Citroën Ami - Plastikwürfel mit E-Antrieb

  09 September 2020    Gelesen: 659
  Citroën Ami - Plastikwürfel mit E-Antrieb

Dass die Elektromobilität der Heilsbringer für den urbanen Individualverkehr ist, glaubt heute keiner mehr. Dennoch hat Citroën ein Auto auf die Räder gestellt, das genau in diesen Raum passt. Es macht Mängel zu Vorzügen, kostet nicht viel und ist bereits mit dem Rollerführerschein zu fahren.

Es war im März 2019, als Citroën auf dem Autosalon in Genf einen 2,41 Meter langen Plastikwürfel mit E-Antrieb vorstellte und behauptete, dass das die Lösung urbaner Mobilität in der Zukunft wäre. Nun darf man dieses Gefährt damals wie heute belächeln und muss auch anmahnen, dass die große Idee, das Elektroauto zum Heilsbringer der individuellen Mobilität in der Stadt zu machen, grandios gescheitert ist. Das hat viele Ursachen, die hier aufzuzählen den Rahmen eines Fahrberichts sprengen würden.

Daran wird auch der Citroën Ami, so der Name des französischen Elektrowürfels, nichts ändern. Aber vielleicht sind ja einige Ideen, die die Ingenieure in das Stadtmobil gesteckt haben, hilfreich bei dem nächsten Schritt. Da wäre zum Beispiel der Umstand, dass man so einen Ami einfach an der Haushaltssteckdose laden kann. Tatsächlich befindet sich der Stecker in einem Fach in der linken Tür und lässt sich wie bei einem Haushaltsstaubsauger herausziehen. Nun ja, bei dem würde sich das Teil dann auch wieder per Federmechanismus aufrollen, aber so weit hat es beim Ami nicht gereicht.

6000 Euro und Rollerführerschein

Egal, der französische Winzling ist mit einer 5,5-kWh-Batterie ausgestattet, die ihn mithilfe eines 9 PS starken Elektromotors immerhin 75 Kilometer voranbringt. Das ist nicht viel? Nein, ist es nicht. Aber die Idee des Ami ist tatsächlich, als reines Stadtauto zu fungieren. Und damit das auch klappt, wird der E-Würfel auch maximal 45 km/h schnell. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass der Akku die oben angegebene Strecke halten soll und weil das Elektromobil so auch mit dem Führerschein der Klasse AM bewegt werden kann. Kurz, es reicht der Rollerführerschein.

Insofern ist der Ami dann irgendwie auch ein E-Roller auf vier Rädern. Nur haben der Fahrer und sein Beifahrer den Vorteil, bei Regen nicht nass zu werden und im Winter, dank einer Heizung, nicht frieren zu müssen. Aber das war es dann auch schon mit den Luxus-Beigaben. Zugunsten eines Preises, der im Frühjahr 2021, wenn der Ami auch in Deutschland zum Verkauf steht, bei 6000 Euro starten soll, wurde auf vieles verzichtet. Die Türschlösser muten an wie die aus dem Spind in der Schule, das Zuziehen und Öffnen von innen erfolgt über farbige Kunststoffschlaufen und die einzige Polsterung der Plastikschalensitze sind mit Kunstleder überzogene, etwa drei bis vier Zentimeter dicke Schaumstoffkissen.

Kopfsteinpflaster und Massagesitze

Auch auf ein Radio oder Navi haben die Franzosen verzichtet. Ist aber gar nicht schlimm, das übernimmt ohnehin in der heutigen Zeit das Smartphone und deshalb gibt es auch gleich eine variable Halterung für alle Größen. Wer Musik hören will, kann sich in die dafür vorgesehene Aussparung oberhalb der Armatur, die neben der Geschwindigkeit auch den Akkustand anzeigt, eine Bluetooth-Box stellen und die ebenfalls mit dem Smartphone verbinden. So gesehen muss man im Ami eigentlich nichts entbehren und die ebenfalls ins Kalkül der potenziellen Käuferschaft einbezogenen 15- bis 16-Jährigen dürfte das alles auch herzlich wenig interessieren.

Denen dürfte auch egal sein, dass der Ami eigentlich ohne Federkomfort fährt. Schlaglöcher reicht er beflissen an die Insasse weiter und bei der Fahrt über Kopfsteinpflaster gerät die Sitzschale in solche Vibrationen, dass man das gut und gerne als Massagesitz verkaufen könnte. Wenn die Sonne durch die großen Glasflächen strahlt, kann es im Ami schnell kuschelig warm werden. Aber auch da hat Citroën eine Idee, wie man dem beikommen kann. Inspiriert vom 2CV, der legendären Ente, hat man auch dem Ami seitliche Klappfenster gegeben. Mit einem ordentlichen Druck auf den massiven Plastikriegel wird der untere Teil der Scheibe freigegeben und kann nach oben ausgeklappt werden. Dort verriegelt sie, auf dass die Scheibe nicht bei der nächsten Bodenwelle wieder nach unten fällt.

Einfach Luxus

So mit allem Luxus auf das Einfachste ausgestattet, kann man sich ganz auf den Stadtverkehr konzentrieren. Und das gelingt gut. Die Rundumsicht ist grandios, die Geschwindigkeit wirkt entschleunigend und der Wendekreis ist mit nur 7,20 Metern eigentlich eine Drehung auf der Stelle. Nur an die Bremse ohne Bremskraftverstärker muss man sich gewöhnen und ihr für einen rechtzeitigen Stopp recht nachdrücklich einen Befehl erteilen.

Nun mag der kritische Leser anmerken, dass das ja alles gut und schön ist, aber so ein 2,41 Meter langes, 1,39 Meter breites und 1,52 Meter hohes Fahrzeug taugt ja dann wohl nicht zum Einkaufen. Ähm, ja, also Fahrten zu Möbelmarkt, um dort ein Bücherregal einzusacken, sind tabu. Keine Chance. Aber der normale Einkauf im Supermarkt sollte eigentlich ganz gut funktionieren. Citroën hat dem Ami zwar keine Kofferraum gegeben, aber dafür den Sitz des Beifahrers arretiert und in dessen Fußraum reichlich Platz für Einkaufstaschen geschaffen.

Für 20 Euro im Monat

Wer jetzt immer noch nicht bereit ist für den Steckdosen-Ami, könnte sich am Ende von den Kundenfahrten "à la carte" verführen lassen. Über ein Online-Tool geht es mit nur wenigen Klicks zu den drei Optionen: Sharen, Leasen, Kaufen. Dabei dürfte das Langzeitleasing wohl die attraktivste Form sein. In Frankreich ist der Ami ab einer monatlichen Leasingrate von 20 Euro zu bekommen.

Aber Achtung, wer sich hier verführen lassen will, sollte ganz genau prüfen, wie seine Wege, die er mit dem Elektrowürfel zurücklegen will, gestaltet sind: Sind sie kürzer als 75 Kilometer? Und wenn nicht, habe ich die Möglichkeit, eine Steckdose zum Aufladen zu benutzen. Die Befüllung des Akkus ist übrigens nach drei Stunden abgeschlossen. Befinden sich auf meinen Strecken Autobahnen? Die darf ich mit dem Ami nämlich nicht befahren, denn er ist nicht in der Lage, mindestens 60 km/h zu fahren. Und selbst auf Landstraßen wird sich der Ami-Pilot mit maximal Tempo 45 keine Freunde machen.

Aber wie gesagt, in der Stadt ist der putzige Franzose ein Hingucker. Der bunte Plastikwürfel zieht jedenfalls mehr Blicke auf sich als ein Ferrari oder Lamborghini. Und wenn die Leute ihn entdeckt haben, dann passiert etwas, was beim Blick auf ein Auto nur selten vorkommt: sie lächeln!

Quelle: ntv.de


Tags:


Newsticker