Schließung der Grenzen schadet der europäischen Wirtschaft massiv
Das hat sich seit Beginn der Flüchtlingskrise geändert. Auf einmal stehen sie wieder da: die Polizisten und Zollbeamten, die man längst verschwunden glaubte. Immer mehr EU-Staaten stellen das grenzenlose Reisen, diese Errungenschaft der europäischen Integration, infrage. Sie kontrollieren ihre nationalen Grenzen. Schon jetzt bilden sich täglich Warteschlangen. Doch was passiert, wenn in ganz Europa wieder die Schlagbäume fallen?
In Brüssel warnt die EU-Kommission vor den dramatischen Folgen für den Schengen-Raum. "Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen würde gewaltige ökonomische, politische und soziale Kosten nach sich ziehen", schreibt die Behörde in einem Papier, das aufzeigen soll, wie Schengen gerettet werden kann. Der Entwurf liegt der SZ vor.
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Die Grenzkontrollen würden die Bürger nicht nur der Möglichkeit des freien Reisens berauben, sondern auch den Binnenmarkt beschädigen. Die EU-Kommission rechnet mit einer Belastung der europäischen Wirtschaft von insgesamt sieben bis 18 Milliarden Euro pro Jahr. Das entspräche maximal 0,13 Prozent der Wirtschaftsleistung im Schengen-Gebiet. Das mag auf den ersten Blick nicht gerade viel sein, aber die Folgen für die Unternehmen wären deutlich spürbar.
Arbeitnehmer im Stau, weniger Touristen - die Kosten summieren sich
Am stärksten und unmittelbarsten treffen Grenzkontrollen den Güterverkehr auf der Straße. Aber nicht nur Lkw stehen dort im Stau; auch 1,7 Millionen Arbeitnehmer, die täglich innerhalb der EU über Grenzen zur Arbeit fahren. Nach Berechnungen der Brüsseler Behörde kämen auf die Unternehmen, die diese Menschen beschäftigen, Kosten zwischen 2,5 und 4,5 Milliarden Euro zu. Und das alles nur wegen verlorener Wartezeit an den Grenzen. Auch der Tourismus würde leiden. Der EU-Kommission zufolge würden weitaus weniger Besucher nach Europa kommen. 13 Millionen Übernachtungen gingen dadurch verloren, ein Milliardenverlust für die europäische Tourismusindustrie.
Und dann gebe es natürlich noch die administrativen Kosten von mindestens einer Milliarde Euro. Wer Grenzkontrollen einführt, braucht mehr Polizei und Zollbeamte. Sicherlich müsste auch der eine oder andere Grenzposten (wieder) errichtet werden. Das wären dann wohl "weitere mehrere Milliarden", wie die EU-Kommission schreibt. An ihren Warnungen soll es nicht gelegen haben, wenn sich die Mitgliedstaaten doch entschließen sollten, längerfristig dauerhafte Grenzkontrollen einzuführen. Jean-Claude Juncker, der Präsident der Brüsseler Behörde, sagte jedenfalls schon einmal deutlich: "Wer Schengen killt, wird im Endeffekt den Binnenmarkt zu Grabe tragen."
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Bis Ende des Jahres sollen die Grenzkontrollen wieder aufgehoben sein
Eigentlich sind Grenzkontrollen nur an den Außengrenzen des Schengen-Raums vorgesehen. Zurzeit gilt aber eine Ausnahmeregel. In Notlagen dürfen die Kontrollen sechs Monate lang in Kraft bleiben. Bei einer Gefährdung des Schengen-Raums können sie um bis zu zwei Jahre verlängert werden. Deutschland hatte im November Grenzkontrollen eingeführt, diese wurden im Februar bis Mitte Mai verlängert.
Die EU-Kommission hat nun eine "Roadmap" skizziert, um Schengen wieder voll funktionstüchtig zu machen. Als erstes soll Griechenland geholfen werden, die EU-Außengrenzen zu sichern, mit Hilfe von Frontex. Spätestens Mitte Mai soll Athen über die Fortschritte berichten. Im Herbst soll die europäische Grenz- und Küstenwache einsatzbereit sein. Bis Ende des Jahres sollen dann alle Grenzkontrollen wieder aufgehoben sein. So lautet zumindest das Ziel der Europäischen Kommission. Jetzt müssen noch die EU-Staaten mitziehen.