Manche stellt der US-Abzug vor den Ruin

  31 Juli 2020    Gelesen: 464
Manche stellt der US-Abzug vor den Ruin

Drei Standorte trifft der US-Truppenabzug aus Deutschland. Im wohlhabenden Stuttgart ist er vielleicht noch ganz gut zu verkraften. In der Eifel und der Oberpfalz sieht das ganz anders aus.

Für Karl Metz ist klar: "Wenn die Soldaten in Spangdahlem abziehen, können wir den Laden hier schließen." Metz verkauft Autos für amerikanische Militärangehörige, ganz in der Nähe des US-Luftwaffenstützpunkts. "Es wäre ein Totalverlust. Arbeit weg, alles weg." Wie er machen sich derzeit viele Menschen in der Eifel rund um den US-Flugplatz Spangdahlem große Sorgen. Um Arbeitsplätze, Firmenaufträge, aber auch um Freundschaften und gelebtes deutsch-amerikanisches Miteinander. Denn jetzt ist es raus: Die US-Armee will aus Spangdahlem ein Geschwader von F-16-Kampfjets mit Besatzung, Unterstützungskräften und Technikern nach Italien verlegen. Die Staffel mit über 20 Flugzeugen, die weltweit Einsätze der US-Air Force und der Nato unterstützt, ist das Kernstück der Base mit ihren rund 4000 Soldaten. Ein Schock für die Region.

Einschließlich der Angehörigen leben und arbeiten fast 11.000 Menschen auf dem Stützpunkt. Der Flugplatz ist Arbeitgeber für weit mehr als 800 Deutsche. Neben der Staffel gibt es auf der Base nur noch eine Transporteinheit.

Wenn die Staffel verlegt werde, betreffe das mindestens 2000 Soldaten mit ihren Familien, schätzt Manfred Rodens, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Speicher, zu der Spangdahlem gehört. "Das ist eine einsame und irrationale Entscheidung, nicht nachvollziehbar, von einem bizarren Menschen." Die Pläne machten gar keinen Sinn. In den vergangenen fünf, sechs Jahren seien rund 400 Millionen Dollar auf der Base investiert worden: unter anderem wurden eine neue Zahnklinik, neue Schulen, Kindergärten und ein Fitnesscenter gebaut. Zudem sei die Landebahn-Befeuerung erneuert worden. "Das ist die modernste in Europa", sagt CDU-Politiker Rodens. Wenn die Staffel ins italienische Aviano verlegt werde, werde die Air Base in der Eifel im Ruhemodus sein. "Sie ist aber ja jederzeit bereit, andere Aufgaben der Verteidigung der Amerikaner zu übernehmen."

Im Moment ist das aber erstmal nur Wunschdenken eines Bürgermeisters. Ein Jahr lang gab es nur Gerüchte und Spekulationen über einen US-Truppenabzug aus Deutschland. Viele haben zuerst nicht daran geglaubt, dass US-Präsident Donald Trump es ernst damit meint. Allerspätestens seit Mittwoch ist das aber Gewissheit. Es gibt zumindest ein grobes Konzept für die Reduzierung der 36.000 US-Soldaten in Deutschland um ein Drittel - auch wenn der Zeitplan noch fehlt.

Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass der Truppenabzug in Spangdahlem beginnt. Die Verlegung der 20 Kampfflieger scheint logistisch verhältnismäßig einfach zu sein, vor allem weil es an ihrem neuen Standort in Italien schon feststehende Strukturen gibt. Ganz so akut ist das Problem in Stuttgart nicht. Von dort sollen zwei Kommandozentralen für die US-Streitkräfte in Europa und Afrika verlegt werden. Für das Afrika-Hauptquartier gibt es noch gar keinen neuen Standort. Und für die Europa-Zentrale muss im belgischen Mons wahrscheinlich neu gebaut werden. Außerdem sind die wirtschaftlichen Folgen für das wohlhabende Stuttgart leichter zu verkraften wie für die strukturschwache Eifel in Rheinland-Pfalz mit dem Luftwaffenstützpunkt Spangdahlem.

Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) spricht zwar von einer "Strafaktion". Es gibt in Stuttgart aber auch andere Stimmen. Für den Stuttgarter Mieterverein ist der Abzug eine einmalige Chance im Kampf gegen die Wohnungsnot, die man ergreifen müsse. "Wenn die Idee schon von den Amerikanern kommt, muss man nicht heulen und mit den Zähnen klappern", sagt der Vorsitzende Rolf Gaßmann. In Stuttgart mangele es derzeit an rund 30.000 Wohnungen. Mit dem Bahnprojekt Stuttgart 21 und der Verlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofs in den Untergrund würden ab 2025 rund 80 Hektar Fläche frei werden - das biete Platz für 7500 Wohnungen. Die gut erschlossenen Militärflächen in der Landeshauptstadt seien in der Summe mit weit mehr als 180 Hektar aber noch weit größer. Militärische Kommandozentralen und Kasernen hätten in einer dicht besiedelten Großstadt sowieso nichts zu suchen, findet er.

Für die Leute im bayerischen Vilseck, dem dritten vom Truppenabzug betroffenen Standort, dürften solche Äußerungen sehr fremd klingen. Wohnungsnot ist hier jedenfalls nicht das Thema. Gut 6000 Einwohner hat der Ort - ohne die Amerikaner. Der Großteil der rund 5500 Soldaten sowie etwa 9000 Familienangehörige sollen die Stadt verlassen. Das würde das Stadtbild und das Leben in Vilseck massiv verändern. Die Soldaten und ihre Familien kaufen in den örtlichen Geschäften ein, zahlreiche Einheimische sind beim US-Militär als Zivilisten angestellt. Über die Jahrzehnte seien viele Freundschaften entstanden und Ehen geschlossen worden.

Bürgermeister Hans-Martin Schertl sagt, führende US-Militärs hätten den Truppenübungsplatz Grafenwöhr/Vilseck als "die Kronjuwelen der US-Armee" bezeichnet. Umso verwunderlicher findet er es, dass ein Teil des Standortes nun tatsächlich auf der Streichliste stehen soll. In den vergangenen Jahren seien auch hier Hunderte Millionen Dollar in die Modernisierung des Truppenübungsplatzes, etwa in Schießbahnen und Infrastruktur, investiert worden. Einige Baumaßnahmen seien noch gar nicht abgeschlossen. Jährlich gehe vom Truppenübungsplatz eine Wirtschaftskraft in Höhe von rund 700 Millionen Euro aus - seien es Löhne, Mieten oder Bauaufträge.

Das Reisebüro gegenüber dem Rathaus ist beispielsweise auf Reisen in die USA spezialisiert. Sollte der Abzug kommen, wäre das "eine Katastrophe", sagt Leiterin Helga Schiessl. Viele Einheimische und Amerikaner kämen zu ihr, um ihre Flüge oder Urlaube in den USA zu buchen. Sie hofft, dass die Entscheidung doch noch rückgängig gemacht wird. Der Truppenübungsplatz sei wichtig. "Ganz Vilseck lebt davon." Die Stimmung ist hier also so ähnlich wie in Spangdahlem. In Rheinland-Pfalz gibt es aber auch durchaus Leute, die erleichtert sind. "Für uns klingt es wie ein Festtag. Das ist ein positive Sache", sagt der Sprecher der Bürgerinitiative gegen Fluglärm, Bodenlärm und Umweltverschmutzung, Horst Emrich, in Kaiserslautern. Man rechne damit, dass mit einem Abzug die Übungsflüge der Amerikaner weniger würden. Vor allem die Art der "Verlärmung" durch die Amerikaner aus Spangdahlem sei sehr belastend gewesen. "Wir sprechen da von 'Rudel-Verlärmung', weil sie meistens mit 11, 12 oder 13 Maschinen gleichzeitig in der Luft waren", sagt Emrich.

Quelle: ntv.de, Von Birgit Reichert, Ute Wessels, Nico Pointner und Michael Fischer, dpa


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