Alles passt auf Anhieb. Draufsetzten, wohlfühlen, losfahren, Spaß haben. Mehr Motorrad braucht man nicht. Diese drei kurzen Sätze fassen den prägenden Eindruck zusammen, den die neue KTM 390 Adventure nach rund 1000 Kilometern Testdistanz hinterlässt. Diese höchst vergnüglichen Kilometer wurden im bayerischen Voralpenland mit kurvigen kleinen und großen Straßen gesammelt, führten über Feld-, Wald- und Schotterwege, durch die Stadt und als Krönung bis hinauf zur Edelweißspitze am Großglockner.
Nie kam das Gefühl auf, auf einer "kleinen" Maschine zu sitzen oder etwa untermotorisiert zu sein. Die 6195 Euro kostende 390 Adventure ist ein ausgewachsenes Motorrad mit ausreichend Leistung und gelungener Fahrwerksabstimmung, sie glänzt mit idealer bequemer Sitzposition. Die Ausstattung mit einstellbaren Federelementen, Kurven-ABS, Traktionskontrolle, LED-Scheinwerfer und einem klar designten TFT-Display mit integrierter Koppelung für Smartphones lässt keine Wünsche offen und findet sich in dieser Fülle oft nicht mal bei größeren und deutlich teureren Motorrädern.
Nichts zum Bummeln und Schleichen
Für Dynamik sorgt dabei der äußerst drehfreudige, 373 Kubikzentimeter große Einzylindermotor, der mit seinen quicklebendigen 44 PS, die ab 9000 Umderhungen anliegen, ordentlich Spaß macht und wahrlich keine Verzichtserklärung ist. Mit spielerischer Leichtigkeit durcheilt man Kurven aller Art und stellt überrascht fest: Die überbordende Motorleistung heutiger Big-Bikes zusammen mit ihrem hohen Gewicht kann durchaus auch ein Stressfaktor sein. Der wahre Fahrgenuss auf der Landstraße liegt in der ausgewogenen Kombination von geringem Gewicht und adäquater Motorleistung. Erstaunlich gut funktioniert der Quickshifter, den es für zusätzliche 237 Euro fürs kupplungslose Wechseln der Gänge gibt. Mehr als eine nette Spielerei ist er wegen des perfekt schaltbaren Getriebes aber nicht.
Für gemütliches Bummeln oder gar Dahinschleichen ist die KTM dann aber doch nicht gemacht. Dem Firmenslogan "Ready to Race" wird auch die "Kleine" Abenteurerin auf ihre Art durchaus gerecht, denn sie erlaubt nicht nur engagiertes Fahren; der drehfreudige Motor und das sportliche Fahrwerk fordern es geradezu heraus. Und der schon erwähnte schnelle Kurvenlauf kompensiert am Ende die paar, auf der Bergauf-Geraden „verlorenen“ Meter. Am Ende, auf dem Gipfel, ist man der Sieger, denn während die verbissene Kehrenfeilerei für die Konkurrenz mit den schweren Maschinen oft in Arbeit ausartet, hat man das unbeschwerte Vergnügen auf seiner Seite und das breite Grinsen steht einem ins Gesicht geschrieben.
Das ändert sich auch an der Tankstelle nicht: Der Kraftstoffverbrauch pendelte im Test zwischen 2,8 und 3,1 Liter über 100 Kilometer, Passstraßen inklusive. Dabei wurde nicht langsam gefahren, allerdings war der Autobahnanteil gering. Mit einem Tankvolumen von 14,5 Litern kommt man so also gut 400 Kilometer weit. Wobei sich die kleine KTM im Test als voll langstreckentauglich gezeigt hat: Das "Popo-Meter" signalisierte auch nach 400 Kilometern Tagesstrecke noch Wohlbefinden.
Auch abseits der Straße zu Hause
Die 172 Kilogramm wiegende 390 Adventure ist als Straßenmotorrad konzipiert, mit dem sich sehr gut auch unbefestigte Wege befahren lassen. Aufgrund ihrer großen Reichweite dürfen diese auch weit abseits der Zivilisation liegen, Adventure eben. Zwar kann eine moderne, reinrassige Enduro offroad natürlich alles viel besser, doch erreicht sie wegen ihres winzigen Tanks erst gar nicht die Gegenden, in die man so gerne fahren würde.
Mit der 390 Adventure lassen sich lange Schotterpassagen gut meistern, bevorzugt im Sitzen, denn dafür stimmt die Ergonomie; fürs Fahren im Stehen passen die Parameter nicht wirklich. Durch gröberes unbefestigtes Terrain muss man sich sitzend eben etwas verhalten bewegen. Für die wenigen Passagen, die man im Stehen fährt, kommt man mit der serienmäßigen Auslegung zurecht. Der Bordcomputer bietet einen Offroad-Modus, in dem das Hinterrad-ABS deaktiviert ist. Großes Lob auch für die Bremsanlage, denn ein 2-Kanal-Kurven-ABS von Bosch ist in dieser Fahrzeugklasse einmalig.
Praxistauglich in allen Details
In puncto Praxistauglichkeit gibt sich die 390er ebenfalls keine Blöße: Spiegel, Schalter und Bedienelemente, Windschutz – der Windschild ist in zwei Stellungen montierbar – und Cockpit-Steckdose wie auch Positionierung eines Navigationsgerätes finden durchweg Beifall. Auch der Tankrucksack für zusätzliche 194 Euro ist funktionell einwandfrei, die beiden wasserdichten Seitentaschen für weitere 418 Euro aus einem Kunststoffgewebe werden mit dem altbekannten Roll-Stecksystem verschlossen. Die Befestigung ist gut gelöst, das Raumvolumen genügt allerdings für die oben geschilderten Abenteurerfahrten nicht mal ansatzweise. Aber dafür finden sich im KTM-Zubehörprogramm große Aluboxen. Die erlaubte Zuladung von 203 Kilogramm ist fürsorglich groß. Überzeugend ist auch die Verarbeitung der in Indien gefertigten Maschine.
Es steht zu vermuten, dass gerade engagierte Fahranfänger mit der KTM 390 Adventure glücklich werden. Warum? Nun, weil sie ein breites Einsatzspektrum bietet und alles sehr gut kann. Mit der Motorleistung wird man vermutlich auch nicht hadern, wenn die Erfahrung zunimmt und man sehr viel forscher unterwegs sein möchte. Der Routinier findet aus den oben geschilderten Gründen viel Gefallen an der Österreicherin: Leicht, Kurventreu und universell einsetzbar.
Und ganz ehrlich: Nach Jahrzehnten mit großvolumigen und leistungsstarken Motorrädern kommt immer öfter der Wunsch nach "back to the roots" auf, und den erfüllt die KTM 390 Adventure perfekt. Sie passt aber auch für Besitzer einer großen Maschine als Zweitmotorrad für alles, das sich zudem auf dem Anhänger unkompliziert mit in Urlaub nehmen lässt und leichte Geländeausflüge ermöglicht.
Quelle: ntv.de, Ulf Böhringer, sp-x
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