Das US-Wahlsystem hat seine Besonderheiten, das dürfte nach mehreren Tagen Auszählung klar sein. Eine davon drängt sich jedoch erst jetzt, zum Ende, in den Vordergrund: Der mögliche späte Einfluss der Stimmzettel von Militärangehörigen, die sich außerhalb der USA befinden und deren Briefe in den meisten Bundesstaaten auch nach dem Wahltag angenommen werden.
Ihre Einsendungen gehören unter anderem in Pennsylvania und Georgia zu den letzten, die ausgezählt werden. In Staaten, in denen das Ergebnis von Donald Trump und Joe Biden nur wenige Tausend Stimmen auseinanderliegt, könnten sie deshalb eine entscheidende Rolle spielen.
In den USA hat es traditionell einen hohen Stellenwert, Militärangehörigen die Wahl zu ermöglichen – ganz egal, wo sie sich gerade befinden. Schon Präsident Abraham Lincoln ließ Soldaten während des amerikanischen Bürgerkriegs für ihre Stimmabgabe nach Hause zurückkehren, falls es keine Alternative gab.
Wahlzettel aus dem Ausland haben besondere Fristen
1942 verabschiedete der Kongress zum ersten Mal ein Gesetz, das Mitgliedern der Streitkräfte garantierte, während Kriegseinsätzen bei Bundeswahlen ihre Stimme abgeben zu können. Seit 2009 sind alle Staaten per Gesetz dazu verpflichtet, ein System zu schaffen, das Militärangehörige und andere Staatsangehörige im Ausland mit Briefwahlunterlagen versorgt.
Der Organisation Count Every Hero zufolge akzeptieren 28 Staaten und der District of Columbia Stimmzettel aus dem Ausland, selbst wenn sie nach dem Wahltag eintreffen. In Georgia etwa, wo Trump und Biden aktuell fast gleichauf liegen, werden die Wahlzettel aus dem Ausland bis zu drei Tage nach dem Wahltag akzeptiert. North Carolina berücksichtigt die eintreffenden Stimmen bis zum 12. November, Pennsylvania bis zum 10. November. Voraussetzung ist nur, dass die Briefe spätestens am Wahltag abgestempelt wurden.
Es ist damit zu rechnen, dass sich unter den spät eintreffenden Wahlzetteln deshalb viele Stimmen von Militärangehörigen befinden. Bis Wahlunterlagen aus dem Ausland eintreffen, dauert es laut einem Report von Count Every Hero im Schnitt sechs Tage. Bei der Organisation handelt es sich um eine überparteiliche Gruppe, die sich dafür einsetzt, das Wahlrecht von Mitgliedern der Streitkräfte zu schützen.
Bekommt Trump durch die Militär-Briefwähler Aufwind?
Liegen Trump und Biden in einem Staat nur wenige Tausend Stimmen auseinander, ist zumindest theoretisch denkbar, dass sich die Briefwahlstimmen der Militärangehörigen bemerkbar machen. 2016 gingen laut U.S. Elections Assistance Commission in Georgia mehr als 5600 Wahlzettel von Angehörigen der Streitkräfte ein. In North Carolina waren es demnach fast 11.000, in Pennsylvania fast 7800 und in Nevada rund 2700.
Aufgrund der starken Wahlbeteiligung könnten diese Zahlen dieses Jahr noch höher liegen. In Georgia etwa berichtete das Büro des Secretary of State, dass rund 8900 Stimmzettel an Wähler des Militärs und an im Ausland wohnende Staatsbürger ausgesendet wurden, die bis Freitag wieder angenommen werden. Laut Fox News glauben manche, dass die Stimmen Trump noch mal Auftrieb geben könnten. Allerdings befinden sich unter den Wahlzetteln neben denen der Militärangehörigen auch die der Zivilisten, die sich im Ausland aufhalten. Außerdem wurden die Rückläufer, die bislang schon eingetroffen sind, normal ausgezählt.
Mit seinen Forderungen, die Auszählungen zu stoppen, könnte Trump dennoch viele Militärangehörige verärgert haben – allerdings erst, nachdem sie ihre Stimme bereits abgegeben hatten. "Jeder Versuch, die Auszählungen zu stoppen oder Briefwahlzettel auszuschließen, trifft überproportional Wähler des Militärs", erklärte Jack Noland von Count Every Hero.
spiegel
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