheit nicht weniger konservativ auftritt als Merz.

Söder glänzt sogar in den Hochburgen des einstigen Merkel-Nemesis Merz: Die CDU-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in Baden-Württemberg, Susanne Eisenmann, wirbt für einen Kanzlerkandidaten Söder, obwohl der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl und dessen Schwiegervater Wolfgang Schäuble zu Merz eifrigsten Unterstützern zählen. Und auch der Merz-treue Osten des Landes wackelt: In der vergangenen Woche sprach sich der Arbeitnehmerflügel (CDA) der sächsischen CDU für Söder als Bundeskanzler aus. Der Ruf der Verantwortung wird lauter. Söder wird es vernommen haben.

Quelle: ntv.de


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