Die Rückkehr von 152 Behältern mit Atommüll aus Frankreich nach Deutschland dürfte Jahrzehnte länger dauern als geplant. Es geht um Abfälle mittlerer Radioaktivität, die bei der sogenannten Wiederaufbereitung im französischen La Hague entstanden sind. Dabei wird nukleares Material aus alten Brennstäben gewonnen.
Deutschland hatte sich eigentlich verpflichtet, den bei der Wiederaufbereitung anfallenden Atommüll bis spätestens 2024 zurückzuholen. Inzwischen schätzt die Bundesregierung, dass das Material schlimmstenfalls erst "Mitte der Vierzigerjahre" komplett ins Zwischenlager Ahaus überführt ist. Intern wird die Jahreszahl 2047 genannt.
Grund für die Verzögerung ist, dass ein Joint Venture deutscher Energiekonzerne, die sogenannte Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS), gemeinsam mit dem französischen Industriekonzern Orano einen neuen Behälter für den Transport entwickelt, den sogenannten TGC27. Dabei gab es technische Komplikationen. Ein erstes Modell des Behälters hatte sich als zu schwer für bestimmte Transportkräne erwiesen.
Wegen der Verzögerung wird der erste TGC27 nun wohl erst Mitte der Zwanzigerjahre produziert, wenn der Atommüll eigentlich komplett zurückgeholt sein sollte. Da die Transportkapazitäten limitiert sind und Atommülltransporte als politisch heikel gelten, dürfte die vollständige Rückführung danach noch viele Jahre dauern.
Bereits existierende Behälter des Typs TN85 wollte die GNS für die anstehenden Transporte nicht nutzen, obwohl in diesen schon hoch radioaktive Abfälle aus La Hague zurückgeholt wurden. Beim TN85 ist Orano alleiniger Hersteller. Die Franzosen sollen die TN85 explizit für den Transport des mittelmäßig radioaktiven Atommülls vorgeschlagen haben.
Mit den neuen TGC27-Behältern dürften die GNS und Orano rund 300 Millionen Euro umsetzen. An den TN85-Behältern hätte nur Orano verdient.
"Ein letztes Mal Geld machen"
Die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für nukleare Sicherheit, Sylvia Kotting-Uhl, sagt, die deutschen Atomkonzerne wollten "über die GNS offenbar noch ein letztes Mal Geld machen". Die GNS indes argumentiert, mittelmäßig radioaktive Abfälle seien für TN85 zu schwer.
Die verspäteten Rücktransporte könnten die deutsch-französischen Beziehungen belasten. In La Hague müssten wegen des deutschen Atommüllstaus womöglich die Zwischenlager ausgebaut werden, schreibt die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Franzosen Anspruch auf finanzielle Entschädigung erheben.
Verantwortlich wären zunächst die Energiekonzerne. Letztinstanzlich haftet allerdings die Bundesregierung. Sie musste Frankreich einst schriftlich zusichern, dass sie notfalls dafür gerade steht, dass der deutsche Atommüll in jedem Fall zurück nach Deutschland gelangt.
Die Abfälle mittlerer Radioaktivität sind die letzten, die aus der Wiederaufbereitung aus La Hague nach Deutschland zurückgeholt werden sollen. Zuvor hatte sich schon der Rücktransport anderer Atommüllsorten teils um Jahre verzögert.
Der deutsche Atommüll dürfe nicht ohne Not für weitere Jahrzehnte im Ausland schlummern, sagt Kotting-Uhl. Das gelte umso mehr, da das Bundesumweltministerium Frankreich für dessen Atompolitik häufig kritisiere.
spiegel
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