Der Fall Nawalny als Fassade für Hass

  05 September 2020    Gelesen: 779
Der Fall Nawalny als Fassade für Hass

Endlich darf wieder nach Herzenslust gegen Putin gehetzt werden. Dabei muss man eigentlich keine große Leuchte sein, um zu erkennen, dass ein Anschlag auf Alexej Nawalny dem Kreml schadet und westlichen Akteuren nutzt. Doch das ist egal, denn schon lange haben russophobe Politiker und Medien auf ihre Chance gelauert - welch ein perfides Spiel...

Es ist wieder soweit, und alle haben sie sich darauf gefreut: Norbert Röttgen, chancenloser Kandidat auf den CDU-Vorsitz und transatlantischer Hardliner, sicher auch die Grünen, deren Russophobie so tief sitzt, als hätte Wladimir Putin jedem einzelnen von ihnen als Kind den Lutscher geklaut. Dann natürlich die Bildzeitung mit ihrem „Konflikt-Analysten“ und Kiew-Fanboy Julian Röpcke, der wohl liebend gern persönlich an der Spitze einer Nato-Armee in Moskau einreiten würde.

Richtig unappetitlich wurde es, als in der öffentlich-rechtlichen Sendung „Phoenix Runde“ vom 3.9. mit dem Titel „Der Fall Nawalny – Wie umgehen mit Putin“ die Grünen-Politikerin Marieluise Beck die Sendezeit für Hetz-Tiraden gegen den Kreml nutzen durfte. Zur Einordnung: Beck ist nachweislich für die westliche Desinformationsfabrik „Integrity Initiative“ tätig, die mit Geld aus dem britischen Außenministerium und der Nato seit Jahren in riesigem Ausmaß mit Fake News Russland diffamiert. Besagte Phoenix-Sendung wurde diverse Male in der ARD wiederholt.

Cui Bono?
Verstehen Sie mich richtig: Ein Gift-Anschlag – egal auf wen – ist selbstverständlich schlimm und zu verurteilen! Solche Methoden gehören in einen James-Bond-Film oder wahlweise in einen Hollywood-Film über den Kalten Krieg, nicht aber in die Realität. Doch sollte die Frage nach dem schwerwiegenden Vorfall nicht lauten „Wie umgehen mit Putin?“, sondern „Cui bono?“. Denn wem nützt ein Anschlag auf den Blogger Nawalny und wem schadet er politisch?

Nawalny selbst ist und war für den Kreml keine Gefahr. Selbst die Deutsche Presse-Agentur DPA musste 2018 einräumen, dass die Beliebtheit des Oppositionellen in Russland im unteren einstelligen Prozentbereich liegt. Auch wenn westliche Medien ihn gerne zum „schärfsten Konkurrenten Putins“ hochstilisieren, entspricht dies noch nicht einmal entfernt der Wahrheit. Abgesehen davon vertritt Nawalny eine ultranationalistische Politik, die mit den ach so wichtigen Werten der westlichen Staatengemeinschaft wohl kaum in Einklang zu bringen ist.

Verfallsdatum überschritten…
Nun also wollen die Ärzte der Berliner Charité das Nervengift Nowitschok im Blut Nawalnys nachgewiesen haben. Das mag stimmen und wäre – wie gesagt – schlimm und zu verurteilen. Aber wen soll man da eigentlich verurteilen? Muss „der Russe“ wieder herhalten, nur, weil Nowitschok in den 70er Jahren in der Sowjetunion entwickelt wurde? Müssten nach dieser Logik nicht eigentlich auch die Ukraine, Georgien oder Weißrussland in den Fokus geraten? Übrigens ist spätestens seit dem Gift-Anschlag auf Sergej Skripal 2018 bekannt, dass sich auch der deutsche BND in den 90er Jahren Nowitschok beschaffte. Gleiches wird dem britischen Geheimdienst nachgesagt.

In so manch verrotteter Lagerhalle aus Sowjet-Zeiten wird auch heute noch das Nervengift zu finden sein, ebenso wie in den gut bewachten Laboren ausländischer Geheimdienste. Nun also einen Mann mit Nowitschok zu vergiften – und sei es nur der Versuch – der in Russland lediglich eine untergeordnete Rolle spielt, im Westen aber als der führende Kopf einer Protestbewegung seit Jahren inszeniert wird, lässt bei klarem Verstand doch eher andere Akteure als Drahtzieher vermuten, als Wladimir Putin persönlich.

Die Interessen liegen auf der Hand
Denn eines ist seit Jahren klar: Würde der Kreml politisch auch nur die kleinste Angriffsfläche bieten, würden führende westliche Politiker dies umgehend zum Anlass nehmen, das für Moskau wichtige Gas-Projekt Nord Stream 2 umgehend zum Abschuss freizugeben. Genau das passiert gerade. Wem würde es eigentlich nutzen, wenn Nord Stream 2 gestoppt wird?

In erster Linie gäbe es aus wirtschaftlicher Sicht fast nur Verlierer. Außer natürlich die USA, denen das Projekt schon lange ein Dorn im Auge ist, denn die Etablierung von US-Fracking-Gas auf dem europäischen Markt ist dem Weißen Haus selbstredend lieber, als die Gazprom-Flatrate aus dem Osten. In Saudi-Arabien ist die enorme Abneigung gegen die russische Pipeline ebenfalls Staatspolitik. Doch wer auch nur den leisesten Verdacht äußert, irgendein anderes Land als Russland könnte hinter dem Gift-Anschlag auf Nawalny stecken, bekommt umgehend den Stempel des Verschwörungstheoretikers aufgedrückt.

Es geht nicht um Aufklärung…
Sind wir ehrlich: Der Fall wird wohl nie aufgeklärt. Denn hätte „der Westen“ tatsächlich sichere Beweise für die Beteiligung Russlands, würden nicht schon wieder die absurden Beweis- und Logikketten vorgetragen, die schon im Fall Skripal die Intelligenz beleidigten. Und würde „der Kreml“ sichere Beweise vorlegen, die auf einen anderen Drahtzieher als Moskau verweisen, würden diese Belege im Westen dementiert und diskreditiert. Es geht deutschen Wut-Politikern aber – wenn überhaupt – nur am Rande um Aufklärung. Lieber positionieren sie sich medial wirksam mit markigen Kampfansagen und Drohgebärden. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer etwa, die Russland ein „aggressives Regime“ nennt, das seine Interessen „ohne Skrupel mit Gewalt durchzusetzen“ versuche. Oder Grünen-Chefin Annalena Baerbock, die aktuell im „Spiegel“ fordert, Deutschland dürfe „dieses korrupte Regime nicht weiter unterstützen“. Wenn das die außenpolitische Linie einer zukünftigen schwarzgrünen Bundesregierung ist, dann gute Nacht, Marie.

Endlich haben wir die ersehnten Gründe, wieder kräftig aufzurüsten und Steuergelder in Militärtechnik zu pumpen. Das freut die CDU, das freut die Nato, das freut Donald Trump. Aber im Ernst: Wollen wir hoffen, dass in einigen Wochen wieder Gras über das politische Getöse gewachsen ist, wie es in der Vergangenheit zumeist der Fall war. Denn alles andere würde eine internationale Eskalation bedeuten, in der Rüstungskonzerne und die USA erneut ein böses Spiel auf dem Schachfeld Europa austragen. Eine neue Partie hat begonnen, die erste Figur wurde bereits verschoben. Diese Figur heißt Alexej Nawalny.

sputniknews


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