Noch sind nicht alle Opfer der Explosionen von Beirut geborgen und identifiziert. Bei den Detonationen in der libanesischen Hauptstadt waren am Dienstag nach offiziellen Angaben und bisherigem Stand mindestens 73 Menschen ums Leben gekommen und mehr als 3700 Menschen verletzt worden. Während die Rettungs- und Aufräumarbeiten noch laufen, beginnt die Ursachenforschung. Damit verbunden zirkulieren auch Spekulationen über einen möglichen Anschlag, unter anderem befeuert durch Aussagen aus dem Weißen Haus.
Nach bisherigem Informationsstand könnte eine sehr große Menge Ammoniumnitrat die Detonation verursacht haben. Es sei "unvertretbar", dass eine Ladung von schätzungsweise 2750 Tonnen der Substanz in einer Halle am Hafen gelagert worden sei, sagte der libanesische Ministerpräsident Hassan Diab in der Nacht zum Mittwoch dem Präsidialamt zufolge. Der Stoff sei dort sechs Jahre lang ohne Sicherheitsvorkehrungen gelagert worden.
Zuvor hatte es bereits entsprechende Spekulationen gegeben. Berichten zufolge hatten libanesische Behörden im Jahr 2013 einem Frachtschiff die Weiterfahrt wegen verschiedener Mängel untersagt, das von Georgien ins südafrikanische Mosambik unterwegs war. Der Besatzung gingen Treibstoff und Proviant aus, der Inhaber gab das Schiff dann offenbar auf. Der Crew wurde nach einem juristischen Streit schließlich die Ausreise genehmigt. Das Schiff blieb zurück mit der gefährlichen Ladung, die in einem Lagerhaus untergebracht wurde.
Ammoniumnitrat, das auch zur Herstellung von Sprengsätzen dienen kann, kann bei höheren Temperaturen detonieren. Die Substanz dient zum Raketenantrieb und vor allem zur Herstellung von Düngemittel. Die farblosen Kristalle befanden sich auch in dem Gefahrgutlager der chinesischen Stadt Tianjin, wo 2015 nach einer Serie von Explosionen 173 Menschen getötet wurden. In Deutschland fällt die Handhabung von Ammoniumnitrat unter das Sprengstoffgesetz.
Präsident Michel Aoun rief für Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung des Kabinetts ein, um die Ursachen der Explosion zu klären. "Ich werde nicht ruhen, ehe ich den Verantwortlichen kenne und ihm die härteste Strafe gebe", sagte Aoun laut Zitaten des Präsidialamts bei Twitter. Zudem kündigte er einen zweiwöchigen nationalen Notstand an.
Bei der Detonation hatte sich eine riesige Pilzwolke am Himmel gebildet. Eine Druckwelle breitete sich blitzschnell kreisförmig vom Hafen aus. Fensterscheiben gingen zu Bruch, große Teile des Hafens und Bereiche im Stadtzentrum wurden schwerbeschädigt. Augenzeugen sprachen von Leichen auf den Straßen und Menschen, die unter Trümmern begraben seien. Die Armee half, Verletzte in Krankenhäuser zu bringen. Bürger wurden aufgerufen, Blut zu spenden. Der Hafen liegt nur wenige Kilometer von der Innenstadt Beiruts entfernt.
Spekulationen aus dem Weißen Haus
Die konkreten Abläufe der Katastrophe sind noch unklar. Das hält US-Präsident Donald Trump allerdings nicht von höchst öffentlichen Spekulationen ab. Er hat die Explosionen nun als mutmaßlichen "Angriff" mit einer "Art von Bombe" bezeichnet.
"Es sieht wie ein furchtbarer Angriff aus", sagte Trump am Dienstag bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus. Auf Nachfrage führte der Präsident aus, seine Generäle hätten ihm gesagt, dass es sich allem Anschein nach nicht um einen Unfall, sondern um einen Angriff gehandelt habe. "Es war eine Art von Bombe, ja", sagte Trump. Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums wollte die Äußerungen des Präsidenten auf Anfrage zunächst nicht kommentieren.
Konkrete Belege, um seine Aussage zu untermauern, lieferte Trump nicht. Er nannte aber die Art der Explosion als Begründung. Auch waren seine Formulierungen teils sehr bestimmt, teils aber sehr vage: "Ich habe einige unserer großartigen Generäle getroffen, und sie schienen das Gefühl zu haben, dass es das (ein Angriff) war", sagte Trump. "Das war, es scheint ihnen zufolge zu sein - und sie wissen es besser als ich - aber sie scheinen zu glauben, dass es ein Angriff war."
Mitarbeiter der deutschen Botschaft unter den Verletzten
Unter den Verletzten sind auch Mitarbeiter der deutschen Botschaft. Das Gebäude, in dem sich die Botschaft befindet, sei beschädigt worden, teilte das Auswärtige Amt in Berlin darüber hinaus mit. Angesichts der starken Schäden im Stadtgebiet könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden, dass weitere deutsche Staatsangehörige unter den Opfern und Verletzten seien, hieß es.
spiegel
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