Ein libyscher Milizenführer, dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und weitere schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, hat sich offenbar jahrelang in Deutschland unbehelligt medizinisch behandeln lassen. Laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" hatte er zusammen mit vier seiner Brüder in der Stadt Tarhuna eine Privatarmee aufgebaut und Befehle erteilt. Der Gruppe werden Morde, Folter und Entführungen an der Zivilbevölkerung zur Last gelegt. Tarhuna ist etwa 65 Kilometer von der libyschen Hauptstadt Tripolis entfernt. Auch sollen Truppen der Miliz bei Angriffen auf die Hauptstadt und andere Orte Wohngebiete beschossen haben.
Zuletzt hatte sich der Mann, Abderrahim al-Kani, im Januar und Februar dieses Jahres in der Universitätsklinik Bonn behandeln lassen. Als Grund für seinen Aufenthalt nannte ein Vertreter al-Kanis der Ausländerbehörde "Verletzungen durch eine Explosion", die er sich nach Angaben aus Libyen bei Kämpfen um die Stadt Msallata Ende Dezember zugezogen hatte. Der Generalbundesanwalt und das Bundeskriminalamt wurden sowohl über seinen Aufenthalt in Deutschland informiert als auch über die Vorwürfe gegen ihn.
Die Anklagebehörde beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wandte sich schriftlich mit der Bitte an die deutschen Behörden, "Optionen und Ermittlungsmöglichkeiten" in Bezug auf al-Kani zu besprechen. Sie wies darauf hin, dass in Libyen gegen al-Kani ein Haftbefehl des Generalstaatsanwalts der international anerkannten Regierung besteht. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" prüfte der Generalbundesanwalt, ein Verfahren zu eröffnen. Al-Kani wurde zur Kontrolle durch die Bundespolizei ausgeschrieben
Verbündeter von Khalifa Haftar
Dennoch konnte er Mitte Februar Deutschland verlassen und nach Libyen zurückkehren. Seine Miliz hatte sich dort an einer Offensive des Kriegsherrn Khalifa Haftar zur Eroberung der Hauptstadt Tripolis beteiligt. Wegen der Lage von Tarhuna als Brückenkopf für den Vormarsch wurden die Kani-Brüder zeitweise zu den wichtigsten Verbündeten Haftars, der sich zum Diktator über ganz Libyen aufschwingen wollte.
Nachdem im Juni Regierungstruppen Tarhuna eingenommen hatten und die Kani-Brüder mit ihren Milizionären geflohen waren, wurden in der Stadt acht Massengräber mit mindestens 230 Leichen gefunden. Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen setzte eine Ermittlungskommission ein, UN-Generalsekretär António Guterres forderte "eine gründliche und transparente Untersuchung, und dass die Täter vor Gericht gestellt werden".
Im Auswärtigen Amt heißt es, al-Kani habe 2017 ein deutsches Visum erhalten, allerdings in einem Pass unter anderem Namen. Danach konnte er weiter mit einer für die Behandlung einer Krebserkrankung ausgestellten Aufenthaltsgenehmigung einreisen. Die beteiligten deutschen Behörden lehnten eine Stellungnahme ebenso ab, wie der Internationale Strafgerichtshof und die Universitätsklinik Bonn. Versuche, al-Kani in Libyen für eine Stellungnahme zu erreichen, blieben erfolglos.
Quelle: ntv.de, hek
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