Drosten hält Deutschland nicht für besser gewappnet als andere Länder

  24 September 2020    Gelesen: 471
Drosten hält Deutschland nicht für besser gewappnet als andere Länder

Kommt jetzt die zweite Welle? Deutschland könne dies möglicherweise verhindern, sagte der Virologe Christian Drosten im ZDF - und äußerte sich auch zu einem Interview, in dem er eine deutliche Warnung ausgesprochen hatte.

"Die Pandemie wird jetzt erst richtig losgehen. Auch bei uns." Dieser Satz stammt von Christian Drosten - aus einem Interview, das der Virologe dem World Health Summit gemeinsam mit dessen Präsident Detlef Ganten gegeben hat. Obwohl das Gespräch offenbar bereits vor mehreren Wochen stattfand, wurde es erst am Mittwoch veröffentlicht. Daher hat Drosten seine Einschätzung zur Lage in Deutschland am Mittwochabend im ZDF präzisiert: Aus einer Perspektive mitten im Sommer habe er gesagt, "das wird noch mal kommen". Aus der heutigen Einschätzung aber gebe es etwa für die nächste Woche keinen Grund, sich spezielle Sorgen zu machen.

"Aber so kurz zu blicken, ist auch ganz falsch in dieser Situation", so Drosten, Leiter der Virologie an der Berliner Charité. Man müsse sich jetzt auch für Deutschland vorstellen, "dass das so kommen kann und wahrscheinlich wird wie in den Nachbarländern" und sich überlegen, wie das in der Frühphase verhindert werden könne. Den richtigen Zeitpunkt zu finden, "ist in der unmittelbaren nächsten Zeit die größte Herausforderung."

Bevölkerung in Deutschland "extrem gut" informiert
Deutschland sei ungefähr so gut gewappnet wie die europäischen Nachbarländer. Zwar gebe es einige grundlegende Unterschiede etwa in den Familienstrukturen und auch in der Informiertheit der Bevölkerung, die Drosten hierzulande als "extrem gut" einschätzt. "Aber insgesamt sollten wir uns nicht einbilden, dass wir in einer Sonderrolle sind oder irgendwie gesegnet", so der Virologe. Stattdessen solle man sich klarmachen, dass es sich bei Corona um ein Naturphänomen handele, "dem wir früh begegnen müssen, nicht erst, wenn es zu spät ist. Dann wird es anstrengend und mühsam und auch schmerzhaft."

Die momentane Situation in Deutschland schätzt der Experte als gut ein, da "wir noch ganz früh dran sind, das Ganze gut beobachten können und alle Chancen haben, früh einzuschreiten und das tatsächlich zu kontrollieren. Ich halte es für möglich, dass wir in Deutschland diese, sagen wir mal, zweite Welle verhindern können." Das könne aber nur mit einer großen Konzentriertheit der ganzen Gesellschaft gelingen.

Drosten stellte in dem Video-Interview mit dem ZDF daher auch die Verantwortung des Einzelnen in den Mittelpunkt. "Es müssen alle aufmerksam sein, das ist das Allerwichtigste!", so sein Appell, denn kein Ministerium und keine Behörde könne so tief in den Alltag wirken. Prinzipien müssen "verstanden sein, und ich glaube, das ist bei uns in Deutschland sehr gut gelungen", sagte Drosten. "In anderen Ländern ist das nicht so. In anderen Ländern weiß man in der Öffentlichkeit gar nicht, was eine Aerosol-Übertragung ist, man bezweifelt auch, dass das überhaupt relevant ist und alle desinfizieren sich ständig die Hände." In Deutschland seien die Menschen in dem Zusammenhang sehr gebildet.

Der Einzelne aber müsse sich immer wieder die Frage stellen, welche Entscheidung er als mitdenkender Bürger für sich selbst und sein Umfeld treffe. Als Beispiele nannte er Feiern und Familientreffen: "Muss ich die Geburtstagsfeier in zwei Wochen, auch wenn ich es darf, mit 40 Leuten durchführen? Oder sollte man das vielleicht mal dieses Jahr verkleinern?" oder "Wie machen wir das mit Besuchen im Familienkreis? Wie können wir Oma und Opa zwar sehen, aber wie können wir vereinbaren, dass wir vielleicht als Familie vorher uns in eine kurze Quarantäne begeben?".

Noch viel Arbeit in den Schulen zu leisten
Im Bereich der Schulen sei Deutschland bislang noch weniger gut vorbereitet. So sei schon seit April bekannt, dass verschiedene Altersgruppen ungefähr gleich viel Virus ausschieden. Seither sei aber relativ wenig zusätzliche Arbeit geleistet worden, um mit einer Situation umzugehen, die entstehen könne, wenn Infektionen in den Schulen weiter zunehmen. "Wir müssen da Handlungsmöglichkeiten finden, wie man Schulen nicht immer gleich schließen muss wegen ein paar Fällen." Gleichzeitig müsse man "natürlich sehr früh bemerken, wenn sich ein Cluster einstellt." An dieser Stelle sei auch im Organisatorischen noch viel Arbeit zu leisten.

Gut aufgestellt sieht Drosten die Krankenhäuser. Die Ärzte hätten eigenen Aussagen zufolge viel gelernt über die Behandlung der Erkrankung. Zudem sei es vollkommen richtig, die Intensivbettenkapazitäten jetzt wieder für etwas anderes zu nutzen. "Da kann man, glaube ich, gut planen", so Drosten. "Die Bettenkapazität, die damals ja geschaffen wurde im Frühjahr, die lässt sich relativ gut wieder reaktivieren, weil viele Prozesse, viele Umorganisationen jetzt einmal eingeübt worden sind in den Kliniken."

spiegel


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