Hält "Impfung zweiter Klasse" Pandemie auf?

  11 September 2020    Gelesen: 611
Hält "Impfung zweiter Klasse" Pandemie auf?

Im Kampf gegen Corona ist das Tragen von Masken ein wichtiger Hygiene-Baustein. Einer neuen Theorie zufolge könnten sie sogar der Schlüssel im Umgang mit der Pandemie sein, bis es einen Impfstoff gibt. Dahinter steckt eine alte Idee aus Asien.

Es verschwindet einfach nicht. Das Coronavirus hält sich trotz Lockdowns und weiterhin vieler Schutzmaßnahmen hartnäckig auf der ganzen Welt. Um den hochansteckenden Erreger endlich loszuwerden, wird wohl nur ein ausreichend wirksamer Impfstoff helfen, glauben viele Experten. Zwar sind derzeit Dutzende Impfstoffkandidaten bereits in der heißen Erprobungsphase. Ob die ersehnte Zulassung jedoch bald bevorsteht, bleibt fraglich. Der jüngste Stopp der Studie zum eigentlich so erfolgversprechenden Astrazeneca-Vakzin macht dies einmal mehr deutlich.

Ein neues Konzept für den Umgang mit der Pandemie ohne wirksamen Impfstoff haben nun Forscher aus den USA vorgestellt. Es basiert auf dem Prinzip einer schon sehr alten Methode: der sogenannten Variolation. Diese Technik wurde schon vor langer Zeit, spätestens ab dem 15. Jahrhundert, in Asien eingesetzt, um Seuchen einzudämmen. Die Idee dahinter: Gesunden wird gezielt eine geringe Dosis des Erregers verabreicht, wodurch sie nur mild erkranken und nach ihrer Genesung immun gegen das Virus sein sollen.

Keine Variolation im herkömmlichen Sinn

Das könnte, so glauben die Autoren der im "New England Journal of Medicine" veröffentlichten Analyse, auch im Kampf gegen das Coronavirus funktionieren. Allerdings anders als bei der klassischen Variolation, bei der etwa Material aus den Wunden von Pocken-Kranken auf kleine Wunden von Gesunden aufgebracht wurde, um diese damit anzustecken. Allerdings war diese primitive Impf-Methode auch mit hohen Risiken verbunden.

Bei dem Konzept der US-Forscher handelt es sich vielmehr um eine moderne Variante der Variolation. Bei dieser spielen Mund-Nasen-Schutzmasken die entscheidende Rolle. Kommen diese breit zum Einsatz, so die Theorie, werden nicht nur Neuinfektionen reduziert, sondern Gesunde auch einer viel geringeren Dosis von Coronaviren ausgesetzt. Wer also dennoch erkrankt, entwickelt dann keine oder nur leichte Symptome. Bisherige Studien zum Coronavirus stimmen die Autoren zuversichtlich, dass dieses Konzept tatsächlich funktioniert.

Je weniger, desto besser

Die US-Forscher verweisen etwa auf Erkenntnisse aus Studien, laut denen Gesichtsmasken je nach Beschaffenheit die Menge an ausgestoßenen Viren mehr oder weniger reduzieren. Eine weitere Säule ihres Konzepts ist die "langjährig bewährte" Theorie, dass die Schwere einer Erkrankung mit der Menge aufgenommener Erreger zusammenhängt. Die Faustregel dabei: je weniger, desto besser.

Als Beispiel für die Stichhaltigkeit ihres Entwurfs führen die Autoren zwei Corona-Ausbrüche in der US-Fleischindustrie an, in deren Folge alle Arbeiter in den Fabriken zum Tragen von Masken verpflichtet wurden. Von den mehr als 500, die sich schließlich dennoch mit dem Coronavirus ansteckten, hatten 95 Prozent gar keine und fünf Prozent nur milde bis mittelschwere Symptome.

Wenn sich viele Menschen infizieren, ohne Symptome zu entwickeln - wie es derzeit etwa in Teilen Spaniens oder Frankreichs beobachtet wird - sind sie nachher immun gegen den Erreger, so die Hoffnung. Die Gefahr einer wiederholten Ansteckung durch das Virus halten die Autoren aufgrund bisheriger Erfahrungen für gering. Das konsequente Tragen von Masken könne daher zu einer schrittweisen Immunisierung der Bevölkerung beitragen - und damit die Weiterverbreitung des Virus hemmen. Jedenfalls so lange, bis es irgendwann doch einen Impfstoff gibt.

"Spannend und nachvollziehbar"

In Deutschland sind die Reaktionen auf die Thesen aus den USA bereits positiv: Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der die Studie auf Twitter verbreitete, sprach von einer "sehr spannenden Analyse". In der dargestellten Hinsicht könne man Masken auch als "Impfung zweiter Klasse" bezeichnen, so Lauterbach. Die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek, die aus dem Corona-Podcast des NDR bekannt ist, nannte die Studie auf Twitter "spannend und nachvollziehbar".

Die Autoren selbst betonen allerdings, dass es noch vieler weiterer Studien bedürfe, um die Richtigkeit ihrer Theorie zu prüfen. Auch weisen sie darauf hin, dass im Ringen mit der Pandemie nicht nur schwere Erkrankungen, sondern auch die Häufigkeit der Übertragungen reduziert werden müssten. Es gebe jedoch immer mehr Hinweise darauf, so schließen sie, dass konsequentes Maskentragen der Schlüssel dafür sein könnte.

Quelle: ntv.de


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