Die Opposition in Belarus (Weißrussland) will mit dem autoritären Präsidenten Alexander Lukaschenko weiterhin direkten Kontakt aufbauen. Es habe bereits erste Versuche gegeben, sagte der frühere Kulturminister Pawel Latuschko, der sich dem Koordinierungsrat der Opposition angeschlossen hat. Bislang habe das Gremium keine Antwort von Lukaschenko erhalten. Die Demokratiebewegung strebe aber den Dialog an.
Die Lukaschenko-Gegner kündigten für Sonntagnachmittag eine weitere Massendemonstration auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz in der Hauptstadt Minsk an. Unterdessen gingen die Proteste weiter. In den Städten Brest und Grodno sammelten sich in der zwölften Nacht in Folge Tausende Menschen auf den Straßen und demonstrierten für einen Machtwechsel. Auch in Minsk kamen zahlreiche Menschen auf dem Unabhängigkeitsplatz zusammen. Sie schwenkten Fahnen und skandierten: "Nur vorwärts! Nur gemeinsam! Gemeinsam werden wir siegen!"
In Belarus waren nach der Abstimmung Proteste und Streiks ausgebrochen. Es sind die größten Demonstrationen, die es in der autoritär geführten Ex-Sowjetrepublik jemals gegeben hat. Lukaschenko hatte sich trotz massiver Manipulationsvorwürfe zum haushohen Sieger mit 80 Prozent der Stimmen erklären lassen. Er klammert sich trotz des Drucks aus dem In- und Ausland an der Macht fest. Lukaschenko bestätigte am Mittwochabend auch die Regierung, alle Minister behielten ihren Posten.
Die Opposition erkennt das Ergebnis nicht an, hat aber immer wieder Dialogbereitschaft mit der Führung in Minsk signalisiert. Auch die EU hatte am Mittwoch die Opposition bestärkt und in einem Sondergipfel erklärt, dass Ergebnis nicht anzuerkennen. Die Demokratiebewegung in Belarus begrüßte die EU-Entscheidung. Die Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa wünscht sich, dass Brüssel und Moskau den Dialog in dem Land zwischen der Zivilgesellschaft und dem Machtapparat unterstützen.
Koordinierungsrat will Wandel herbeiführen
Kolesnikowa sitzt wie der ehemalige Minister Latuschko im Präsidium des neuen Koordinierungsrates. Dieser verabschiedete am Mittwoch bei seiner ersten Sitzung eine Resolution für den Wandel in dem Land, das zwischen EU-Mitglied Polen und Russland liegt. In der Resolution fordert die Opposition ein Ende der Gewalt gegen friedliche Demonstranten, die Freilassung aller politischen Gefangenen und Neuwahlen. Latuschko betonte, dass kein Umsturz der Verfassungsordnung geplant sei. Auch außenpolitisch bleibe das Land auf dem bisherigen Kurs einer engen Anbindung an Russland.
Lukaschenko hatte den Koordinierungsrat für illegal erklärt und damit gedroht, ihn aufzulösen. Latuschko erkennt dennoch Fortschritte: Der Machthaber habe damit wenigstens anerkannt habe, dass das Gremium existiere. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Niels Annen, bezeichnete die Demonstrationen in Belarus als "sehr beeindruckend". Der SPD-Politiker sagte der "Rhein-Neckar-Zeitung": "Die Menschen gehen unter großem persönlichen Risiko und unter Gefahr für Leib und Leben in einem autoritär geführten Staat auf die Straße. Die Ketten der Angst scheinen gesprengt." Es gehe in Belarus um die demokratische Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger, nicht um Geopolitik. "Die Zukunft von Belarus muss in Minsk entschieden werden", betonte Annen.
Die CDU pocht auf eine internationale Vermittlung etwa durch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. "Belarus braucht einen durch internationale Organisationen wie der OSZE vermittelnden Dialog, um den Weg zu Neuwahlen unter internationaler Beobachtung herbeizuführen", sagte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. Am Mittwoch hatte Ziemiak in Vilnius, der Hauptstadt Litauens, Swetlana Tichanowskaja getroffen. Die oppositionelle Präsidentschaftskandidatin lebt seit kurzem aus Furcht vor Übergriffen im EU-Land Litauen im Exil. Belarus ist neben 56 anderen Staaten Mitglied in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.
Quelle: ntv.de, ino/dpa
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