„Krieg der Sterne aus Ramstein“ – Kritik am neuen Nato Space Center

  26 Oktober 2020    Gelesen: 442
„Krieg der Sterne aus Ramstein“ – Kritik am neuen Nato Space Center

Die Verteidigungsminister des nordatlantischen Bündnisses haben sich laut Nato-Generalsekretär Stoltenberg auf die Errichtung des neuen Nato Space Centers in Ramstein geeinigt. Dieses soll die Streitkräfte bei ihren Operationen aus dem Weltraum unterstützen. Kritiker warnen vor einer neuen Kriegsfront und einem gefährlichen Wettrüsten.

Die Nato sei entschlossen, in allen Bereichen auf dem neuesten Stand zu bleiben: Land, Meer, Luft, Cyber- ​​und Weltraum. Das teilte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag nach einer Videokonferenz mit den Verteidigungsministern des Bündnisses mit. „Letztes Jahr haben wir den Weltraum zum operativen Bereich der Nato erklärt. Und heute haben wir einen weiteren wichtigen Schritt getan. Die Minister einigten sich darauf, ein neues Nato-Weltraumzentrum beim ‚Allied Air Command‘ in Ramstein einzurichten.“

Folgende Aufgaben sollen dort Stoltenberg zufolge übernommen werden:

-        Hilfestellung bei der Koordinierung von Weltraumaktivitäten;

-        Unterstützung von Nato-Missionen und -Operationen aus dem Weltraum, einschließlich Kommunikation und Satellitenbildern;

-        Schutz alliierter Raumfahrtsysteme durch Austausch von Informationen über potenzielle Bedrohungen.

Gleich im nächsten Punkt erklärte er, dass das wachsende russische Arsenal nuklearfähiger Raketen eine ernste Herausforderung darstelle. Die Alliierten hätten bereits ein umfassendes Reaktionspaket politischer und militärischer Maßnahmen vereinbart, so Stoltenberg.

Wie sich die Bundeswehr in das Projekt für das Space Center einbringen wird, ist noch unklar. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bekräftigte am Rande der Beratungen lediglich, dass Deutschland trotz den Herausforderungen durch die Corona-Pandemie dazu stehe, künftig zehn Prozent der Fähigkeiten innerhalb der Nato zu stellen.

Nachdem US-Präsident Donald Trump 2019 die US-Weltraumstreitkräfte „Space Force“ gründete und von einer „amerikanischen Überlegenheit im Weltraum“ sprach, sehen nun auch Deutschland sowie die Nato immer mehr ein „neues Operationsgebiet“ im All.

Erst kürzlich (am 21. September 2020) hatte Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ein neues Weltraumoperationszentrum eröffnet. Damit wolle sie die Fähigkeiten Deutschlands zum Schutz eigener Satelliten verstärken. Die Indienststellung des „Air and Space Operations Center“ (ASOC) in Uedem (Nordrhein-Westfalen) sei ein erster Schritt für das Planen und Führen von Weltraumoperationen, sagte die CDU-Chefin dort.

Wettrüsten im All

Nun kommt mit dem Nato Space Center offenbar der nächste Schritt. Vor einer neuen Front im All warnen Verteidigungsexperten der Linksfraktion. Die Linke lehne die Gründung des „Weltraum-Zentrums“ der Nato in Ramstein sowie die Beteiligung der Bundeswehr an „diesem neuen Krieg der Sterne“ entschieden ab. „Der Nato geht es nicht um Verteidigung im Weltraum, sondern um militärische Dominanz vor allem gegen Russland und China, nun auch aus dem All. Dadurch wird der Frieden auf der Erde nicht sicherer, schon gar nicht in Europa“, erklärt Alexander S. Neu, Obmann im Verteidigungsausschuss. Er fordert die Bundesregierung auf, die Einbindung von Ramstein in die Weltraumpläne der USA und der Nato zu verhindern und stattdessen die Schließung der US-Luftwaffenbasis Ramstein sowie den vollständigen Abzug der US-Truppen aus Deutschland zu erwirken.

„Die Nato bereitet sich auf einen Krieg im All vor“, bestätigt Tobias Pflüger, Verteidigungspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Sputnik-Interview.

„Das Weltall wird heute schon für Kriege mitbenutzt. Es ist eine Entwicklung, die diese Dimension viel deutlicher in Zukunft für die weiteren Kriege, die folgen werden, mitbenutzen wird. Und da wird das Space Center der Nato eine ganz zentrale Rolle spielen“, glaubt der Bundestagsabgeordnete.
Zwar beteuern die Nato und das Bundesverteidigungsministerium immer wieder, dass es sich dabei nicht um Aufrüstung handele, so Pflüger. „Natürlich geht es um eine Aufrüstung, weil wir natürlich wissen, dass von den Satelliten, die genutzt werden, eine ganze Reihe direkt militärische Funktionen haben.“

Neben dem Nato-Land USA haben zuletzt vor allem Staaten wie Russland, China und Indien ihre Fähigkeiten im Weltraum ausgebaut. So hat Indien bereits im vergangenen Jahr durch das Abschießen eines eigenen Satelliten erfolgreich eine Anti-Satelliten-Rakete getestet.

„Die Idee insbesondere der US-Amerikaner ist, da eine führende Rolle zu bekommen und da ein spezifisches Kommando aufzubauen. Trump sagt ja ganz offen, dass es um eine Vorherrschaft im Weltraum geht. Was wir de facto erleben, ist, dass es in diesem Bereich zusätzlich zu den anderen Bereichen ein Wettrüsten geben wird, und die USA wollen da führend sein – offensichtlich gemeinsam mit den anderen Nato-Staaten“, betont der Linke-Politiker.

Über kurz oder lang werde es außerdem nicht nur um Satelliten gehen, ist der Politiker überzeugt. Offiziell dementiere die Nato zwar, dass es um eine Stationierung von Waffen gehe. „Aber allein diese Militärsatelliten sind natürlich Waffen, weil über die Satelliten weitere Militärsysteme gesteuert werden. Die Drohnen-Kriegsführung ist ja nur ein Teil davon.“ Auf dem Schlachtfeld der Zukunft spielt das Weltall laut Pflüger somit eine ganz wesentliche Rolle.

Der Standort Deutschland
Ramstein spiele dabei in mehrfacher Hinsicht eine problematische Rolle, beklagt Pflüger. „Ramstein ist ein Hub für sehr viele Flugbewegungen innerhalb der US-amerikanischen oder Nato-Truppen. (…)  Wir haben dort auch die Relaisstationen für die Drohnen-Kriegsführung der USA – ein Teil der Drohnen-Kriegsführung, die natürlich über Satelliten gesteuert wird. Das ist ein Teil dieser Weltraumaufrüstung. Und insofern hat es leider seine immanente Logik, dort dieses Space Center zu machen. Das ist ein weiterer ganz zentraler Schritt hin zu einer weiteren Aufrüstung, und deshalb sollte dieses Space Center nicht sein. Wir werden deutlich machen, dass da eine Aufrüstung stattfindet, die sehr, sehr gefährlich ist.“

Neben Ramstein spielt für die Missionen im Weltraum auch der Standort Kalkar / Uedem in Nordrhein-Westfallen eine entscheidende Rolle. Dort befindet sich neben dem im September eröffneten Weltraumlagezentrum auch das „Joint Air Power Competence Centre“ (JAPCC) der Nato, dessen Direktor US-General Jeffrey L. Harrigian gleichsam der Kommandeur des „Allied Air Commands“ in Ramstein ist. Dieses Zentrum betreibt Kooperationen unter anderem mit den Standorten Ramstein und Büchel, wo sich US-Kernwaffen befinden. Das JAPCC wird als wesentlicher Teil der Nato-Kommandostruktur immer wichtiger und war nach Aussagen einiger Experten auch als Standort für das neue Space Center mit im Gespräch. Dort befindet sich zudem das Nationale Lage- und Führungszentrum für Sicherheit im Luftraum, an dessen Errichtung das Bundesinnen- und das Bundesverkehrsministerium beteiligt waren.

Neue nukleare Kriegsfront im All?
Der Autor und Publizist Bernhard Trautvetter engagiert sich seit mehr als 30 Jahren in der Friedensbewegung. Den Aufbau der Militär-Standorte am Niederrhein und in Ramstein verfolgt er kritisch. Auch er sieht ballistische Systeme, Kampfdrohnen, Raketenabwehr, aber auch den Cyberwar als Teil der „Weltraumkriegsführung“. „Es wird eine neue Kriegsfront im All geschaffen“, äußert der Abrüstungsexperte. Das beobachte er systematisch seit den 1980er Jahren.

Dabei verweist er auf die Pentagon-Pläne unter Präsident Ronald Reagan aus dem Jahr 1980. Schon damals sprach sich Caspar Weinberger, Verteidigungsminister der USA, dafür aus, einen atomaren „Gegenschlag“ mit dem Ziel der „Enthauptung“ der politischen und militärischen Führung der Sowjetunion durchzuführen und Waffensysteme im Weltraum zu stationieren. Heute, 40 Jahre später, können Militär-Satelliten als Hilfsmittel eingesetzt werden, um in einen „chirurgisch geplanten Krieg auch Nuklearsysteme einzubeziehen“ und den Atomkrieg „mit einem Erstschlag technologisch – unter Einbeziehung der Militär-Satelliten – möglich zu machen“, befürchtet der Rüstungsgegner. Hinzu kämen die sich bereits in der Produktion befindlichen B61-12 Atombomben, von denen auch mindestens circa 20 in Büchel erwartet würden, sagt Trautvetter. Diese hätten eine „Zielfindungstechnologie“ und seien „besser dosierbar als die bisherigen Systeme“, sagt der Rüstungskritiker. Das Weltall werde der Erde hinsichtlich der kriegerischen Systeme immer ähnlicher.

„Die Militärs betrügen die Öffentlichkeit, indem sie es Sicherheit nennen, wobei es das glatte Gegenteil ist. Und mit dieser Propaganda kriegen sie es auch hin, dass die politischen Beschlussfassungen in den Nato-Staaten stattfinden“, bemängelt der Aktivist.

Moskau hingegen spricht sich für einen juristisch bindenden Vertrag für alle Raumfahrtnationen aus, welcher eine Militarisierung des Weltalls verhindern würde.

„Russland setzt sich für eine Initiative zur Schließung eines juristisch bindenden Vertrags unter Teilnahme aller führender Raumfahrtnationen ein, welcher ein Verbot von Waffenstationierung und Gewaltanwendung im Weltall sowie ein Verbot von Drohungen gegen Weltraum-Objekte beinhaltet“, sagte Präsident Wladimir Putin in seiner Rede für die 75. UN-Generalversammlung im September.

Einer Stationierung von Waffen im All sowie einem Angriff gegen Satelliten steht jedoch weiterhin, wenn auch nur zum Teil, der Weltraumvertrag aus dem Jahr 1967 im Wege. Darin verpflichten sich die Vertragsstaaten, „keine Gegenstände, die Kernwaffen oder andere Massenvernichtungswaffen tragen, in eine Erdumlaufbahn zu bringen und weder Himmelskörper mit derartigen Waffen zu bestücken noch solche Waffen im Weltraum zu stationieren“. Zudem haften die Vertragsparteien für Schäden, die im Zusammenhang mit ihren Weltraumaktivitäten stehen. Umstritten ist dabei die fehlende Abgrenzung zwischen Weltraum und Luftraum.

sputniknews


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