Torwart
Bayern Münchens Nummer eins Manuel Neuer ist noch immer einer der besten Torhüter auf dem Planeten. Das bewies der 34-Jährige zuletzt mal wieder in der 60. Minute des Halbfinals gegen Olympique Lyon mit einer Weltklasse-Parade gegen den völlig frei stehenden Karl Toko Ekambi. Neuer kennt die großen Finalsituationen, im Champions-League-Endspiel 2013 und bei der WM 2014 konnte er jeweils die Trophäe in den Abendhimmel recken, weil er maßgeblich zu den Erfolgen beitrug. "Wenn man gegen Manuel Neuer eine Eins-gegen-eins-Situation hat, dann ist das schon etwas Anderes", schwärmt deshalb Vorgänger Oliver Kahn. "Manuel ist einfach einmalig."
Keylor Navas, der PSG im Halbfinale gegen RB Leipzig noch verletzt fehlte, kehrt wohl ins Tor zurück und kann spielen. Der costa-ricanische Torhüter bringt eine ähnliche Erfahrung wie Neuer mit, er gewann zwischen den Pfosten von Real Madrid die Königsklasse von 2016 bis 2018 dreimal in Folge. Ersatzmann Sergio Rico dürfte in einem Finale ungleich nervöser agieren. Auf dem Leveln von Manuel Neuer sind jedoch beide nicht.
Vorteil Bayern: Aufgrund seiner Ausstrahlung und seiner Stärke im eins-gegen-eins ist Neuer der bessere Keeper.
Abwehr
PSG hat die beste Abwehr der Champions League, fing sich im Schnitt nur in jedem zweiten Spiel ein Tor. In sieben von zehn Spielen in der Königsklasse behielten die Franzosen eine Weiße Weste. Thiago Silva ist an guten Tagen, und davon hat er dieses Jahr viele, immer noch ein Weltklasse-Abwehrchef und Nebenmann Presnel Kimpembe verteidigt in seiner kantigen Art vieles weg.
Der FC Bayern stellte in der Bundesliga zwar die beste Defensive, in der Königsklasse kassierte er aber pro Spiel 0,8 Tore. Dennoch kann sich der Rekordmeister eigentlich immer auf die Innenverteidigung mit David Alaba und dem nach seiner Muskelverletzung im Halbfinale wohl fitten Jérôme Boateng verlassen. Letzterer verhinderte gegen Lyon in der Anfangsphase mit einer Heldengrätsche den Rückstand und ist wieder eine Stütze im Bayern-Spiel geworden. Road-Runner Alphonso Davies auf links sowieso.
Aber die Hintermannschaft der Münchner leistete sich im Halbfinale sowie bereits gegen Barcelona ungewöhnlich große Schnitzer. Die Viererkette stand zu hoch und wurde mehrmals überspielt. Das könnte PSG bestrafen, wenngleich die Offensive von Lyon auch aus Stürmern der Extraklasse bestand. Möglicherweise wird Weltmeister Benjamin Pavard rechts hinten starten für eine defensivere Ausrichtung. Joshua Kimmich würde dann ins Mittelfeld vorrücken.
Vorteil PSG: In den vergangenen sieben Spielen fing sich der französische Meister lediglich ein Tor aus dem Spiel heraus - Atalanta Bergamos 1:0 wurde dann in den letzten Minuten der Partie gerade noch gedreht. Bayerns hochstehende Abwehrreihe muss aufpassen gegen die pfeilschnell konternden Pariser.
Mittelfeld
Bayern spielt unter Cheftrainer Hansi Flick im 4-2-3-1. Thiago ist nach seiner Verletzungspause wieder zum Gestalter des Spielaufbaus geworden, auch weil Joshua Kimmich auf die rechte Verteidigerposition rückte. Zwar überraschte der Spanier mit für ihn untypischen Abspielfehlern im Halbfinale gegen Lyon, aber in Normalform ist er ein technisch sehr starker Dirigent mit einer guten Übersicht. Weil Thiago weiter hinten auf dem Feld positioniert wird, pflügt Leon Goretzka dominant übers Feld und setzt offensiv gefährliche Akzente. Sollte Kimmich wieder ins Mittelfeld rücken, müsste einer der beiden seinen Platz räumen. Das Niveau in der Zentrale dürfte damit aber sogar noch angehoben werden. Der wiedergenesene Corentin Tolisso zeigte gegen Lyon direkt gute Ansätze und steht als Einwechsler bereit.
PSG läuft unter Thomas Tuchel im 4-3-3 auf und rückt nie von dieser Formation ab. Marquinhos wird als alleiniger Sechser von Leandro Paredes und Ander Herrera umgeben. Alle drei haben zwar internationale Klasse, mehr aber auch nicht, und könnten mit der geballten Bayern-Offensive und -Intensität durchaus Probleme bekommen. Julian Draxler und Marco Verratti sind zwar sehr veritable Einwechseloptionen, aber haben auf der europäischen Ebene noch nie wirklich nachhaltig auf sich aufmerksam machen können.
Vorteil Bayern: Der deutsche Rekordmeister hat im Mittelfeld mehr Qualität, besonders dann, wenn Kimmich dort spielen sollte. Gegen Goretzkas Power kommt PSG auch nicht an. Allerdings müssen die Ballverluste unbedingt abgestellt werden, vielleicht wird Thiago in seinem letzten Spiel für die Münchner deswegen auf die Bank verbannt.
Angriff
Es ist das Duell des besten Mittelstürmers der Welt gegen die absoluten Megastars. Robert Lewandowski gegen Neymar und Kylian Mbappé. Unglaubliche 55 Tore kann der Bayern-Stürmer diese Saison aufweisen. Mbappé hat 25 Treffer weniger erzielte. Neymar war immer wieder verletzt, aber traf in lediglich 15 Ligaspielen starke 13-mal und steuerte zusätzlich sechs Assists bei. In der Champions League netzte der Brasilianer allerdings nur dreimal in seinen sechs Spielen, sein französischer Sturmpartner fünfmal in neun Partien. Lewandowski lässt die beiden daher mit seinen 15 Königsklassen-Treffern durchaus alt aussehen - auch wenn er mit seinen 32 Jahren der älteste in diesem Trio ist. Insgesamt ist das PSG-Duo aber absolute Weltklasse, 160 Pflichtspieltore erzielten sie gemeinsam für den Klub aus der französischen Hauptstadt.
Neymar ließ gegen Atalanta Bergamo und gegen RB Leipzig beste Chancen aus, Lewandowski tat es ihm gleich gegen Lyon. Ungewöhnlich für die Torjäger. Es wird sich zwar wieder viel auf die beiden konzentrieren, aber gegen Barcelona und Lyon waren für die Bayern andere die Entscheider - und genau das ist die Stärke der Münchner. Thomas Müller ist derzeit vielleicht der beste Müller, den es je gab, und zeigte besonders im Barça-Spiel, wie er an großen Aufgaben in wichtigen Spielen wächst. Rechts offensiv nähert sich Serge Gnabry immer mehr der Weltklasse an und gilt nicht erst seit seinem Lyon-Kracher als Mann für die besonderen Momente. Auf der linken Seite zeigt sich Ivan Perisic derzeit ebenfalls in Torlaune und seine Aggressivität tut dem Bayern-Spiel gut. Kingsley Coman könnte als dribbelnde Geheimwaffe nach einer Einwechslung für die Entscheidung sorgen oder sogar den Vorzug vor dem Kroaten bekommen. Als ehemaliger PSG-Profi dürfte er extra motiviert sein.
Aber natürlich hat auch Paris neben Neymar und Mbappé noch einiges an Offensivpower zu bieten. Ángel di María bewies der Welt mit seinem Assist und Tor gegen Leipzig, was für ein feines Füßchen er immer noch besitzt. Mauro Icardi, immerhin fünf Tore in sieben CL-Spielen dieses Jahr, musste in der Startelf Mbappé weichen und weil Eric Maxim Coupo-Mouting das Viertelfinale gegen Bergamo entschied, bekam er zuletzt sogar den Vorzug vor dem achtmaligen argentinischen Nationalspieler.
Unentschieden: Auf dem Papier haben die Bayern in der Offensive klar die Nase vorn. Und von der Kaderbreite im Angriff und der Form her kann den Münchnern niemand etwas vormachen. Allerdings können Neymar und Mbappé an einem guten Tag jedes Team der Welt im Alleingang besiegen. Diese spezielle Extraklasse hat der FC Bayern (noch) nicht.
Fazit
Der FC Bayern München muss dieses Spiel gewinnen. Auf dem Papier zumindest. Dort hat Paris St. Germain nur in der Abwehr einen minimalen Vorsprung, ansonsten läuft der deutsche Rekordmeister den Franzosen den Rang ab. Aber das Endspiel der Champions League findet auf dem Rasen und nicht auf dem Papier statt. Doch wenn die Männer von Hansi Flick ihre Abspielfehler und die etwas zu hoch stehende Defensive korrigieren, müsste der Henkelpott nach München wandern. Allerdings könnte ein Sahnetag Neymars oder ein früher Treffer durch Mbappé alles umwerfen. Die Münchner mussten im K.o.-Turnier bisher nie mit einem Rückstand umgehen. Sollte dieser Fall im Finale erstmals eintreten, haben sie aber so viel Qualität und Power in der Offensive, um umgehend antworten zu können. Und hinten wacht ja immer noch Weltklasse-Keeper Neuer.
Quelle: ntv.de
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