Das Elektroauto gilt als Klimahoffnung im Verkehr - deshalb bezuschussen Regierungen den Kauf der Stromer massiv mit Steuergeldern. In Deutschland bekommen Autofahrer 6000 Euro vom Staat geschenkt. Zusätzlich fahren E-Autos durch die Reform der Kfz-Steuer bis 2025 steuerfrei, parken in vielen Innenstädte umsonst und werden als Dienstwagen niedrig besteuert.
Etwas aus dem Blick gerät angesichts des Subventionsregens, dass das E-Auto gerade einen ureigenen Vorteil zu verlieren droht, für den es keiner Staatshilfe bedarf: Die im Vergleich zu Autos mit Otto- oder Dieselmotor niedrigen Betriebskosten. Das Versprechen, elektrisch fahre man günstiger, wackelt.
Ein Beispiel: Im Juni - also vor der zeitweiligen Senkung der Mehrwertsteuer - lag der Preis für Diesel laut ADAC im Durchschnitt bei 108,6 Cent. Ein aktueller Golf mit einem 150 PS starken Zweiliter-TDI verbraucht laut ADAC Ecotest auf 100 Kilometer 4,8 Liter Diesel. Die Kosten lägen damit bei 5,21 Euro.
eGolf auf 100 Kilometer teurer als ein Diesel
Zum Vergleich: Ein VW eGolf verbraucht laut ADAC Ecotest auf 100 Kilometer 17,3 Kilowattstunden. Bei einem Haushaltsstrompreis von 31 Cent pro Kilowattstunde entstünden Kosten von 5,36 Euro - und damit mehr als beim vergleichbaren Diesel. Die Idee, dass sich ein Elektroauto über die Jahre dank niedriger Fahrtkosten quasi von allein finanziert, funktioniert nicht mehr.
Für den Kauf eines E-Autos seien geringere Energiekosten aktuell kein Argument, sagt deshalb Eric Heymann, Ökonom bei Deutsche Bank Research. "Man müsste derzeit ausschließlich zu Hause laden, um bei den Kosten überhaupt mit einem Verbrenner mithalten zu können." Gerade an öffentlichen Stromtankstellen oder Schnellladesäulen sei das Laden oft sogar noch teurer, fügt Heymann an.
Insbesondere an Autobahnen wirkt sich das stark aus. So kostet beispielsweise bei Ionity, einem Betreiber zahlreicher Schnellladestationen an Autobahnen, eine Kilowattstunde 77 Cent. Für 100 Kilometer Fahrstrecke mit dem eGolf werden dort 13,32 Euro fällig - mehr als das Doppelte im Vergleich zum Diesel-Golf. Die Energiekosten alternativer Antriebe entwickeln sich damit in die gegenteilige Richtung der Fahrzeugpreise, erklärt Ökonom Heymann. "In den nächsten Jahren werden E-Autos auch im Volumensegment nicht mehr viel teurer sein als Modelle mit Verbrenner", so Heymann. "Wenn man die Masse der Käufer vom E-Auto überzeugen will, müssen dessen Betriebskosten aber niedriger sein als die eines Verbrenners."
Plug-in-Hybride könnten noch seltener geladen werden
Dieser Nachteil werde künftig zu einem Hindernis für die Elektromobilität. Denn Autofahrer schauen generell stark auf die Kosten pro gefahrenen Kilometer. Der Wertverlust - obwohl größter Kostenfaktor beim Autobesitz - spiele für viele private Kunden eine untergeordnete Rolle, so der Ökonom. Weiterhin für E-Autos sprechen geringere Wartungskosten, weil sie über weniger Verschleißteile verfügen.
Die höheren Energiekosten machen jedoch nicht nur reine E-Autos im Betrieb teurer. "Gerade bei den ohnehin umstrittenen Plug-in-Hybriden kann das dazu führen, dass es günstiger ist, Benzin oder Diesel zu tanken, als Strom an der Ladesäule zu laden und elektrisch zu fahren", warnt Ruth Blanck vom Ökoinstitut.
Das sei aus ökologischer Sicht ein Problem, so Blanck, "da die Fahrer jeden Tag neu entscheiden können, ob sie tanken oder laden". Besonders bei Plug-in-Hybriden mit einem Dieselmotor ist das Tanken schnell attraktiver als das zeitintensivere Laden. Bei einem Stromverbrauch im rein elektrischen Fahrmodus von rund 22 Kilowattstunden auf 100 Kilometer würde diese Strecke bei einem Preis von 31 Cent pro Kilowattstunde 6,82 Euro kosten. Der Mercedes E300de, ein Diesel-Plug-in, verbrauchte im Test der "Autobild" mit leerem Akku auf 100 Kilometer 6,2 Liter Diesel. Bei einem Dieselpreis von 108,6 Cent pro Liter wie im Juni kosten die 100 Kilometer so nur 6,73 Euro.
Höherer Spritpreise vermutlich nur schwer durchsetzbar
Bei den weiter verbreiteten Benzin-Hybriden ist das rein elektrische Fahren zwar in der Regel noch günstiger - bei beiden kommt jedoch ein weiteres Problem hinzu: Plug-in-Hybride sind aufgrund der günstigeren Besteuerung beliebte Dienstwagen. Gibt es vom Arbeitgeber eine Tankkarte dazu, ist der Anreiz das Fahrzeug auch wirklich zu laden, noch geringer. So zeigte eine britische Studie, dass zahlreiche Dienst-Plug-ins offenbar nie geladen wurden.
"Wenn sich der Trend sinkender Ölpreise verstetigt und man hier nicht politisch gegensteuert, wäre das ein katastrophales Signal", warnt Ruth Blanck. Man konzentriere sich in Deutschland zu stark darauf, E-Autos in den Markt zu bringen, tue aber zu wenig dafür, Verbrenner unattraktiver zu machen. "Die Energiekosten eines Verbrenners dürfen nicht unter denen eines Elektroautos liegen, langfristig muss elektrisches Fahren günstiger sein", fordert Blanck deshalb.
Durch Subventionen vergünstigte Strompreise halten sowohl Blanck als auch Ökonom Heymann aber für den falschen Weg. Der Staat könne die Steuern auf fossile Kraftstoffe mit einer Übergangsfrist schrittweise erhöhen, um die externen Kosten beim Verbrennen fossiler Brennstoffe besser sichtbar zu machen, erklärt Heymann. Hier sei aber fraglich, ob das in einem Land mit über 40 Millionen Autofahrern durchsetzbar sei.
Strompreis bleibt voraussichtlich auf hohem Niveau
Der ab 2021 gültige CO2-Aufschlag von rund 7,5 Cent pro Liter gehe zwar in diese richtige Richtung, so Heymann: "Er ist aber - hochgerechnet auf einen Liter Kraftstoff – nicht besonders groß", schränkt Heymann ein. Glaubt man dem Ökonomen, wird sich auch nächstes Jahr am Problem der vergleichsweise hohen Energiekosten für elektrisches Fahren nichts ändern.
Es wäre naiv, auf stark steigende Ölpreise zu vertrauen, so Heymann. Tatsächlich rechnet etwa Ölmulti BP inzwischen mit stark sinkender Nachfrage beim Öl, was den Preis dämpfen würde. Beim Strompreis gebe es im besten Fall keinen Anstieg, sinkende Preise seien unrealistisch.
Auch beim Vergleichsportal Verivox geht man davon aus, dass die Strompreise im kommenden Jahr auf hohem Niveau stagnieren werden, erklärte ein Sprecher auf Anfrage. Zwar werde die EEG-Umlage auf 6,5 Cent je Kilowattstunde gedeckelt, man rechne jedoch mit anziehenden Preisen im Großhandel und auch nicht mit einer Entlastung bei den Netzentgelten.
Ökonom Heymann: "Das Problem des Betriebskostennachteils der E-Autos bleibt deshalb voraussichtlich erhalten."
spiegel
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