Hoffenheims Niederlage beim BVB:Spiel verloren, Ansehen gewonnen

  29 Februar 2016    Gelesen: 1049
Hoffenheims Niederlage beim BVB:Spiel verloren, Ansehen gewonnen
Es war ein Schlagabtausch der Taktik-Spezialisten. Der Sieger: BVB-Coach Thomas Tuchel. Der schwärmte nach Dortmunds Sieg gegen Hoffenheim nicht vom eigenen Team - sondern von TSG-Trainer Julian Nagelsmann.
Thomas Tuchel bereitete es offenkundig Freude, seinem Kollegen Julian Nagelsmann die Bühne zu überlassen. Der Dortmunder Trainer empfand den 3:1 (0:1)-Erfolg seiner Mannschaft gegen 1899 Hoffenheim als "super wichtigen Sieg", fühlte sich "toll". Noch mehr schwärmte er aber vom "leidenschaftlichen und sehr gut organisierten Gegner, der sich aktuell total der Idee verschreibt, die vorgegeben wird."

Nagelsmann hatte einen Plan entwickelt, um Dortmund beizukommen. "Der BVB hatte wenige Lösungen im Spielaufbau", sagte der 28-Jährige, der in seiner dritten Bundesligapartie zum dritten mal mit einer neuen Defensivkonstruktion spielen ließ. Nach einer Dreierkette in Bremen (1:1) und einer Viererabwehr gegen Mainz (3:2) verteidigte nun eine Fünferkette. Der junge Trainer fügt sich in die Reihe von Kollegen wie Tuchel oder Bayern-Coach Josep Guardiola ein, die je nach Gegner und Trainingswoche neue Pläne aushecken, die Systeme variieren und auch im Spiel massiv Einfluss nehmen.
Gegen Dortmund wurde Mitte der ersten Halbzeit unter den Hoffenheimer Profis ein Zettel mit Anweisungen herumgereicht. "Der BVB hat die Spieleröffnung ein bisschen umgestellt, erst haben sie mit drei Spielern eröffnet, dann mit vier, daraufhin haben wir unsere Grundordnung in der Defensive angepasst", erklärte Nagelsmann. Das Konzept für diese Anpassung wurde per Zettel an die Profis kommuniziert - so wie Guardiola es vergangenen Dezember im Spiel der Bayern gegen Ingolstadt tat.

"Das hat mit dem Hoffenheim von vorher nichts mehr zu tun"

Das Detail verdeutlicht, wie Nagelsmann arbeitet. Er hat eine völlig verunsicherte Mannschaft in ein Team verwandelt, das den Dortmundern lange ebenbürtig war. "Das hat mit einer Mannschaft, die auf dem vorletzten Tabellenplatz steht und mit der Art und Weise wie Hoffenheim bis vor wenigen Wochen gespielt hat, wenig bis gar nichts zu tun", sagte Tuchel.

Der BVB-Coach war einst mitverantwortlich dafür, dass Nagelsmann überhaupt Trainer wurde. Als Tuchel in Augsburg Übungsleiter der zweiten Mannschaft war, hatte Nagelsmann soeben seine Spielerkarriere verletzungsbedingt beenden müssen. Tuchel beauftragte ihn damit, Gegner zu sichten und zu analysieren. Das war 2008. Nun trafen sich beide in der Bundesliga. Der Sieger des Taktik-Duells hieß Tuchel - auch wenn sein Team dafür eine Rote Karte für den Gegner benötigte.

Sebastian Rudy, der Hoffenheim in der 26. Minute in Führung gebracht hatte, beging in diesem Schlüsselmoment der Partie ein taktisches Foul an Pierre-Emerick Aubameyang. Die Grätsche kam von hinten, sodass Schiedsrichter Peter Sippel sich für einen Platzverweis entschied (58. Minute). "Keine Muss-Rote-Karte, aber vertretbar", sagte Nagelsmann. Das war eine angenehm unaufgeregte Reaktion auf die Szene, die nicht nur 1899-Torhüter Oliver Baumann als "spielentscheidend" bezeichnete.

Andere Bundesligaprotagonisten hätten vermutlich gewütet und gezetert, Nagelsmann tüftelte lieber an einem neuen Plan, räumte später aber ein: "Wir haben viel rumüberlegt, ob wir noch umstellen können, um für ein bisschen Entlastung zu sorgen, haben aber keine Lösung gefunden." In Überzahl entwickelten die Dortmunder noch Siegeshunger. "Wir haben physisch sehr viel investiert, das ist auch vom mentalen Aspekt nicht einfach", sagte Tuchel, dessen Team die Partie durch späte Tore von Henrich Mchitarjan (80.), Adrián Ramos (85.) und Aubameyang (90.) gedreht hatte.

Nun wartet der FC Bayern

Und auch auf Dortmunder Seite war ein Eingriff des Trainers mitentscheidend. Die Einwechslung von Ilkay Gündogan für den schwachen Shinji Kagawa wertete das Spiel deutlich auf. Der Reaktion von BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke war anzumerken, wie wichtig das war. Die Bedeutung dieses Sieges erschloss sich ja bei nüchterner Betrachtung der Tabelle zunächst nicht. Die Bayern liegen acht Punkte vor der Borussia, und der Abstand auf Rang vier ist nach diesem Spieltag auf 18 Punkte angewachsen.
Der sehr mitgenommen wirkende Watzke erzählte dennoch, er sei "fix und fertig", nach diesem "furchtbaren" Fußballnachmittag. Anscheinend träumen sie in Dortmund noch davon, den Rückstand auf den FC Bayern im direkten Duell mit den Münchnern am kommenden Wochenende auf fünf Punkte zu verkürzen, was die Aussicht auf ein spannendes Saisonfinale zur Folge haben könnte. Und mit Pep Guardiola ist dann wie an diesem Sonntag erneut ein Trainer zu Gast in Dortmund, mit dem Tuchel sich ein aufregendes Duell der Strategen von der Seitenlinie liefern kann.

Borussia Dortmund - TSG Hoffenheim 3:1 (0:1)
0:1 Rudy (25.)
1:1 Mchitarjan (80.)
2:1 Ramos (85.)
3:1 Aubameyang (90.+2)
Borussia Dortmund: Bürki - Schmelzer, Subotic, S. Bender, Piszczek - Weigl (74. Ramos), Sahin (74. Leitner), Kagawa (46. Gündogan), Mchitarjan, Reus - Aubameyang
TSG Hoffenheim: Baumann - Kaderabek, Süle, Bicakcic, Toljan - Strobl, Rudy, Amiri (63. Polanski), Schär - Volland (72. Hamad), Uth
Zuschauer: 81.359 (ausverkauft)
Schiedsrichter: Peter Sippel
Gelbe Karten: -
Rote Karten: Rudy

Tags:  


Newsticker