Deutschland streitet über Maskenpflicht

  06 Auqust 2020    Gelesen: 816
Deutschland streitet über Maskenpflicht

NRW greift durch: Maskenmuffel in Bus und Bahn sollen ohne Vorwarnung 150 Euro Bußgeld bekommen. Schüler sollen ab nächster Woche maskiert dem Unterricht folgen. Das löst bundesweit eine Debatte aus: Wie weit soll die Maskenpflicht gehen? Und ist sie wirklich effektiv?

Die Zahl der neuen Corona-Infektionen in Deutschland zieht merklich an: 741 neue Fälle meldet das Robert-Koch-Institut (RKI) am Mittwoch. Parallel zur beunruhigenden Trendwende bei den Fallzahlen sinkt die Bereitschaft unter den Deutschen, eine Maske zu tragen. Nordrhein-Westfalen reagiert nun heftig: 150 Euro Bußgeld sollen Maskenmuffel in Bussen und Bahnen bezahlen, vorgewarnt wird nicht mehr.

Verschärft Nordrhein-Westfalen die Maskenpflicht im Alleingang?

NRW hat den ersten Schritt getan und aus mehreren Bundesländern kommen positive Reaktionen zum strengen Masken-Bußgeld. "Wir finden die Idee gut", sagte Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Daniel Günther, sein Bundesland sieht bislang gar kein Bußgeld für Maskenmuffel vor. Niedersachsen möchte das Bußgeld nach NRW-Vorbild anheben und Bayern begrüßt die Verschärfung. Dort kann gegen Bürger, die sich weigern, eine Maske zu tragen, bereits ein Bußgeld von 150 Euro verhängt werden.

Die strengere Gangart NRWs für die Schulen - auch im Unterricht soll ab kommender Woche Maskenpflicht herrschen - wird von der Leopoldina gestützt. Die Nationale Akademie der Wissenschaften macht sich in einer Stellungnahme für Schutzmasken im Klassenzimmer stark. Ein Papier, an dem unter anderen der Charité-Virologe Christian Drosten und RKI-Präsident Lothar Wieler mitgearbeitet haben, empfiehlt, dass ab der fünften Klasse auch im Unterricht Maske getragen wird, wenn nicht ausreichend Abstand möglich ist. Demgegenüber steht eine zunehmende Zahl von Gegnern der Corona-Schutzmaßnahmen, die auch die Pflicht zum Maskentragen ablehnen. Am vergangenen Samstag protestierten in Berlin etwa 20.000 Menschen gegen die Corona-Politik.

Die Maske gehört seit Monaten zum Alltag - warum ist sie jetzt wieder Thema?

Menschen ohne Maske fallen vielen Deutschen seit einigen Wochen verstärkt auf - im Fernzug, in der U-Bahn, beim Späti-Kiosk um die Ecke. Und diese Beobachtung wird zunehmend durch Zahlen belegt: Allein die Berliner Verkehrsgesellschaft zählte in drei Wochen in Bussen und Bahnen der Hauptstadt rund 30.000 Verstöße gegen die Maskenpflicht, so meldete es der "Tagesspiegel". In anderen deutschen Städten gibt es ähnliche Erfahrungen. Offenbar macht sich eine gewisse Lässigkeit breit gegenüber der Gefahr einer Covid-19-Ansteckung wie auch gegenüber der bundesweit bestehenden Auflage, in Bus, Bahn und Handel eine Maske zu tragen.

Die Maskenmüdigkeit kommt zu einem schlechten Zeitpunkt. Bereits seit Mitte Juli zeigt die Statistik einen kontinuierlichen Anstieg der Neuinfektionen in Deutschland. Der positive Trend des Frühsommers kehrt sich um. Was Statistiker besonders beunruhigt: Die steigenden Zahlen lassen sich anders als im Juni nicht eindeutig einzelnen Hotspots zuordnen, sondern das Virus verbreitet sich schleichend in der Fläche, auch wieder in Landkreisen, die über lange Zeit gar keine Fälle mehr gemeldet hatten.

Das RKI sieht in dieser Entwicklung die Gefahr einer zweiten Welle nahen und appelliert an die Deutschen, die AHA-Regeln - Abstand, Hygiene, Alltagsmaske - einzuhalten. Doch mahnende Worte haben es schwer, wenn viele Ferien haben, verreist sind und der Sommer die Menschen in sorglose Stimmung versetzt.

Wenn sich das Virus jedoch in der Fläche und weitgehend auch ohne Superspreader-Ereignisse ausbreitet, bedeutet das, dass auch von seit Längerem wieder erlaubten Privatfeiern oder Arbeitsplätzen mit großem Kollegium ein Ansteckungsrisiko ausgeht. Das RKI hat es bislang noch nicht geschafft, das Meldesystem für die Gesundheitsämter so aufzustellen, dass man analysieren könnte, welche Art von Zusammenkünften bisher zu meisten Ansteckungen führt. Da solche Erkenntnisse also fehlen und damit auch die Möglichkeit, auf neu erkannte Risiken zu reagieren, scheint es umso wichtiger, die bekannten und effektiven Schutzmaßnahmen beizubehalten.

Ist das Maskentragen wirklich effektiv?

In asiatischen Ländern wie Südkorea, Japan oder China gehören Masken schon seit Langem zum normalen Alltagsbild. Das jedoch nicht nur wegen teils hoher Luftverschmutzung, sondern weil Asien in der Vergangenheit bereits deutlich mehr mit neu auftretenden Viren zu kämpfen hatte als europäische Staaten, unter anderem mit Sars und Mers, beide weniger ansteckend, aber aggressiver in ihrer Schädigung des menschlichen Organismus. Da das Maskentragen in der Bekämpfung solcher Viren bereits eine nachgewiesen erfolgreiche Rolle gespielt hat, wird ihre Effektivität in diesen Ländern kaum infrage gestellt.

In Europa und auf dem amerikanischen Kontinent ist die Maske als Alltagsgegenstand erst durch Corona angekommen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sträubte sich lange dagegen, das Tragen einer Maske zur Vermeidung einer Ansteckung mit Covid-19 zu empfehlen. Doch haben Wissenschaftler recht bald begonnen, die Wirkweise verschiedener Maskentypen zu untersuchen. In Deutschland forschte ein Team der Uni in Jena zur Effektivität der dortigen Maskenpflicht, die schon am 6. April eingeführt wurde, also weit früher als im übrigen Bundesgebiet. Der Vergleich mit Landkreisen und Städten, in denen bis Anfang April die Corona-Epidemie ähnlich verlaufen war wie in Jena, ergab einen deutlichen Vorteil für die Unistadt. Jenas Fallzahlen waren eindeutig niedriger als der Durchschnitt der Fallzahlen in den Vergleichsgebieten.

Neben Studien, die anhand von Ansteckungszahlen die Wirkung von Masken berechnen, gibt es auch solche, die sie in Laborversuchen testen. Wissenschaftler der Florida Atlantic University verglichen im Test für ihre Studie (Visualizing the effectiveness of face masks in obstructing respiratory jets: Verma et al., 2020) mit einer Modellpuppe, wie weit Hustentröpfchen und Aerosole ausgestoßen werden, wenn die Puppe unmaskiert ist oder verschieden verarbeitete Masken trägt. "Unsere Forscher haben nachgewiesen, wie Masken in der Lage sind, die Geschwindigkeit und die Reichweite von ausgeatmeten Tröpfchen und Luftströmen deutlich einzudämmen", fasste Stella Batalama, Dekanin am Fachbereich für Ingenieurs- und Computerwissenschaft, das Ergebnis der Studie zusammen. Konkret maßen die Forscher in Florida, dass ausgehustete Tröpfchen durch eine herkömmliche zweilagige Stoffmaske nur noch sechs Zentimeter weit flogen. Ohne Behinderung durch eine Maske kamen sie 2,5 Meter weit.

Kaum jemand benutzt seine Maske fachgerecht. Hilft sie trotzdem?

In der Tat sind wohl Zweifel berechtigt, ob die Bundesbürger ihren Mund-Nasen-Schutz tatsächlich wie empfohlen jeden Abend in 60 Grad warmes Wasser tauchen oder bügeln, um mögliche Viren an der äußeren Seite abzutöten. Wenn eine Maske jedoch nicht gereinigt wird, besteht das Risiko, dass man nach dem Anfassen des Stoffes das Virus auf weiteren Oberflächen verteilt, wenn man beispielsweise selbst infiziert ist und die Maske so kontaminiert hat. Riskant wäre das Anfassen auch, wenn die Maske Viren einer anderen Person auf der Außenseite abbekommen hat. Wer eine so kontaminierte Maske ungeschickt anfasst, könnte sich anschließend ungewollt selbst infizieren, wenn er den eigenen Mund, Nase oder Augen berührt.

Doch Sicherheitsbedenken, die auf solchen Befürchtungen resultieren, stammen zumeist aus der Zeit, als die Schmierinfektion noch als einer der zentralen Übertragungswege für Sars-CoV-2 galt. Inzwischen sprechen viele Forschungsergebnisse dafür, dass der Anteil von Ansteckungen über kontaminierte Flächen oder Stoffe bei höchstens 10 Prozent liegt. 90 Prozent der Infizierungen laufen über die Atemluft. Hier bietet die Maske Schutz.

Quelle: ntv.de


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